Wilhelm Pape
Handwörterbuch der griechischen Sprache.
Braunschweig 1914, Band 2, S. 1177.
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Waldläufer sind aus heutiger Sicht eigensinnige Menschen, die das Leben in der Wildnis dem in der Gemeinschaft vorziehen. Es scheint jedoch, als sei dies ein Phänomen der Neuzeit, denn »Außerhalb der Stadt gibt es nur Helden und Ungeheuer«, sagte Aristoteles
vor rund 2500 Jahren. Das Griechische bezeichnet mit hylobátēs ὑλη-βάτης 1) denjenigen, der durch den Wald streift, meint damit aber keinen normalen Menschen sondern Pan, einen Halbgott oder Reisegötter.
Dort herrschten der Graue und der Braune, denn Wolf oder Bär beim Namen zu nennen, hieße sie zu rufen. Stattdessen verbannte man soziale Outlaws 2) als Waldgangsmenschen (skóggangsmenn) 3) beispielsweise »in den Wald von Arden« (Shakespeare
) und nannte sie Vargr `Würger´, Werwolf. Die nordischen Sagas kennen allerdings auch eine Art Quest, ein zielloses Streifen durch die Wildnis 4) als Initiationsritual.
Im Russischen bedeutete im 16. Jahrhundert »frei zu leben« (вёл вольную жизнь) dasselbe wie »geflohen sein« (полевал), also auf dem freien Feld zu leben 5). Die Kosaken wurden vom Volk »freie Leute« genannt, in den Dokumenten der Regierung sind sie »Landstreicher, Diebe, Räuber, entlaufene Bauern« 6).
Der neuzeitliche Aufbruch ab etwa 1500 brauchte Menschen mit solchen Eigenschaften und verschob die frontier hier durch den Wilden Westen, dort durch den Wilden Osten, bis sie einander an der Beringstraße begegneten: hier der Trapper, dort der Promyšlenniki, beide das Abenteuer suchend, die Freiheit von Weitem Land und Wildem Feld, die Grenzenlosigkeit, deren Abschaffung sie selbst vorbereiteten, den merchant adventurer im Gepäck.
Die Pelzjäger lebten in erster Linie vom Fallenstellen (engl. trap) und jagten Bären, Biber, Zobel. Pelztiere leben dort, wo es kalt ist, also wurden Pelze (engl. fur, franz. fourrures) zum »weichen Gold« der borealen Gebiete Amerikas (Alaska, Kanada) 7), Europas (Fenno-Skandinavien) und Asiens (Sibirien). Im australischen Outback entsprachen ihnen die Bushranger und Overlander.
Allerdings ist die ältere Geschichte der europäischen Waldläufer und Pelzjäger kaum bekannt und wenig erforscht 8). Der älteste konkrete Hinweis auf auf eine Pelzhandelsroute findet sich für das frühe 6. Jahrhundert mit der Insel Vargeyjar, heute Vardøya nördlich von Kirkenes in der Barentssee 9). Die Überlieferung und der Name des Handelsortes deuten darauf hin, dass die nordischen Outlaws `vargr´ als zobeljagende Waldläufer tätig waren.
Noch im Mittelalter hatte jeder das Recht zu jagen, denn auf wilden Tieren kann kein Eigentumsrecht liegen 10). In den herrschaftlichen Forsten Europas seit dem Mittelalter wäre ein Pelzjäger auf eigene Rechnung jedoch als Wilderer eingestuft worden, daher bezeichnet der Waldläufer im deutschen Raum (westfälisch `Waldlöper´) das genaue Gegenteil, nämlich den Waldhüter, der polizeiliche Aufgaben im Namen seines Herrn versieht 11). Der Lebensstil des amerikanischen Waldläufers entsprach wohl eher dem mittelalterlichen Einsiedler in seiner Waldeinsamkeit 12), der sich als Selbstversorger mühsam nährte und auf sich allein gestellt war.
Die Besiedlung Amerikas durch Europäer führte unter anderem zu neuen Formen des individuellen Reisens in der Wildnis. Der Waldläufer (franz. coureur de bois) 13) entstand im 17. Jahrhundert während der französischen Kolonisation des nördlichen Amerika 14); als ältester namentlich bekannter Waldläufer gilt Étienne Brûlé
(1592 bis 1633) 15). Viele dieser Waldläufer sollen aus der Normandie und der Bretagne gekommen sein 16).
Erst später werden Trapper weiter südlich im Raum der englischen Kolonisation Nordamerikas erwähnt, während ein vergleichbarer Phänotyp in der spanischen Kolonisation Mittel- und Südamerikas nicht zu finden ist und auch in den conquistadores keine Entsprechung findet. Die coureurs des bois werden meist als unzivilisierte Waldgangsmenschen beschrieben. Sie schufen jedoch die Voraussetzungen für den institutionalisierten Pelzhandel durch die voyageurs. Die Trapper lebten zwar auch von der Pelzjagd, jedoch schufen sie die Voraussetzungen für die Landnahme. Vereinfacht ausgedrückt: Die coureurs des bois lebten in der Wildnis und mit den Einheimischen; die Trapper lebten vor der frontier im Konflikt mit den Einheimischen. das Überleben dort aber von den Indianern gelernt hatte. Die coureurs des bois lernten von den Einheimischen den Bau des Birkenrindenkanus und das Herstellen von Pemmikan als Grundnahrungsmittel 17).
Wörtlich `Kundige, Ausdenker, Ausfindigmacher´ 18). »Promueschleni sind Herumtreiber, die des Tierfangs wegen in eine Gesellschaft zusammen treten. Man könnte sie Zobeljäger oder Wildschützen nennen.« 19) Ähnlich wie coureur de bois und voyageurs Kanada jagend und handelnd erschlossen, stießen Zobeljäger - Kosaken und Promyšlenniki (auf eigene Rechnung arbeitende Abenteurer, Jäger, Pelzhändler) 20) - durch Sibirien 1741 bis nach Alaska vor 21) und bedienten sich einheimischer Führer (peredovščiki oder vataščiki) 22). Knapp 75% der russischen Bevölkerung in Sibirien waren im 17. Jahrhundert promyšlenniki, die meisten Einzelgänger ohne Familie. Ebenso wie bei den coureur de bois gab es zahlreiche »illegitime Verbindungen« zwischen den Promyšlenniki und den einheimischen Frauen vom Volk der Unangan auf den Aleuten 23).
»Es ist hier der Ort, ein Bild der beiden Jäger zu entwerfen, dessen Zeichnung wir bisher haben aufschieben müssen. Der Erste von Beiden trug einen Anzug, der zugleich an den Indianer und an den Weißen erinnerte. Sein Kopf war mit einer Mütze aus Fuchspelz in Form eines abgestumpften Kegels bedeckt. Ein baumwollenes, blau gestreiftes Hemde bedeckte seine Schultern; neben ihm auf der Erde lag eine Art Ueberrock aus einer wollenen Decke verfertigt. Seine Beine waren nach Indianer-Weise durch lederne Gamaschen geschützt. Statt der Mocassins jedodh trug er eisenbeschlagene Schuhe von einer Stärke, daß sie zwei Jahre hindurch aushalten konnten. Ein sorgfältig glattgeschabtes Büffelhorn hing quer über seinen Schultern und enthielt sein Pulver, während in einem ledernen Beutel, der an der andern Seite hing, ein reichlicher Vorrat bleierner Kugeln war. Endlich wurde sein Jagdgerät noch durch eine neben ihm liegende Büchse mit langem Lauf und durch ein Jagdmesser, das in einem Wehrgehänge oder vielmehr in einem wollenen, vielfarbigen Gürtel stak, vervollständigt. An dem sonderbaren Anzug wie auch an den gigantischen Wuchse konnte man in ihm Einen von den kühnen Jägern, den Abkömmlingen der ersten Normannen in Canada, erkennen...« Gabriel Ferry [= Eugène Louis Gabriel Ferry de Bellemare] Der Waldläufer: Scenen aus dem mexicanischen Waldleben. Aus dem Französischen von Georg Füllner. Halle 1851: Knapp, S. 84-85
Als literarischer Urtyp des Waldläufers gilt die Figur des Nathaniel »Natty« Bumpoo
von James Fenimore Cooper
(1789 bis 1851), die dieser in fünf Romanen (»Leatherstocking Tales«) ausmalte: The Pioneers 1823, The Last of the Mohicans 1826, The Prairie 1827, The Pathfinder 1840, The Deerslayer 1841. Natty führte darin die Beinamen Lederstrumpf, Falkenauge, Lange Büchse (La Longue Carabine), Pfadfinder, Wildtöter. Die literarische Figur trägt Züge verschiedener historisch bezeugter Waldläufer, so etwa von Johann Adam Hartmann
(1748 bis 1836) aus Edenkoben in der Pfalz 24), Robert Rogers
(1731 bis 1795), Daniel Boone
(1734 bis 1820) 25), David Shipman
(1730 – 1813) 26), Thomas Leffingwell
(1624 - 1714) 27). Ferrys und Coopers Beschreibungen zeichnen den Waldläufer als jemanden, der die Kulturen zwar verbindet, jedoch nirgends richtig dazugehört. Im deutschen Sprachraum verbreitet Karl May
das Bild des Waldläufers und bezieht sich weniger auf Augenschein als auf das Genre der Kolportageromane 28) und Landschaftsschilderungen aus Petermanns Mitteilungen 29).
Christopher Houston »Kit« Carson
(1809–1868), David Stern »Davy« Crockett
(1786–1836), Grey Owl
(1888-1938).Fast überall, wo Europäer in die Wildnis vordrangen, sind drei Stufen erkennbar:
Kanada | coureur de bois | voyageurs | |
---|---|---|---|
»Wilder Westen« | Trapper | Trapper | Cowboy |
»Wilder Osten« | Kosaken | Promyšlenniki | |
Australien | Bushranger | Overlander | Squatter |
»Wilder Norden« | Vargr | Drengir | |
Europa | Wilderer, Wildschütz | Förster, Jäger |
Titel | Deutsch | Regie | Jahr | Darsteller |
---|---|---|---|---|
The Big Trail | Der große Treck | Raoul Walsh | USA 1930 | John Wayne |
Across the Wide Missouri | Colorado | William A. Wellman | USA 1951 | Clark Gable |
The Big Sky | Der weite Himmel | Howard Hawks | USA 1952 | Kirk Douglas |
Davy Crockett King of the Wild Frontier | Norman Foster | USA 1955 | Fess Parker | |
The Trap | Wie ein Schrei im Wind | Sidney Hayers | CA 1966 | Rita Tushingham Oliver Reed |
Man in the wilderness | Ein Mann in der Wildnis | Richard C. Sarafian | GB 1971 | Richard Harris John Huston |
Jeremiah Johnson | Sydney Pollack | USA 1972 | Robert Redford | |
The White Buffalo | Der weiße Büffel | Jack Lee Thompson | USA 1977 | Charles Bronson |
The Mountain Men | Duell am Wind River | Richard Lang | USA 1980 | Charlton Heston |
Death Hunt | Ein Mann wird zur Bestie | Peter Hunt | USA 1981 | Charles Bronson Lee Marvin |
Arctic Blue | Peter Masterson | USA 1993 | Rutger Hauer | |
The Edge | Auf Messers Schneide Rivalen am Abgrund | Lee Tamahori | USA 1997 | Anthony Hopkins Alec Baldwin |
Le Dernier Trappeur | Der letzte Trapper | Nicolas Vanier | F 2004 | Norman Winther |
The Revenant | Der Rückkehrer | Alejandro G. Iñárritu | USA 2015 | Leonardo DiCaprio |
Couzens, Andrew James
A Cultural History of the Bushranger Legend in Theatres and Cinemas 1828–2017
Anthem Press 2019
Couzens spricht von einer `Globalisierung der Bushranger-Legende´ und verbindet diese mit der Figur des Outlaw und dem Road Movie.
Alter, J. C., & Dodge, G. M. (ill.)
Berry, Don
Burger, Carl
DeVoto, Bernard
Fetter, Richard
Gowans, Fred
Hafen, Lefoy R.
Hanson, James Austin ; Kathryn J. Wilson
Hetmann, F.
Irving, Washington
Dietmar Kuegler
Laycock, George
Robinson, Sandra Chisholm
Russel, Carl P.
Sandoz, Mari
Sayre, Robert Woods
Schülting, Sabine
Stone, Irving
Utley, Robert
Victor, Frances Fuller
Walters, Keith
Chittenden, Hiram Martin
Fridley, Russell W.
Phillips, Paul Chrisler
Saum, Lewis O.
Wishart, David J.
Podruchny, Carolyn
Wilhelm Pape
Marianne Stauffer
John McKinnell
The context of Volundarkvita in: Saga Book XXIII, Viking Society London, S. 17Skrynnikov, R. G.
1992. Ermak: kniga dli︠a︡ uchashchikhsi︠a︡ starshikh klassov. Moskva: ProsveshchenieSemjonow, Jurij N.
C. 0. Molbech
Richard Hennig
Norbert Wagner
Serge Fournier
Gilles Havard
Jablonski, J. T.
(1739)Gilles Havard
Gail Douglas
Georg Hartwig
Scurla, Herbert
Kohl, J. G.
Hannes Theinhardt
Fedot Grigorʹevič Safronov
Kenneth N. Owens
T. Black
Alfred J. Rieber
Mary E. Wheeler
Basil Dmytryshyn
Eva-Maria Stolberg
László Vajda
Egon Georg Freiherr von Kapherr
Carl Suesser
Alfred H. Kuby
Meredith Mason Brown
A. Taylor
Russell L. Mahan
Koch, E.
Sebastian Lentz, Ferjan Ormeling
(Hrsg.)Ernst Otto Hopp
Valery Havard, Norris, P. W., Brackett, A. G., & Burr, R. T.
Julius Loewenberg
Francis Parkman
Claude Dupont