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Kurzbiographien dieser Walzbrüder finden sich im letzten Kapitel. Schroeder und Heinrichs sind leidenschaftlich Reisende, während Winnig und Pfarre mit dem Reisen experimentieren und auf Distanz bleiben. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Erfahrungen zu bewerten. Allen diesen Reisenden ist eines gemeinsam: sie haben ein Buch geschrieben. Und jeder von ihnen hat eine ästhetisch-literarische Ader. Sie haben einen Hang zum Künstler und leben ihn mehr oder weniger aus: Pfarre ist ebenso wie Hasemann Bildhauer, möchte Dichter sein; Winnig ist Maurer und schriftstellert in seiner zweiten Lebenshälfte, | Kurzbiographien dieser Walzbrüder finden sich im letzten Kapitel. Schroeder und Heinrichs sind leidenschaftlich Reisende, während Winnig und Pfarre mit dem Reisen experimentieren und auf Distanz bleiben. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Erfahrungen zu bewerten. Allen diesen Reisenden ist eines gemeinsam: sie haben ein Buch geschrieben. Und jeder von ihnen hat eine ästhetisch-literarische Ader. Sie haben einen Hang zum Künstler und leben ihn mehr oder weniger aus: Pfarre ist ebenso wie Hasemann Bildhauer, möchte Dichter sein; Winnig ist Maurer und schriftstellert in seiner zweiten Lebenshälfte, | ||
Häufig verwendete rotwelsche Ausdrücke aus der Kunden- oder Gaunersprache werden in den Fußnoten erläutert. | Häufig verwendete rotwelsche Ausdrücke aus der Kunden- oder Gaunersprache werden in den Fußnoten erläutert. | ||
+ | In der Fremde will ich lernen | ||
+ | Biografien bayrischer Handwerker aus den letzten beiden Jahrhunderten | ||
+ | Haus der Bayrischen Geschichte, Text: Falk Ohorn | ||
+ | ISBN 3-937974-13-x | ||
+ | Der Historiker Ohorn recherchierte die Reisegeschichte von acht Handwerkern: | ||
+ | Ludwig Köck (»Abu El Kismet«), Seraphin Hoegner, Thomas Wimmer aus Siglfing, | ||
+ | Martin Irl aus Erding, Georg David Bilgram aus Memmingen und anderen. | ||
===== 2 Meister, gebt mir die Papiere ===== | ===== 2 Meister, gebt mir die Papiere ===== | ||
Was bewog junge Burschen nach der Lehre dazu, Monate und Jahre auf die Walz zu gehen, die Sicherheit von Heimat, Beruf, Elternhaus aufzugeben zugunsten Hunger und Not, einer ungewissen Zukunft, ausgeliefert dem Wetter und der Willkür fremder Menschen? Die Antwort ist vielschichtig: | Was bewog junge Burschen nach der Lehre dazu, Monate und Jahre auf die Walz zu gehen, die Sicherheit von Heimat, Beruf, Elternhaus aufzugeben zugunsten Hunger und Not, einer ungewissen Zukunft, ausgeliefert dem Wetter und der Willkür fremder Menschen? Die Antwort ist vielschichtig: | ||
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==== Felleisen und Berliner | ==== Felleisen und Berliner | ||
- | Unsere Handwerksburschen sind alle Neulinge auf dem Reisesektor, | + | Unsere Handwerksburschen sind alle Neulinge auf dem Reisesektor, |
Winnig gräbt auf dem Speicher den Ranzen seines Großvaters und dessen [[wiki: | Winnig gräbt auf dem Speicher den Ranzen seines Großvaters und dessen [[wiki: | ||
- | Wie auch heute, ist die Ausrüstung ein Erkennungszeichen und ein Maßstab für den Grad der [[wiki: | + | Wie auch heute, ist die [[wiki: |
Alfred Pfarre zieht los mit einer nagelneuen Ausrüstung: | Alfred Pfarre zieht los mit einer nagelneuen Ausrüstung: | ||
Winnig trägt sein Handwerkszeug mit sich: Kelle, Hammer, Lotwaage. Dies dient als Kennzeichen der Wanderschaft, | Winnig trägt sein Handwerkszeug mit sich: Kelle, Hammer, Lotwaage. Dies dient als Kennzeichen der Wanderschaft, | ||
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==== Die Penunse ==== | ==== Die Penunse ==== | ||
Natürlich spielt das Geld, die Penunse ((das Wort kommt vermutlich aus dem Sorbischen pjenjezy oder dem polnischen penadz, wurde später auch zu Peseten verballhornt)) eine große Rolle. Keiner von den Gesellen zieht ohne Geld los, doch bei allen ist früher oder später der Geldbeutel leer. Dann gab es sehr verschiedene Strategien, sich Geld zu verschaffen. Am einfachsten machte es sich Alfred Pfarre: er fand keine Arbeit, mochte nicht betteln, also ließ er sich Geld von den Eltern schicken (in 8 Monaten 300 Mark), das allerdings nicht reichte. //„Über zwei Wochen ohne Geld, zwei Wochen Kampf um Brot und Bett, zwei lange, lange Wochen. Am zweiten Tag begann die Sorge, am dritten schon die Not.“// ((Pfarre, S. 176)) Und bald darauf:// „Nun kamen zwei Wochen ohne Geld. Von trockenen Brotknüsten allein konnte ich nicht leben, ich brauchte Geld zum Schlafen, jeden Tag acht Soldi ((Eine Lira ist einen Franc oder 80 Pfennige wert. Die Lira hat 100 Centesimi, fünf Centesimi sind ein Soldo. s. „Land u. Leute in Italien“)). Und auch an den Tagen wo der Brotknust fehlte, Geld zum Schlafen hatte ich auch da erhalten, wenn nicht um acht Uhr, dann um Mitternacht.“// | Natürlich spielt das Geld, die Penunse ((das Wort kommt vermutlich aus dem Sorbischen pjenjezy oder dem polnischen penadz, wurde später auch zu Peseten verballhornt)) eine große Rolle. Keiner von den Gesellen zieht ohne Geld los, doch bei allen ist früher oder später der Geldbeutel leer. Dann gab es sehr verschiedene Strategien, sich Geld zu verschaffen. Am einfachsten machte es sich Alfred Pfarre: er fand keine Arbeit, mochte nicht betteln, also ließ er sich Geld von den Eltern schicken (in 8 Monaten 300 Mark), das allerdings nicht reichte. //„Über zwei Wochen ohne Geld, zwei Wochen Kampf um Brot und Bett, zwei lange, lange Wochen. Am zweiten Tag begann die Sorge, am dritten schon die Not.“// ((Pfarre, S. 176)) Und bald darauf:// „Nun kamen zwei Wochen ohne Geld. Von trockenen Brotknüsten allein konnte ich nicht leben, ich brauchte Geld zum Schlafen, jeden Tag acht Soldi ((Eine Lira ist einen Franc oder 80 Pfennige wert. Die Lira hat 100 Centesimi, fünf Centesimi sind ein Soldo. s. „Land u. Leute in Italien“)). Und auch an den Tagen wo der Brotknust fehlte, Geld zum Schlafen hatte ich auch da erhalten, wenn nicht um acht Uhr, dann um Mitternacht.“// | ||
- | Dann gab es kleine Hilfen von Kunden, beim Deutschen Hilfsverein (manchmal), bei Pfarrern, im Konsulat oder der Botschaft (selten). Kuckuck ((Mit `Kuckuck´, dem Adler im Wappen, ist der (deutsche) Konsul gemeint)) und Kunde ist ein ergiebiges und für den Kunden unerfreuliches Thema, meint Pfarre. Nur selten hilft ihm das Konsulat. // | + | Dann gab es kleine Hilfen von Kunden, beim Deutschen Hilfsverein (manchmal), bei Pfarrern, im Konsulat oder der Botschaft (selten). Kuckuck ((Mit `Kuckuck´, dem Adler im Wappen, ist der (deutsche) Konsul gemeint)) und Kunde ist ein ergiebiges und für den Kunden unerfreuliches Thema, meint Pfarre. Nur selten hilft ihm das Konsulat. // |
Winnig arbeitet in den neunziger Jahren und erhält einmal einen Wochenlohn von 11 Mark, was ihm wenig erscheint, er staunt aber über einen Wochenlohn von 60 Mark, das sei das gleiche, was sein Vater im Monat verdiene. Umgerechnet bedeutet das einen Stundenverdienst von 22 bis 45 Pfennige bei einer 48-Stunden-Woche. ((Winnig, S. 22)) Ein Kunde erzählt ihm, wie er sich drei Monate in Genua über Wasser gehalten hat: //„Du darfst nicht warten, bis dir einer Arbeit gibt, du mußt einfach zufassen, wo du etwas siehst; wenn sie dich nicht wegjagen, bezahlen sie dich auch; das ist so Sitte.“// ((Winnig, S. 137)) Winnig verdient immer genug, um davon leben zu können, er kalkuliert eine Mark täglich für Unterkunft und Essen: Abendessen, Nachtlager und Morgenkaffee für siebzig Pfennig, Brot und Zukost, Obst und Wurst für täglich zwanzig Pfennige, ein viertel Liter Bier kostet sechs, ein Branntwein drei Pfennige. ((Winnig, S. 169)) Einmal gerät er in Bedrängnis: | Winnig arbeitet in den neunziger Jahren und erhält einmal einen Wochenlohn von 11 Mark, was ihm wenig erscheint, er staunt aber über einen Wochenlohn von 60 Mark, das sei das gleiche, was sein Vater im Monat verdiene. Umgerechnet bedeutet das einen Stundenverdienst von 22 bis 45 Pfennige bei einer 48-Stunden-Woche. ((Winnig, S. 22)) Ein Kunde erzählt ihm, wie er sich drei Monate in Genua über Wasser gehalten hat: //„Du darfst nicht warten, bis dir einer Arbeit gibt, du mußt einfach zufassen, wo du etwas siehst; wenn sie dich nicht wegjagen, bezahlen sie dich auch; das ist so Sitte.“// ((Winnig, S. 137)) Winnig verdient immer genug, um davon leben zu können, er kalkuliert eine Mark täglich für Unterkunft und Essen: Abendessen, Nachtlager und Morgenkaffee für siebzig Pfennig, Brot und Zukost, Obst und Wurst für täglich zwanzig Pfennige, ein viertel Liter Bier kostet sechs, ein Branntwein drei Pfennige. ((Winnig, S. 169)) Einmal gerät er in Bedrängnis: | ||
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==== Hanf mit Unvernunft oder Lechum und Beza==== | ==== Hanf mit Unvernunft oder Lechum und Beza==== | ||
- | Geld ist nur Mittel zum Zweck, und der heißt meist „essen“. Durch Flammer lernt Heinrichs erste Techniken des Sich-Ernährens kennen: //„...ich hatte in Flammer ((Rotwelsch für Schmied)) einen hervorragenden Fechtmeister gefunden. Doch nicht gefochten wurde mit Säbel oder Rapier, an irgendeinem verborgenen Ort, sondern unser Schlachtfeld war die Tür eines guten Landbewohners und unsere Waffen der Hut in der Hand, die ärmlichste, | + | Geld ist nur Mittel zum Zweck, und der heißt meist „essen“, denn [[wiki: |
Schroeder berichtet ähnliches: Er erhält in einem Dorf von einem Metzger eine Suppe vorgesetzt, nachdem er an dessen Türe betttelte:// | Schroeder berichtet ähnliches: Er erhält in einem Dorf von einem Metzger eine Suppe vorgesetzt, nachdem er an dessen Türe betttelte:// | ||
==== Die Kundenpennen ==== | ==== Die Kundenpennen ==== | ||
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==== In Trittlingen unterwegs ==== | ==== In Trittlingen unterwegs ==== | ||
- | Die Fußreise war ein Privileg der Unterschichten, | + | Die Fußreise war ein Privileg der Unterschichten, |
Ein alter Kunde erklärt Winnig in einer Bremerhavener Herberge, wie man nach Jerusalem gelangt: //„In Genua mußt du zum Hafen gehen und ausmachen, ob ein Schiff nach Alexandria fährt. ... Dann gehst du abends spät die Hafentreppe hinunter, springst leise ins Wasser und schwimmst nach dem Schiff. Du mußt dir das Schiff aber vorher angesehen haben und wissen, wo das Fallreep ist, denn am Fallreep mußt du in die Höhe klettern. Und oben mußt du dich verstecken. Dann mußt du warten, bis das Schiff auf hoher See ist. Das kann lange dauern, aber du mußt es aushalten, du darfst dich nicht eher blicken lassen. Wenn sie dich sehen, solange noch Land in der Nähe ist, geben sie ein Signal, und dann kommt ein Polizeiboot und holt dich weg. Wenn du aber aushältst, kommst du ohne Geld hinüber; sie geben dir ein paar Maulschellen, | Ein alter Kunde erklärt Winnig in einer Bremerhavener Herberge, wie man nach Jerusalem gelangt: //„In Genua mußt du zum Hafen gehen und ausmachen, ob ein Schiff nach Alexandria fährt. ... Dann gehst du abends spät die Hafentreppe hinunter, springst leise ins Wasser und schwimmst nach dem Schiff. Du mußt dir das Schiff aber vorher angesehen haben und wissen, wo das Fallreep ist, denn am Fallreep mußt du in die Höhe klettern. Und oben mußt du dich verstecken. Dann mußt du warten, bis das Schiff auf hoher See ist. Das kann lange dauern, aber du mußt es aushalten, du darfst dich nicht eher blicken lassen. Wenn sie dich sehen, solange noch Land in der Nähe ist, geben sie ein Signal, und dann kommt ein Polizeiboot und holt dich weg. Wenn du aber aushältst, kommst du ohne Geld hinüber; sie geben dir ein paar Maulschellen, | ||
Drei Monate hatte jener Kunde auf ein passendes Schiff gewartet. Hasemann geht direkter vor: //„Eine Stunde vor Abfahrt an Bord, hatte mir mal ein Kunde gesagt, dann in den Kohlenkasten oder Segelkajüte, | Drei Monate hatte jener Kunde auf ein passendes Schiff gewartet. Hasemann geht direkter vor: //„Eine Stunde vor Abfahrt an Bord, hatte mir mal ein Kunde gesagt, dann in den Kohlenkasten oder Segelkajüte, | ||
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Gern zogen die Handwerksburschen im 19. Jahrhundert nach Frankreich, Italien, Österreich. Es gab dort weniger Grenzen als in den Fürstentümern Deutschlands.// | Gern zogen die Handwerksburschen im 19. Jahrhundert nach Frankreich, Italien, Österreich. Es gab dort weniger Grenzen als in den Fürstentümern Deutschlands.// | ||
Ab 1839 reisten die Gesellen auch vermehrt in den nahen Osten. ((Der türkische Sultan Mahmud II. und sein Nachfolger öffneten ab 1839 die Grenzen vermehrt dem Westen.)) Dabei stand sicher nicht die handwerkliche Fortbildung in Palästina im Vordergrund, | Ab 1839 reisten die Gesellen auch vermehrt in den nahen Osten. ((Der türkische Sultan Mahmud II. und sein Nachfolger öffneten ab 1839 die Grenzen vermehrt dem Westen.)) Dabei stand sicher nicht die handwerkliche Fortbildung in Palästina im Vordergrund, | ||
- | Die Mehrzahl der Wanderer jedoch blieb in Deutschland, | + | Die Mehrzahl der Wanderer jedoch blieb in Deutschland, |
Da das fahrende Volk auch weit hinter den Grenzen oft kontrolliert wurde, fiel man früher oder später auf, wenn man ohne Paß im Ausland war. Heinrichs schildert einen solchen Fall: //„Kaum eine Stunde waren wir von Deutschlands Grenzen entfernt. ... Plötzlich standen ... zwei dieser gefürchteten Beamten vor uns. Wieder hieß es kurz: `Papier vorzeigen.´ Wiederum konnte ich ungefährdet weiterziehen, | Da das fahrende Volk auch weit hinter den Grenzen oft kontrolliert wurde, fiel man früher oder später auf, wenn man ohne Paß im Ausland war. Heinrichs schildert einen solchen Fall: //„Kaum eine Stunde waren wir von Deutschlands Grenzen entfernt. ... Plötzlich standen ... zwei dieser gefürchteten Beamten vor uns. Wieder hieß es kurz: `Papier vorzeigen.´ Wiederum konnte ich ungefährdet weiterziehen, | ||
Schroeder trifft häufig Kunden, an bestimmten Orten tummeln sie sich, beispielsweise in Lindau. Ihre Reiseziele sind Hamburg, Pommern, Wien. Weit- und Fernreisende waren damals die Ausnahme, doch es gab sie. Er trifft zwei, die durch den Balkan in die Türkei wollen: //„Diese Tour hatten sie mir so verlockend geschildert, | Schroeder trifft häufig Kunden, an bestimmten Orten tummeln sie sich, beispielsweise in Lindau. Ihre Reiseziele sind Hamburg, Pommern, Wien. Weit- und Fernreisende waren damals die Ausnahme, doch es gab sie. Er trifft zwei, die durch den Balkan in die Türkei wollen: //„Diese Tour hatten sie mir so verlockend geschildert, | ||
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===== 3 Die Walz als Gratwanderung ===== | ===== 3 Die Walz als Gratwanderung ===== | ||
==== Vom Gesellen zum Vagabunden ==== | ==== Vom Gesellen zum Vagabunden ==== | ||
- | Pfarre geht mit Hamburger Wandervogel-Freunden auf eine vierwöchige Ferienfahrt durch die Rhön und den Thüringer Wald, dann sagt er sich: „Ihr habt eine Ferienfahrt gemacht als sorglose Wandervögel, | + | Pfarre geht mit Hamburger Wandervogel-Freunden auf eine vierwöchige Ferienfahrt durch die Rhön und den Thüringer Wald, dann sagt er sich: „Ihr habt eine Ferienfahrt gemacht als sorglose Wandervögel, |
Aufenthaltsstempel in Herbergen, Asylen, Arbeitsnachweise oder der Stempel: // | Aufenthaltsstempel in Herbergen, Asylen, Arbeitsnachweise oder der Stempel: // | ||
Winnig schafft es tatsächlich, | Winnig schafft es tatsächlich, | ||
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Da gibt es für die überwiegend männlichen Kunden nur wenig Möglichkeiten, | Da gibt es für die überwiegend männlichen Kunden nur wenig Möglichkeiten, | ||
Ein anderer Vagabund weiß einiges zum Thema Frau: //„Aber etwas anderes läuft [den Kunden] lange nach. Hängt lange an ihnen und reibt sie auf. Gräbt tiefe Falten in ihre Gesichter, drückt ihnen den Kopf nach vorn und beugt ihnen den Rücken. das ist das Weib. ... es war allen eine Not. ... Sie verleugneten es. Einige hielten es nicht aus. Sie vergewaltigten, | Ein anderer Vagabund weiß einiges zum Thema Frau: //„Aber etwas anderes läuft [den Kunden] lange nach. Hängt lange an ihnen und reibt sie auf. Gräbt tiefe Falten in ihre Gesichter, drückt ihnen den Kopf nach vorn und beugt ihnen den Rücken. das ist das Weib. ... es war allen eine Not. ... Sie verleugneten es. Einige hielten es nicht aus. Sie vergewaltigten, | ||
- | Der Begriff „schwul“ ist in der Kundensprache seit 1847 schriftlich nachgewiesen und Pfarre berichtet von Kunden, die auf der „schwulen Schiebung“ sind, sich als Strichjunge ihr Geld verdienen. Als einziger der Walzbrüder berichtet er von häufigen Begegnungen mit Homosexualität: | + | Der [[wiki: |
===== 5 Die Hierarchie der Landstraße ===== | ===== 5 Die Hierarchie der Landstraße ===== | ||
==== Wandergeselle ==== | ==== Wandergeselle ==== | ||
Als Pfarre nach Fürth geht, weiß er sich auf dem Weg ins Vagabundentum: | Als Pfarre nach Fürth geht, weiß er sich auf dem Weg ins Vagabundentum: | ||
- | Sind diese Quellen erschöpft, so führt der Weg nachts ins Asyl und tags zum Betteln. Nur wer bettelt, überlebt. Pfarre kann das nicht, selbst die edelste Form der Bettelei, das Anfechten seiner Meister, bei denen er um Arbeit nachfragt, versagt er sich. ((„Suchte ein `fremder Geselle´ in der Stadt Arbeit, so ließ er sich entweder `Arbeit schauen´ oder er `ging aufs Geschenk´ . ... Wollte der Meister keinen Gesellen aufdingen, so gab es ein Geschenk, meist in der Form eines Umtrunks und einer Wegzehrung.“ (Völger, S. 38f.) )) So ist er hier und da auf eine Mark aus der Gewerkschaftskasse, | + | Sind diese Quellen erschöpft, so führt der Weg nachts ins Asyl und tags zum Betteln. Nur wer bettelt, überlebt. Pfarre kann das nicht, selbst die edelste Form der Bettelei, das Anfechten seiner Meister, bei denen er um Arbeit nachfragt, versagt er sich. ((„Suchte ein `fremder Geselle´ in der Stadt Arbeit, so ließ er sich entweder `Arbeit schauen´ oder er `ging aufs Geschenk´ . ... Wollte der Meister keinen Gesellen aufdingen, so gab es ein Geschenk, meist in der Form eines Umtrunks und einer [[wiki:Wegzehrung|Wegzehrung]].“ (Völger, S. 38f.) )) So ist er hier und da auf eine Mark aus der Gewerkschaftskasse, |
==== Bettler und Fechtmeister ==== | ==== Bettler und Fechtmeister ==== | ||
Auch Schroeder fällt das Betteln schwer: // | Auch Schroeder fällt das Betteln schwer: // | ||
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==== Kunden und Vagabunden ==== | ==== Kunden und Vagabunden ==== | ||
Die Bezeichnung Kunden wird oft wahllos benutzt und meint alle Gruppen. Kunde heißt eigentlich Kundiger, im altniederrheinischen war der //cunde// ein Späher und Kundschafter. In jedem Fall weiß er mehr als andere, ist also ausgezeichnet gegenüber anderen. Das wird deutlich, wenn sich zwei Kunden auf der Straße begegneten. Der Frage // | Die Bezeichnung Kunden wird oft wahllos benutzt und meint alle Gruppen. Kunde heißt eigentlich Kundiger, im altniederrheinischen war der //cunde// ein Späher und Kundschafter. In jedem Fall weiß er mehr als andere, ist also ausgezeichnet gegenüber anderen. Das wird deutlich, wenn sich zwei Kunden auf der Straße begegneten. Der Frage // | ||
- | Obwohl Kunden und Vagabunden sehr lax mit Moral umgehen, konnte man ihnen nicht unbedingt kriminelle Absichten unterstellen. Wohl waren sie Outlaws, Outcasts, Gesetzlose, die um ihr Überleben kämpften. Das ging oft nur außerhalb der bürgerlichen Moral und Gesetze. Doch hatten sie ihre Sprache, eigene Gesetzmäßigkeiten und Regeln. [[wiki: | + | Obwohl Kunden und Vagabunden sehr lax mit Moral umgehen, konnte man ihnen nicht unbedingt kriminelle Absichten unterstellen. Wohl waren sie [[wiki: |
==== Schieben und Balance ==== | ==== Schieben und Balance ==== | ||
- | Vom Fechten über das Betteln führt der soziale Abstiegskampf zur sogenannten Schiebung ((Jedes heimliche und rasche Bewegen und damit auch fragwürdige Handelsgeschäfte, | + | Vom Fechten über das Betteln führt der soziale Abstiegskampf zur sogenannten Schiebung ((Jedes heimliche und rasche Bewegen und damit auch fragwürdige Handelsgeschäfte, |
==== Karrner ==== | ==== Karrner ==== | ||
Hasemann kennt dazu noch den Karrner: //„Aus irgendeiner gottverlassenen Gegend, in der tatsächlich nur ein Haus stand, ist er aufgebrochen, | Hasemann kennt dazu noch den Karrner: //„Aus irgendeiner gottverlassenen Gegend, in der tatsächlich nur ein Haus stand, ist er aufgebrochen, | ||
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- //Alle Achtung: Männer! 8 Werkmannsgeschichten// | - //Alle Achtung: Männer! 8 Werkmannsgeschichten// | ||
- | - //Die vom Sonnendeck. Frohe Fahrt-Erlebnisse// | + | - //Die vom Sonnendeck. Frohe [[wiki: |
- //Der lachende Hammer. Eulenspiegeleien, | - //Der lachende Hammer. Eulenspiegeleien, | ||
- //Lachende Kameradschaft.// | - //Lachende Kameradschaft.// |
wiki/walz.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/17 04:56 von norbert