»Gepäck?« antwortete er. »Habe keins.« »Wirklich keins?« »Yes. Bin früher so dumm gewesen, mich mit einer Menge von Sachen zu schleppen, und habe mich trotzdem für einen tüchtigen Globetrotter gehalten. Habe aber von dir gesehen, wie man es machen muß. Mache es nun ebenso: Anzug auf dem Leibe, Mantel, Waffen, Geld, weiter nichts.« Karl May, Im Reiche des silbernen Löwen III
Das Geheimnis der Beweglichkeit ist es, frei zu sein von jeglicher Last. Dem entgegen stehen das Bedürfnis nach Sicherheit und der Wunsch nach etwas Bequemlichkeit. Was man dafür glaubt zu brauchen, muss ins Gepäck passen. Bereits alte Reisesprichwörter verweisen auf das Gepäck als Last und Lust als Sack und Pack: »Der reist frey in alle landt, der nichts im beutel, nichts in der handt.«, aber auch: »Eines Reisenden schwerste Bürde ist ein leerer Beutel.« Ohne ein Lasttier und ohne Fahrzeug bleibt für die Last nur der eigene Rücken. Das ist uns angeboren, denn ohne aufrechten Gang (mit dem Stab als Stütze) kann der Mensch nicht tragen (mit dem Beutel als Last) und so war der *Homo sapiens seit je auch ein Homo portans, der auch seine Tragetechniken ständig optimierte und anpasste. Die ursprünglichsten Behälter waren Körbe 1) und Netze, die auf dem Kopf oder mit Bändern getragen wurden. Kombinationen aus Beutel, Sack, Stab und Rad erweiterten die Tragemöglichkeiten.
Pichler, Sandra
Der Mann vom Hauslabjoch, bekannt als »Ötzi«, konserviert als eine rund 5.300 Jahre alte »Gletschermumie« aus dem Ötztal in den Alpen, war gut mit Tragevorrichtungen durchdacht ausgestattet und unterwegs mit
Dies sind die ältesten bekannten und erhaltenen aus einer langen Liste von Reisegepäckarten; offensichtlich fehlen jedoch ein Wanderstab und ein Wasserbeutel.
Für die ältesten Formen von Wandermönchen, der indischen (Dandin), sind die Vorschriften der Veden, der Jain und der Buddhisten überliefert. Sie alle haben ihre eigenen Regeln für Ausrüstung. Zwar sind alle Vorschriften mehr oder weniger minimalistisch 3), dennoch zeigt sich eine Bandbreite zwischen Besitzlosigkeit und Armut, zwischen dem Leben in der Wildnis, der Waldeinsamkeit oder am Rande der Gesellschaft, eine Gratwanderung zwischen notwendigem Bedürfnis und überflüssiger Begierde.
Veda Schüler | Brahman. Bettel-Asket | Jain Novize | Jain Mönch | Buddh. Mönch |
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Yâyâvaras Samnyasin | dandamānava dandagrahana & antevāsi | seha | pravrajita | upasampadā supravrajita |
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Gelübde | Besitzlosigkeit | Besitzlosigkeit | Armut | ||
Trinken | Wassertopf mit Filtertuch | Filtertuch | |||
Ernährung | Almosenschale | Almosenschale | Almosentopf mit Tuch | Almosentopf | Almosenschale pindapäta |
Kleidung | Gewand Antilopenfell | Lendenschurz | 3 Teile | 1 Teil aus Lumpen | 3 Teile aus Lumpen |
Wanderstab | Körperlänge | 1-2 Stäbe | [vi]dandaga | Wanderstab | khakkhara hikkala |
Tragehilfen | Tragestange Gürtel aus Gras | Seil | Gürtel | ||
Werkzeug | Sichel Kuthahari | Besen | Messer, Nadel Sonnenschirm Zahnholz |
||
Untersagt | keine Schuhe kein Sonnenschirm | kein Feuer | |||
Anzahl gesamt | 12-14 | 8 |
Die griechischen Kyniker folgten ihrem Vorbild Diogenes von Sinope
(um 413 - um 323 v. Chr.) mit einem vergleichbaren Ansatz, der bactropērīta; das Gepäck dieser Wanderphilosophen umfasste:
Um 190 BC nannte Jesus Sirach
in einer Art praktisch-philosophischem Lehrbuch 4) den wesentlichen Bedarf für das Leben der Menschen:
Die römischen Soldaten und Legionäre trugen deutlich mehr Gepäck (sarcina) 5). Rund 20 Kilogramm hingen am Querholz einer gabelförmigen Tragestange (furca) aus Eschenholz; hinzu kamen Kleidung und Waffen. Als Gepäckstücke dienten:
Stolle, Franz
Die wichtigsten Dinge für eine Reise werden unter anderem im Neuen Testament (Lukas 10, 1-12) wiederholt genannt. Diese Ausstattung war bewusst spartanisch, damit die Jünger per pedes apostolorum lernen sollten, auf Gott und damit auf Almosen zu vertrauen, sie durften mitführen:
Siehe die Liste der Reisegepäckarten
Die charakteristische Reisekleidung der Kelten und Gallier wird in Abbildungen durch einen Umhang (keltisch sagum) mit einer Kapuze (keltisch cucullus, cuculla) dargestellt. Dieselbe Kleidung trägt der Genius cucullatus, ein Schutzgeist; im Griechischen entspricht ihm der Telesphorus 8). Ein Zusammenhang mit der „Barden-Kapuze“ bardocucullus wäre denkbar.
Bulle, Heinrich
Zerres, Jutta
Im alten deutschen Rechtsgebrauch durfte nur gepfändet werden, was jemand über dem Gürtels trug (Kappe, Hut, Mantel). Das Übrige erschien als überlebensnotwendig, selbst für den Outlaw.
Wie bei jedem anderen Reisenden mussten Kleidung und Ausrüstung praktisch und nützlich sein 9). Darüber hinaus entwickelte sich eine Art Bildsprache (Ikonographie) 10), damit beispielsweise Pilger oder Vaganten anders wahrgenommen wurden als wandernde Handwerksburschen, Fahrende Händler, Bettler, Aussätzige.
Ellmers, Detlev
Eine *Liste der klassischen ReiseAusrüstung des Fahrenden Volkes umfasst:
Als Jules Verne
1873 den Phileas Fogg
auf die Reise in 80 Tagen um die Erde schickt, weist dieser seinen Diener Passepartout
an:
»Keine Koffer. Nur eines Reisesackes bedarf's, mit zwei wollenen Hemden darin, und drei Paar Strümpfen; ebensoviel für Sie. Weiteres kaufen wir unterwegs. Holen Sie meinen Makintosh 16) und meine Reisedecke, und nehmen Sie gute Fußbekleidung. Uebrigens gehen wir wenig oder nicht zu Fuße. Jetzt, rasch!« 17).
Das erschwingliche Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln verdrängte im 19. Jahrhundert den Schrankkoffer (engl. trunk) der Begüterten, die über Kutschen und Träger verfügten. Das Bündel der Fussreisenden war jedoch auch keine Alternative. Dinge für unterwegs mussten also kleiner werden, faltbar oder klappbar, damit sie in den einfachen Koffer (engl. humble suitcase) passten 18).
Alex Braun beschreibt japanische Pilger um 1894: »Schaaren von Pilgern, meist Männer und Knaben in weißen Gewändern, mit Strohsandalen und tellerförmigen Strohhüten, mit großen grünen Matten als Wettermänteln, einem Kürbis als Wasserflasche und einem knotigen Bambus als Wanderstab …« 19)
Die Kataloge mit Reise-Ausrüstung umfassen mehrere hundert Seiten; Ausrüsterläden präsentieren Materialien auf mehreren tausend Quadratmetern. Doch wer sein Reisegepäck unter erschwerten Bedingungen tragen muss, benötigt keinen *Ballast. Von Bergführern bekommt man zu hören: »Unter schwersten Umständen muss Dein Rucksack leer sein, weil Du alles im Einsatz hast.«
Ein Rucksack sollte nicht mehr wiegen als etwa ein Viertel des eigenen Körpergewichts - das ist schon schwer. Mehr zu tragen erfordert langes Training und eine gute Rucksackqualität. Radfahrer und Motorradfahrer müssen sich ebenso einschränken. Wer jedoch mit einem *Fahrzeug reist, neigt schnell zum *Immermehrismus.
Muss: Trinken, Essen (Proviant), Schlafen, Wärme und Gesundheit müssen als Grundbedürfnisse garantiert sein. In Städten und auf dem Dorf gelingt das meist mit Geld, Dokumenten und Informationen. Outdoor & Offroad wird es schwieriger - man muss alles mitnehmen. Autarkie für bestimmte Zeiträume und klimatische Besonderheiten muss geplant werden. Zudem werden die Grundbedürfnisse erweitert um Orientierung und Mobilität - beides muss gewährleistet sein oder man findet sich in einer Survival-Situation wieder.
Kann: Die gewissen Extras, etwas Luxus, bequeme Hilfsmittel, Unterhaltsames, Genussmittel - eben alles, was schön ist oder Spass macht.
Die technischen Mittel des Reisens - Tragehilfen ebenso wie Gepäck - sind uns alltäglich vor Augen und bleiben wegen ihrer Selbstverständlichkeit weitgehend unbeachtet; auch der akademische Blick schweift meist darüber hinweg. Volkskunde und europäische Ethnologie bieten kaum systematische Ansätze zu diesem Themenfeld:
Margarete Braun-Ronsdorf
Daniel A. Gross
Harlan, Susan
, Alessio Pugliese
Ledoux, Kate Reed
Luce, Robert
Klara Löffler
Andrea Mihm
Mollerup, Per
O'Brien, Alden Swift Tullis
Pommrich, H., & Pietzner-Clausen, P.
Attila de Paládi-Kovács
(Hrsg.)Schadendorf, W., & Braun-Ronsdorf, M.
Marie Simon
Goubitz, O.
, Driel-Murray, C. V.
, Waateringe, W. G.
Katherine Ely Dohan
Olaf Goubitz
B. Terzan
J. Wininger
Thomas Oberlies
(01/1998)Georg Bühler
(Übers.)Peter Connolly
Junkelmann, Marcus
Katherine Ely Dohan
Antal, Adriana
A god of convalescence. Telesphorus/Genius Cucullatus in Roman Dacia. Acta Musei Napocensis. National History Museum of Transylvania. 1.51 (2014) 195–206Teodor Puszcz
U. Liebl, Pilger
Leonie von Wilckens
Olaf Goubitz
A. Franz
Herbers, Klaus; Kühne, Hartmut
[Hrsg.]Claudia Schopphoff
Charles Macintosh
(1766–1843) Alex Braun
: Japanische Thermen. in: Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik 17 (1895) 344-350