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wiki:alltag_unterwegs

Der Alltag unterwegs

Alltag (engl. everyday life, franz. vie quotidienne) umfasst eben Alltägliches, Wiederkehrendes und scheint daher auf den ersten Blick im Gegensatz zum Reisen zu stehen, so wie Arbeitsalltag und Urlaubsreise. Köstlin und Gyr haben jedoch gezeigt, dass im Urlaub ein anderer Alltag entsteht, der ritualisiert wird: spätes Aufstehen, ausgiebiges Frühstücken, Zeitung lesen, im Bademantel bleiben … Groth kategorisiert verschiedene Formen des Alltags als »Erwartbarkeit von Erfahrungen«. Tourismus verspricht ja genau das: die versprochenen Abenteuer finden in klaren Zeitfenstern zwischen Frühstück und Lunch statt und dürfen keinen unerwarteten Ausgang finden.

  • Gyr, Ueli
    Touristenkultur und Reisealltag. Volkskundlicher Nachholbedarf in der Tourismusforschung.
    Zeitschrift für Volkskunde 84.2 (1988) 224-239.
  • Kramer, Dieter (Hg.)
    Reisen und Alltag: Beiträge zur kulturwissenschaftlichen Tourismusforschung.
    Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, 1992. Inhalt
  • Köstlin, Konrad
    Wir sind alle Touristen – Gegenwelten als Alltag.
    S. 1-12 in: Christine Cantauw (Hg.): Arbeit, Freizeit, Reisen. Die feinen Unterschiede im Alltag (=Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, 88). Münster 1995.
  • Schrutka-Rechtenstamm, Adelheid
    Tourismus und Volkskunde. Überblick und Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Tourismusforschung.
    Acta Ethnographica Hungarica 44.3-4 (1999): 303-322. Ausführlicher Review (Bibliogr. S. 317–322) der Beobachtungen zum Alltag im Tourismus. Online
  • Patrick Wohlkönig
    Die feinen Unterschiede der Reise. Die Urlaubsreise als Spiegel sozialer Strukturen, Befindlichkeiten und kulturellem Abgrenzungsverhalten Diplomarbeit bei Adelheid Schrutka-Rechtenstamm Universität Graz 2010 Online
  • Groth, Stefan
    Alltag als Konstante der Erfahrung?
    S. 27–43 in: Barbara Sieferle, Martina Röthl (Hg.): Erfahrung – Kulturanalytische Relationierungen. Münster 2023: Waxmann.

Verschiedene Konzepte des Unterwegs-Seins führen zu verschiedenen Alltäglichkeiten auch außerhalb des Tourismus: »Auch fehlen Untersuchungen zum Alltag des Reisens von Wissenschaftlern und Gelehrten (in der Regel Mönchen) im 12. und 13. Jahrhundert, aber auch in der Renaissance« 1) Der Alltag unterwegs lässt sich nicht abschalten, weil Kälte nach Kleidung, Erschöpfung nach Geborgenheit, Müdigkeit nach Schlaf, Hunger nach Essen, Gesundheit nach Hygiene, Gefahren nach Vorsorge … verlangen. Den Alltag zu sichern erfordert ein bestimmtes Verhalten unterwegs.

  • Barbara Denicolò
    Von der „zerung“ und „notdurfft“ auf Reisen.
    S. 52–63 in: Kassiankalender 2015, Brixen 2014.
  • Helmut Hundsbichler
    Reise, Gastlichkeit und Nahrung im Spiegel der Reisetagebücher des Paolo Santonino (1485 – 1487)
    Diss. Wien 1979
  • Rowling, Marjorie
    Everyday Life of Medieval Travellers
    Dorset Press, 1971
  • Jacoby, David, Juschka, Darlene M.
    Whose turn is it to cook? Communitas and pilgrimage questioned
    Mosiac: A journal for the interdisciplinary study of literature, 36.4 (2003) 189-204

Für Geographen ist das Unterwegs-Sein ein „natürlicher Sport“ meint Roger Brunetin „Les mots de la geography“ und umschreibt es als eine geografische Aktivität im geografischen Raum, zugespitzt als existentiellen Augenblick der Konfrontation mit dem Raum. Neutral bezeichnet er Reisen als einen Vektor der Mobilität und eine Modalität der Begegnung mit dem Anderssein. Im Spannungsfeld zwischen 'sich fortbewegen' und 'ankommen' entwickelt sich ein Gleichgewicht zwischen Akkomodation und Assimilation.

  • Brunet, Roger
    Les mots de la géographie : Tourisme et loisirs.
    L'Espace géographique, 26.3 (1997) 204. DOI Online
  • Bailly, Antoine, Renato Scariati
    Voyage en géographie.
    Bulletin de la Société géographique de Liège 46 (2005) 5-9.
  • Bruno Lecoquierre
    L’usage du voyage en géographie
    Géographie et cultures 75 (2010) Online DOI

Dem entsprechend betrachtet Lecoquierre das Reisen als „interface de situation“ und betont dabei die Priorität von Differenzierung und Austausch bei drei Arten von Schnittstellen (Abs. 47-48), an denen sich ein Alltag entwickelt:

  • « interfaces qui ménagent l’altérité
  • « interfaces qui exploitent l’altérité »
  • « interfaces qui mettent en scène l’altérité »

Literatur

  • Julian Happes
    Stürme – Enge – Langeweile. Bemerkungen zum Alltag auf venezianischen Pilger-Galeeren im 15. Jahrhundert.
    in: Unterwegs auf Pilgerstraßen. Pilger aus dem polnischen und deutschen Raum im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit.
    Bulletin der Polnischen Historischen Mission. mit umfangreicher Bibliographie Biuletyn Polskiej Misji Historycznej, 10 (2015) DOI, Online.
  • Hlavacka, Milan
    Cestování v ére dostavníku. všední den na středoevropských cestách
    48, VIII S., 49-137: Illustrationen, Karten. Praha 1996 : Argo.
    Thema ist der Alltag auf der Straße im 17. bis 19. Jahrhundert, etwa die verschiedenen Fahrzeuge, die Unterbringung und Verpflegung in Gasthäusern, die Gefahren, Unannehmlichkeiten und Hygiene.
  • Klara Löffler
    Wie das Reisen im Alltag kultiviert wird.
    Beobachtungen zu einer Form zeitgenössischer Schaulust.
    In: Christoph Köck (Hg.): Reisebilder. Produktion und Reproduktion touristischer Wahrnehmung aus volkskundlicher Sicht. München 2001 (= Münchner Beiträge zur Volkskunde, Bd. 29), S. 229-239.
  • Egli, Barbara
    Gepflegt unterwegs. Das Toilettenservice des Franz Ludwig von Erlach.
    Fundstück S. 186–189 Online
  • Klaus Militzer
    Stadtkölnische Reiserechnungen des Mittelalters
    (=Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, 75) LIX, 639 S. Bibliogr. S. LII - LIX Düsseldorf 2007: Droste
    [Reiserecnungen als wertvolle Quelle, den Alltag zu rekonstruieren]
  • → Kategorie: Technik: Ausrüstung, Transport & Verkehr in den Epochen/Jahrhunderten
1)
Bergdolt, Klaus
Medizin. S. 291-301 in: Handbuch der Mediterranistik. Brill Schöningh, 2015.
wiki/alltag_unterwegs.txt · Zuletzt geändert: 2025/02/05 16:11 von norbert

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