„Wohin reitet der Herr?“ „Ich weiß es nicht,“ sagte ich, „nur weg von hier. Immerfort weg von hier, nur so kann ich mein Ziel erreichen.“ „Du kennst also das Ziel,“ fragte er. „Ja,“ antwortete ich, „ich sagte es doch. Weg von hier - das ist mein Ziel.“ Franz Kafka (1883 - 1924)
Jede Reise beginnt mit einem Aufbruch 1), gefolgt vom abfahren. In jedem Aufbruch keimt die Saat eines unbekannten Abenteuers. Wer die Tür hinter sich schließt, hat sich dazu entschieden, das weiß schon ein Sprichwort: »Wer über die Türschwelle ist, hat die halbe Reise getan.« 2): der Übergang durch den ersten Zwischenraum ist vollzogen (→ Raumvorstellungen). Das sehr alte deutsche Wort 'weghaft' bezeichnet im Gegensatz zu 'sesshaft' den reisefertigen Zustand vor dem Aufbruch.
Das Herzklopfen beim Aufbruch verweist auf die Ambivalenz dieses Augenblicks: die Furcht vor dem Unbekannten einerseits, Neugier und Sehnsucht andererseits. Diesem Augenblick wohnt ein Reiz inne, der die Phantasie entfesselt. Die Phantasie ist bereits unterwegs, bevor die Reise physisch beginnt. Die imaginäre Reise in eine Welt jenseits des Bekannten, in das Vorstellbare und Unvorstellbare, weckt Lust, aber auch Angst. Die Phantasie gebiert Träume, aber auch Albträume. So gab es bereits in der griechisch-römischen Antike eine literarische Form zum Aufbruch, das Propemptikon.
Der Reisende weiß, daß es für ihn unterwegs einen anderen Alltag geben wird, er bricht beim Aufbruch mit Routinen und Gewohnheiten. Einmal unterwegs, werden wir zum Fremden und sind als solcher arm an Bindungen, immerhin reich an Möglichkeiten und jeder neue Aufbruch entledigt uns von neuen Bindungen und erweitert den freien Raum. Die Flüchtigkeit dieses Zustandes wird beschrieben als Transit, Passage, 'nur auf der Durchreise sein', Übergang, unterwegs-sein im Zwischenraum,
→ Konzepte des Unterwegs-Seins
→ Soziotechnisches Handlungssystem des Unterwegs-Seins.
Weitaus die meisten scheuen daher den Aufbruch (siehe balconing) und von denen, die gehen, kehren manche nie zurück und viele sind nicht mehr die, als die sie losgezogen sind.
Der Aufbruch ist Teil eines immer wiederkehrenden Topos des Reisens: Lösen der Bindungen, Aufbruch ins Unbekannte, Konfrontation mit Angst, Sieg über die Angst, Rückkehr, Weitergabe des Wissens. Der Pilger nutzt diesen Weg zur inneren Einsicht; der Abenteurer, um sich mit der Außenwelt zu messen. Beide Wege erweitern unser Verständnis von »Welt«, sei es die spirituelle oder die geographische. In jedem Fall weg-führend ist jedoch der Moment des Aufbruchs, denn »Wer nie geht – kehrt nie heim« (Heinz Rox-Schulz
).
Clausen, Jens
Webster, William T.
Wilhelm Raabe
Farrelly, Daniel J.
Makowiecka, Maria Hanna
Rothwell, William
Takahashi, Miho
Richard Horn
Moritz von Schwind
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