Netz und Netzwerk (network)
515 BC ließ der persische König Dareios I.
in seinem Reich ein Netz von Königsstraßen anlegen.
Um 240 BC schuf Eratosthenes von Kyrene
(um 284 - um 202 BC) die erste Gradnetzkarte mit Längen- und Breitenangaben in seinem Buch Geographika.
312 BC: Unter dem Konsul Appius Claudius Caecus
beginnt der Bau der ersten gebahnten und befestigten Fernstraße und damit der Ausbau des römischen, interkontinentalen Straßennetzes.
→ Wegenetze und Automobile Wegenetze
Ein Spinnennetz als ein natürliches Vorbild ist für die Spinne ein Wegenetz, eine Falle und ein Informationssystem, weil Schwingungen anzeigen, dass ein Opfer sich gefangen hat. Diese Idee des Netzes findet sich wieder im handwerklich gefertigten Tragenetz, im Fischernetz, in der Hängematte und schließlich im übertragenen Sinne in unsichtbaren Netzen:
- Autobahnnetz als Stoffsystem
- Stromnetz als Energiesystem
- Mobilfunk oder Satellitennavigation als Informationssystem
Praktisch sind diese kaum zu trennen, denn wer ein Wegenetz nutzen will, benötigt Informationen über dessen Struktur und Energie, um Strecken zurückzulegen. Und auch das Internet benötigt elektrische Energie, Kabel und Funkmasten, zusammen mit den Nutzern bilden sie ein soziotechnisches Handlungssystem im Raum.
Netze sind eine Voraussetzung für Organisationssysteme: kein Verkehrssystem ohne Wegenetz, wohl aber sind Wegenetze ohne Verkehrssystem denkbar. Zwischen Netz und Netzwerk (mit Organisationssystem) sollte unterschieden werden.
In jedem Netz bilden sich Knotenpunkte (nodal point), die in jedem Fall verbindend wirken (nexus, junction). Als Gabelung oder als Kreuzweg (crossroad) werden sie zu einem Ort für Entscheidungen. Eine herausragende Bedeutung macht sie zur Drehscheibe (hub) zahlreicher Verbindungen. Als Prinzipien von Netzen sind erkennbar:
- Verbindungen (Strecken) von Orten (Knoten)
- Stabilität von Verbindungen
- Instandhaltung (Pflichten)
- Verfügbarkeit von Wissen über Verbindungen und Orte
- z.B. kürzeste Wege von A nach Z über …
- Austausch (Verkehr, Fahrpläne) > Rhythmus, Synchronizität
- Bedeutung (Relevanz) von Verbindungen und Orten
- z.B. Versorgungsmöglichkeiten, Sicherheit
- Löcher, also Flächen zwischen Orten und Verbindungen
- zunehmendes Wissen > Verdichtung, kleinere Löcher
Handlungssystem und Netz bedingen einander durch unterschiedliche Interessen der Nutzer, etwa als:
- Bote, Gesandter, Kurier → Liste der Beförderungssysteme
Jede Form des Unterwegs-Seins erfordert Fortbewegung, Transportmittel, Kommunikation und vor allem Wissen. Die dazu nötigen Funktionen differenzieren sich und erscheinen als
- Wächter
Diese Funktionsträger verbinden sich mit ihren je spezifischen Sachsystemen (z.B. Tragetechniken, Lasttiere, Fuhrwerken, Navigationsmitteln) zu Handlungs- und Organisationssystemen. Die Globalisierung am langen Ende dieses Vorganges ist ein Geflecht verschiedenster Netze für den Austausch von Waren, Personen, Dienstleistungen, Informationen und Kapital.
Literatur
Hans Geser
,Mustafa Ideli
Ethnische Selbstorganisation Online. Digitale Diasporas zwischen Netzwerk, Gemeinschaft und politischer Organisation.
In: Sociology in Switzerland: Towards Cyberspace and “Vireal” Social Relations. Online Publications. Zuerich, June 2011.Mijal Gandelsman-Trier
Migrationsforschung in der Ethnologie: von ethnischen Enklaven zu transnationalen Netzwerken.
in: Wiedemann, Felix, Kerstin P. Hofmann, Hans-Joachim Gehrke: Vom Wandern der Völker: Migrationserzählungen in den Altertumswissenschaften. 370 S., Berlin 2017: Edition Topoi.B. Horejs
,B. Milić
,F. Ostmann
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,B. Weninger
,A. Galik
The Aegean in the early 7th millennium BC: Maritime networks and colonization.
Journal of World Prehistory 28 (2015) 289–330. DOI
Die Neolithisierung scheint sich von der Levante und Obermesopotamien westlich ausgebreitet zu haben:
zum einen auf dem Festland durch Anatolien
zum anderen maritim auf Seerouten im östlichen Mittelmeerraum und in der Ägäis
Dieser Beitrag konzentriert sich auf die maritime Ausbreitung des neolithischen Lebensstils am westlichen Rand des anatolischen Subkontinents in den frühesten Phasen der Sesshaftigkeit. Die Verbreitung von Melian-Obsidian lässt sich durch ein maritimes Netzwerk der präkeramischen Jungsteinzeit (PPN) zwischen Kappadokien/Kilikien und Zypern deuten und setzt Methoden zur erfolgreichen Navigation früher (epipaläolithischer/mesolithischer ) mobiler Gruppen im frühen 7. Jahrtausend v. Chr. über das offene Meer voraus, noch vor der Ausbreitung der Landwirtschaft. Danach erst entstanden die ersten dauerhaften Siedlungen an der anatolischen Ägäisküste. Diese Arbeit verknüpft mit dem Longue-Durée-Modell Ausgrabungsergebnisse aus Çukuriçi Höyük mit Subsistenzstrategien an der Küste, Materialien, handwerklichen Techniken und Symbolik, mit Ernährung und dem Austausch von Obsidian. Siedlungen im Landesinneren werden erst für eine spätere Periode angenommen.Hübner, Klara
Botenwesen und überregionale Nachrichtennetze als Innovationen spätmittelalterlicher Städte im eidgenössischen Raum
S. 321–328 in: Hans-Jörg Gilomen et al. (Hg.): Innovationen. Voraussetzungen und Folgen – Antriebskräfte und Widerstände; Zürich 2001.Magnus Ressel
Protestantische Händlernetze im langen 18. Jahrhundert. Die deutschen Kaufmannsgruppierungen und ihre Korporationen in Venedig und Livorno von 1648 bis 1806
Goethe-Universität Frankfurt am Main. 698 S. Göttingen 2023: Vandenhoeck & Ruprecht. InhaltSchwillus, Harald
Netzwerke und Boten: Beispiele kirchlicher Kommunikationsformen in Mittelalter und Früher Neuzeit
S. 86-98 in: Fikentscher, Rüdiger (Hg.): Kommunikationskulturen in Europa. Halle 2022Michael Sommer
Beziehungen, Netzwerke, Kontakte im Raum. Homo Mercator: Handelsvölker und interkulturelle Netzwerke zwischen Orient und Okzident.
in: Rollinger, Robert: Interkulturalität in der Alten Welt. Vorderasien, Hellas, Ägypten und die vielfältigen Ebenen des Kontakts. Wiesbaden 2010: Harrassowitz. Tagungsband XXIII, 726 S.