Ausbaustrategie
Das Fernreisemobil entsteht in einem Vorgang, in welchem jeder Schritt beeinflusst wird durch
Derselbe Sachverhalt kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und bewertet werden:
Handwerker beurteilen pragmatisch Aufwand und Nutzen des Projektes, stillschweigend fließen dabei deren eigene Ressourcen und Kriterien mit ein.
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Technik-Freaks sind verliebt in die Technik.
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Verkäufer wollen verkaufen und bedienen
Illusionen.
1. Die Ausgangslage
Die technische Basis
Das *Basisfahrzeug ist so wie es vom Hersteller entwickelt wurde, ein funktionierendes System mit optimal aufeinander abgestimmten Komponenten, den *Hauptbaugruppen und dem gewählten *Antriebssystem.
Das System ist innerhalb bestimmter Grenzen variabel (*Basisarchitektur); erkennbar sind diese Grenzen an den angebotenen Konfigurationsmöglichkeiten und im Nutzfahrzeugsegment an den *Aufbaurichtlinien des Herstellers.
Jede Änderung einer Komponente der Hauptbaugruppen hat direkte und indirekte Folgen für andere Komponenten auch über den unmittelbar beabsichtigten Zweck hinaus.
Beispielsweise zieht eine Änderung der Reifengröße einiges nach sich: das Fahrzeug wird schneller (auf der Autobahn) und langsamer an Anstiegen; die Bremsanlage muss der höheren Geschwigkeit angepasst werden; Traglastindex und Geschwindigkeitsindex der Reifen ändern sich; der Tachometer muss umgestellt werden; evtl. muss die Motorleistung angepassst werden; im Radkasten sind Änderungen denkbar; der gesamte Abtriebsstrang muss dazu passen usw.
Technische Kriterien
Aus Herstellersicht gelten *Aufbaurichtlinien als Rahmen möglicher Änderungen. Für die Umsetzung verweisen Hersteller auf:
Hinsichtlich Korrosion, Statik und Wartung:
möglichst wenige Bohrungen und Durchführungen durch Fahrzeug- und Kofferwand
einfach zu warten und einfach zugänglich auch unter erschwerten Bedingungen:
Regen & Wind, Hitze & Frost, Staub & Sand, Menschentrauben
Hinsichtlich Sicherheit:
einfach zugänglich im Bedarfsfall, jedoch geschützt vor fremder Manipulation
den Blicken entzogen und vor Diebstahl geschützt
im Gelände geschützt gegen Stöße, Schwingungen, Äste, Staub,
Steinschlag
Anbauten nicht als Aufstiegshilfe für Unbefugte nutzbar
Als absolutes NoGo gelten Änderungen an
Lenkung
Bremsanlage
Geräuschkapselung
Abgaseinrichtungen
Anforderungen und communis opinio
Handwerker, Techniker, Ingenieure bevorzugen meist Lösungen, die zuverlässig sind, robust und einfach, minimalistisch und leicht zu verstehen. Diese Einstellung führt zu Leitsätzen wie
2. Die Planung
Ausbauphilosophie
Immer wieder neue Diskussionen und Zweifel lassen sich reduzieren, wenn eine Ausbauphilosophie zugrunde gelegt wird, etwa:
Möglichst viele Aggregate im
Wohnkoffer verbauen
oder Möglichst viele Aggregate am Basisfahrzeug verbauen
Statik des Innenausbaus: Plattenbau
oder Ständergerüst? Holz oder Metall?
Optik des Innenausbaus: Holz
oder Kunststoff, Alu, Edelstahl,
Flightcase …
robuste Technik oder designte Technik?
verstehbare Technik oder Black Box-Technik?
nice to have oder keep it real?
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Technisch Aufrüsten: mehr, länger, breiter, höher, schwerer siehe
Anschaffungen
oder Technisch Abrüsten: Geht auch weniger, einfacher, sparsamer?
Diese Gegensatzpaare sollen provokativ wirken und können nie so extrem eingenommen werden, wie sie klingen. Sie können jedoch dem unerfahrenen Fernmobilreisenden helfen, verbreitete Moden, Meinungen und Einstellungen zu hinterfragen: Gibt es nicht auch Alternativen?
Nutzung & technische Umsetzung
Man kann leicht in den vielen Details die Übersicht verlieren. Dann kann es helfen, konzeptionelle Übersichten zu entwerfen. Diese ermöglichen begründete Entscheidungen, insbesondere:
ein energetisches Konzept:
Nutzenergiebedarf für Heizen, Kochen, Lüften, Pumpen, E-Geräte
Primärenergiequellen: Lichtmaschine, Solar, Gas, Diesel usw.
ein Raumklimakonzept:
Dämmen, Heizen, Kühlen, Entfeuchten, Belüften
Wärmequellen, Wärmebrücken, Feuchtequellen
ein Lastenkonzept:
zulässige Gesamtmasse, Achslast, Mindest-Zuladung, Mitführpflicht, Lastverteilung, -sicherung u.a.
ein Infrastrukturkonzept:
Wo sitzen Türen, Fenstern, Leitern, Aufstiegshilfen? Gibt es einen Durchgang zum Fahrerhaus?
Positionen der Versorgungsaggregate und Verbraucher, Tanks und Batterien?
Wo laufen die Rohre und Leitungen?
ein Raum- und Flächenkonzept: Stimmt das Verhältnis von Stauraum, Verkehrsfläche und Luftvolumen? Wie bestimmen Sichtachsen, Ausblicke, Lichteinfall das Raumgefühl? Sind die Bereiche für Schlafen, Sitzen, Kochen, Waschen angemessen und ergonomisch sinnvoll? Gibt es Intimzonen und Rückzugsflächen? Klimazone, Wetter, persönliche Gewohnheiten führen zu unterschiedlichen Gewichtungen.
Alle Konzepte bedingen sich untereinander und führen zu Schnittstellen mit den * Hauptbaugruppen.
3. Die Ausführung
Organisatorische Umsetzung
Die Ausbauabschnitte lassen sich beispielsweise gliedern wie folgt:
Sonderbauten am Basisfahrzeug
Auspuffanlage, Seitenanfahrschutz, Staukästen, Zusatztank, Zusatzbatterie *
Zwischenrahmen
statisch geeignet für Fahrgestell und Aufbau
Aufbau
Alukabinen aus beplankten Käfigen oder Shelterausbau
Türen / Klappen
Wärmedämmung
Tunnel/Durchgang zum Fahrerhaus
Technischer Ausbau
Strom, Wasser/Abwasser, Heizung, Bordüberwachung, Solar- /Ladekonzept, Energieversorgung
Sonderbauten aus Alu, Stahl, Edelstahl
Dachträger, Heckträger, Stoßstange
Sachgebiete
Der Auf- und Ausbau eines Fernreisemobils kann komplexer sein als ein Hausbau, denn es werden die gleichen Funktionen benötigt, jedoch auf kleinerem Raum und für erhöhte Anforderungen; also wird Fachwissen benötigt für:
Elektroinstallation
Gasinstallation
Holzarbeiten
Informationstechnik
Kfz-Technik
Kunststoffverarbeitung
Metallbauarbeiten
Nutzfahrzeugtechnik
Raumgestaltung
Statik
Technische Zeichnungen
Unterhaltungselektronik
Wasserinstallation
4. Wissen & Wirtschaften
Basteln, Bauen oder Beauftragen?
Für jedes Gewerk und jeden Bauabschnitt oder ganz grundsätzlich ist also zu prüfen:
Nach dem Motto »Ergebnisse zählen« lassen sich Aufträge erteilen, »lacoste es, was es wolle«. Sofern die Geldressourcen jedoch beschränkt sind, empfiehlt sich eine nüchterne *Beschaffungsplanung.
Will man sich nicht ganz ausliefern, muss man wissen, was man tut, also ist *Technisches Wissen und Handeln empfehlenswert; Einstiegsmöglichkeiten bietet die *Fachliteratur.
Siehe auch