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wiki:zugtier

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Zugtiere

Dem in der Wildnis streifenden Menschen begegnen Wildtiere, die scheu sind und Distanz halten. Hunde dagegen haben die Nähe des Menschen gesucht und sind die vermutlich erste domestizierte Tierart gefolgt von den Ziegen. Das älteste vom Menschen genutzte Zugtier war der Hund. Dieser zog keinen Wagen, sondern dessen Vorform, den Schlitten. Das setzte mancherlei voraus:

  • die Domestikation des Hundes - sie war bereits in der Jungsteinzeit abgeschlossen
  • die technische Fertigkeit, Schlitten zu bauen - also Holz- und Lederbearbeitung
  • die Möglichkeit, Schlitten zu nutzen - also Schnee und Eis, zugefrorene Flüsse
  • die Notwendigkeit mobil zu sein - also als Jäger, Sammler und Nomade vor der Zeit des Ackerbaus
  • das Bedürfnis, Lasten zu transportieren - also Jagdbeute und Gepäck ebenso wie Besitztümer
  • das Bedürfnis nach Bequemlichkeit - also den Menschen als Gepäckträger zu »entlasten«

Diese Entwicklung vollzog sich also dort, wo es Schnee und Eis gab, also im nördlichen Mitteleuropa und dort ziehen Polarhunde bis heute Schlitten. Zughunde finden sich bis in die Neuzeit, sie zogen Schäferkarren ebenso wie Förderkarren im Bergbau (Treckhund).

»Nehmen Sie uns das Rad - und wenig wird übrig bleiben. Es verschwindet alles.
Vom Spinnrad bis zur Spinnfabrik, von der Drehbank bis zum Walzwerk, 
vom Schiebkarren bis zum Eisenbahnzuge, alles ist weg.«
Ernst Mach (Physiker) 1883
in: Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt

Ein Schlitten mit *Fahrwerk bildete den ersten *Wagen. Das setzt eine kopmpliziertere Technik voraus und Landschaftsformenen, die Wagenfahrten erleichtern, etwa Heide und Steppe - keine Wälder, Berge oder Moore. Etwa zeitgleich erscheinen Wagen daher im nordwestlichen Europa, im Karpatenbecken sowie zwischen Levante und Mesopotamien; ideengeschichtlich nach der Erfindung der sich drehenden Töpferscheibe. Die ältesten *Räderspuren fand man in einem Grab in Flintbek, Schleswig-Holstein. Tonmodelle von Wagen finden sich um 3.500 vor Christus im nordwestlichen Europa und zeigen zweirädrige Wagen. Die ältesten (Hirten-)götter der indoeuropäischen Völker werden mit vierrädrigen Ziegenwagen gezeigt: Hermes, Merkur, Pan u.a.

  • Die wilde Bezoarziege wurde im 9. Jahrtausend v. Chr. erstmals im nördlichen Iran domestiziert, in Mitteleuropa seit etwa 6.000 vor Christus.
  • In den Steppen zwischen Karpaten und Kaukasus sowie zwischen Levante und Mesopotamien - diente das Rind als Zugtier; die Rinderhaltung ist in Argissa-Magula in Thessalien erstmals belegt.
  • Das Pferd erscheint als Zugtier erst nach Erfindung des leichten zweirädrigen Streitwagens, um 2300 vor Christus in der Levante. Solch leichte Wagen wurden erst möglich, nachdem leichtere Holz-Metall-Räder mit Speichen die schweren Holzscheibenräder ablösten.

Rätselhaft erscheint, weshalb sich keine vergleichbare Entwicklung in der übrigen Welt finden lässt: in beiden Amerikas, in Australien, im Afrika südlich der Sahara und in Ostasien. Die üblichen Erklärungsansätze klären jedoch nicht die Widersprüche: Der Schlitten und der Schlittenhund als Zugtier waren im Nordpolargebiet, also auf drei Kontinenten bekannt. Das sich drehende Rad ist ideengeschichtlich zuerst bei der Töpferscheibe genutzt worden, also In Südamerika war das Rad bekannt. Dass der Hund das größte domestizierte Tier war, hätte die Zuglast begrenzt. Dennoch wurden keine Wagen für Transportzwecke gebaut. Bestehende »Tragekulturen« boten keinen Raum für technische Innovationen. In Nordamerika Andere vom Menschen domestizierte Tiere wie das Kamel eigneten sich nicht als Zugtier und wurden als *Lasttier eingesetzt.


Literatur

Norbert Benecke
Studies on Early Dog Remains from Northern Europe
Journ. of Archaeol. Science 4, 31-49, London 1987

Norbert Benecke
Archäozoologische Studien zur Entwicklung der Haustierhaltung in Mitteleuropa und Südskandinavien von den Anfängen bis zum ausgehenden Mittelalter
Walter de Gruyter, 451 Seiten

Boessneck, J.
Die Domestikation und ihre Folgen.
Zur frühen Mensch-Tier-Symbiose

Kolloquien zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäologie 4, 5-23, München 1983

Anton Heimes
Vom Saumpferd zur Transportindustrie.
Weg und Bedeutung des Straßengüterverkehrs in der Geschichte

Kirschbaum Verlag Boad Godesberg 1978, 320 S.

Peter Goebel
Zucker für den Esel.
Geschichte der Güterbeförderung vom Neandertal bis Hellas

Deutscher Verkehrs-Verlag Hamburg 1971

Tünde Horváth
Die Anfänge des kontinentalen Transportwesens und seine Auswirkungen auf die Bolerázer und Badener Kulturen
Archaeopress Gordon House 276 Banbury Road Oxford OX2 7ED www.archaeopress.com, Archaeopress Open Access 2015, ISBN 978 1 78491 083 9 (e-Pdf)

Susanne Preuß
Der Zughund - einst und jetzt
Kynos-Verlag, Mürlenbach 2002, ISBN 3933228425

wiki/zugtier.1594701709.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/07/14 04:41 von norbert

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