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Allradantrieb
Der wahre Reisende weiß nicht, wohin die Reise geht, der wahre Abenteurer weiß nicht, was er erleben wird. Seine Reisen führen ihn nicht eher in eine Richtung als in eine andere. Seine Neugierde ist nicht auf einen bestimmten Punkt gerichtet. Chuang-tzu ca. 365-286 v. Chr.
Aufgaben
Die gegenüber 4*2 zusätzlichen Aufgaben eines Allradantriebs ergeben sich aus den möglichen Fahrsituationen:
- In der normalen Fahrsituation bringt der 4*2-Antrieb mit technisch geringstem Aufwand das Drehmoment optimal auf die Straße, denn alle Räder haben im Idealfall den gleichen Kraftschluss zur Straßenoberfläche. Kurvenfahrten erfordern zudem ein Verteilergetriebe (meist verkürzt als »Differential«) in der angetriebenen Achse, damit dieses das in der Kurve ungleiche Drehmoment über die Antriebswellen (oft verkürzt als »Steckachse«) auf die Räder verteilt.
- Bei unebenem Untergrund bleibt der Kraftschluss auch mit 4*2 immerhin so lange erhalten, wie die *Achsverschränkung und die *Bodenfreiheit es zulassen. Jenseits dieser Grenze reißt der Bodenkontakt eines angetriebenen (Hinter-)Rades jedoch ab und erfordert mindestens eine Differentialsperre.
- Kraftschluss ist auch beim Bodenkontakt aller Räder nicht gegeben, wenn der *Kraftschlussbeiwert zwischen Reifen und Untergrund bei mindestens einem angetriebenen Rad radikal sinkt, bedingt durch einen nicht griffigen Untergrund (Eis, Wasser, Staub, Lehm usw) und/oder ungeeignete *Reifen. Geeignete Reifen, Schneeketten und Anfahrhilfen verbessern den Kraftschluss ohne Allradantrieb.
Das Problem: Wenn die kraftschlüssige Verbindung in den beiden letztgenannten Situationen an einem Rad nicht mehr gegeben ist, leitet das Verteilergetriebe das gesamte Drehmoment auf eben dieses Rad. Was in Kurven sinnvoll ist, führt dann zum Durchdrehen ohne Fortbewegung.
Die Lösung: Technisch würde nun eine Differentialsperre ausreichen, um das Drehmoment auf beide angetriebenen Räder zu verteilen. Der Allradantrieb ermöglicht es jedoch, auch die Räder der zweiten Achse anzutreiben. Das erste Patent für einen Allradantrieb stammt von 1825.
Funktion
Das Hauptziel des Allradantriebes ist es, bei ungleich verteiltem Kraftschluss zwischen Rädern und Untergrund die Kraftübertragung auf den Untergrund sicherzustellen. Dazu gehört, dass möglichst viele Räder angetrieben werden, meist mit der Radformel *4x4.
Unterschiedliche Allradkonzepte resultieren aus der Gewichtung gegensätzlicher Forderungen wie etwa:
- »automatisch« arbeitend versus technische Einfachheit
- Gewichtsersparnis versus Robustheit
- bessere Fahrdynamik auf der Straße versus bessere Geländeeigenschaften
Wirkungsweise
Technisch gelingt ein Allradantrieb am einfachsten über eine mechanisch einzulegende Klauenkupplung, die die Antriebskraft von der Antriebswelle
- über Kardanwellen gleichermaßen (Drehzahl) auf beide Achsen legt und
- mit (sperrbaren) Achsdifferentialen über die Achswellen gleichermaßen auf die Räder verteilt.
Konstruktiv können Kräfte über Drehmomentwandler (Getriebe) und Drehzahlwandler (Kupplungen) verteilt werden, daraus ergeben sich unterschiedlichste Allradkonzepte.
So kann die Klauenkupplung durch ein weiteres Verteilergetriebe (»Mitten- oder Mittelgetriebe«) ersetzt werden, das die Antriebskraft (Drehmoment) auf beide Achsen verteilt.
Eine weitere mechanische Lösung bietet das drehzahlgeführte Torsendifferential.
Ausführungen
Für Allradantrieb bieten sich drei konstruktive Wege an:
- zuschaltbar (manuell oder mittels Stellmotor), grundsätzlich ohne Mittendifferential
immer mit Freilaufnaben in der Vorderachse (manuell oder mittels Stellmotor zuschaltbar) - permanent
- automatisch zuschaltend
Anwendungsbereich
Für den überwiegenden Einsatz im *Gelände erfordern die einfachsten und robustesten Allradkonzepte das Mitdenken des Fahrers und vorausschauende Handlungen (Freilaufnaben manuell sperren, Allrad einlegen, Untersetzungsgang wählen).
Elektronische Systeme verbessern die Fahrdynamik im Straßenverkehr und sind bequemer in der Handhabung. Sie ersparen in unterschiedlichem Maße das Nachdenken durch automatische Schaltungen, sperren jedoch weniger effektiv als mechanische Lösungen und sind weniger dauerhaft belastbar, also nicht unter schweren Bedingungen und nicht anhaltend im Gelände einsetzbar.
Fahrassistenzsysteme können die Geländefahreigenschaften beeinträchtigen und sollten abschaltbar sein, etwa Antiblockiersystem ABS oder erweitert als Antischlupfregelung ASR.
Alternativen
*SUV oder Allradantriebe in Fahrzeugen, die nicht primär für das Gelände konzipiert sind, verzichten auf schwere, robuste und mechanische Lösungen. Die dabei häufig verwendeten Visco-/Rutschkupplungen und Notlösevorrichtungen erhöhen die Sicherheit und beschränken die Allradfunktionen. Diese Konzepte simulieren Eigenschaften des Allradantriebs durch elektronische Eingriffe. Diese können beispielsweise:
- die hintere Differentialsperre ab einer bestimmten Geschwindigkeit automatisch abschalten
- die Sperre durch Bremseingriffe simulieren
- Unter-/Übersteuern erkennen und das Drehmoment variabel verteilen
Die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse ist Teil des Konzeptes. Sie kann fest sein 45:55 (Mercedes) oder 40:60 (Audi) oder 50:50 (Subaru) oder variabel (0:100 bis 100:0), so dass die Räder mit der besseren Traktion mehr Drehmoment erhalten. Dadurch ändert sich allerdings das »gefühlte« Fahrverhalten und wird für den Fahrer schwerer berechenbar.
Das älteste dieser Verfahren, 1980 der Quattro von Audi, ist vom Iltis abgeleitet und erlangte im Pkw-Einsatz Kult-Status. Der Syncro von VW wurde insbesondere über den »Bulli« bekannt; dieser Antrieb wurde durch den 4Motion ersetzt. Weitere Allradkonzepte haben Mercedes mit 4Matic, BMW mit x-Drive sowie Subaru mit AWD und andere. Jedes dieser Verfahren gibt es in mehreren Varianten und Entwicklungsstufen. Jedoch kann hinter verschiedenen Bezeichnungen dasselbe technische Konzept stecken.
Kritik
Aus den eingangs beschriebenen Fahrsituationen ergibt sich, dass Allradantrieb nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, die *Geländegängigkeit des Fahrzeugs zu erhöhen und daher auf diese abgestimmt sein muss: Achsverschränkung, Bodenfreiheit, Reifen …, wenn es ein *Geländefahrzeug sein soll. Allradantrieb vermittelt ein höheres Gefühl der Fahrsicherheit und verleitet zu höheren Geschwindigkeiten im Gelände. Tatsächlich verschlechtert Allradantrieb die Fahrdynamik unterschiedlich je nach Antriebskonzept:
- Das Bremsverhalten wird nicht besser (bei zuschaltbarem Allradantrieb bremsen beide Achsen gleich stark)
- Das Fahrverhalten in Kurven wird durch gesperrte Differentiale verschlechtert, der Wagen ist untersteuert. Das Ausbrechen aus der Kurve bei zu hoher Geschwindigkeit wird so zu einer der häufigsten Unfallursachen.
- Das Lenken ist durch durch höhere Rückstellkräfte deutlich erschwert.
- Die Verspannungen im Antriebsstrang steigen an.
Umgekehrt gilt: Je weniger die Fahrdynamik durch den Allradantrieb eingeschränkt ist, desto geringer ist die Leistungsfähigkeit des Allradkonzeptes.
Verweise
siehe auch
* Räder und Reifen abseits der Straße
* Fachliteratur
Eine hervorragende Übersicht über Pkw-Allradsysteme
Andreas Kern
Das Ende der Visco-Kupplung als Allradantriebskonzept
Untersuchung zur rückläufigen Verwendung der Visco-Transmission in Neufahrzeugen
Bachelor + Master Publication, 2014. 52 Seiten
Übersetzungshilfen
englisch | 4WD, Four Wheel Drive, AWD All Wheel Drive |
französisch | *TRM Toutes roues motrices |
italienisch | quattro ruote motrici, trazione integrale |
spanisch | tracción a las cuatro ruedas, tracción integral |
niederländisch | vierwielaandrijving |
Road Music
C.W. McCall | Four Wheel Drive | 1975 |
Bachman-Turner Overdrive | Four Wheel Drive | 1975 |
John Michael Montgomery | Four Wheel Drive | 2002 |
Jake Owen | Eight second Ride | 2009 |
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