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wiki:wagenbau

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Wagen

Die ältesten Funde von Wagenteilen und Zeichnungen von Wagen sowie Tonmodelle von Wagen finden sich um 3.500 vor Christus im nordwestlichen Europa, so etwa Räderspuren in einem Grab in Flintbek, Schleswig-Holstein. Zweirädrige Wagen mit kleinen Rädern um 50 cm Durchmesser wurden in bergigen Gebieten verwendet, vierrädrige Wagen mit großen Räden bis 80 cm Durchmesser in Steppengebieten. Technische Vorläufer waren Schlitten, die auf ein Fahrwerk mit Rädern gestellt wurden. Der Hund ist das älteste Zugtier, das der Mensch nutzte, nämlich für den Schlitten. Die Domestikation des Hundes war bereits in der Jungsteinzeit vollzogen, lange bevor der Mensch seßhaft wurde und Ackerbau betrieb, und erfolgte in Mitteleuropa.

Innerhalb von rund 200 Jahren verbreitete sich der Wagenbau rasant, wobei mit jedem Verbreitungsschritt Änderungen und Verbesserungen zu beobachten sind. Auch in den beiden anderen Zentren der Nutzung - in den russischen Steppen zwischen Karpaten und Kaukasus sowie zwischen Levante und Mesopotamien - diente das Rind als Zugtier; die Rinderhaltung ist in Argissa-Magula in Thessalien erstmals belegt. Da sich viele Begriffe für Wagenbestandteile in fast allen indogermanischen Sprachen auf gleiche Wurzeln zurückführen lassen, datiert man das gemeinsame Urindogermanische auf denselben Zeitraum.

Der Wagenbau ist Teil der neolithischen Revolution: um 7.000 vor Christus begann der Ackerbau in Europa, gegen 3.000 war er überall in Europa verbreitet. Und er ist Teil der Steinzeit, denn die Bronzezeit begann in Europa erst um 2.200 vor Christus. Das Pferd kommt als Zugtier erst nach Erfindung des leichten zweirädrigen Streitwagens in Frage, und wurde um 2300 vor Christus in der Levante erstmals eingesetzt.

Die ältesten (Hirten-)götter der indoeuropäischen Völker nutzen jedoch Ziegenwagen, siehe *Christophorus: Hermes, Merkur, Pan u.a. Es dürfte also eine archäologisch bisher nicht nachgewiesene Phase mit leichten zweirädrigen Wagen gegeben haben, die von Ziegen gezogen wurden 1). In Mitteleuropa ist die Ziege seit etwa 6.000 vor Christus domestiziert. Der Übergang von der nomadischen zur Ackerbaukultur erfolgte in Europa zwischen 7.000 und 4.000 v. Chr.

Bis etwa um 1800 wurde ein System optimiert, bestehend aus Fuhrmann, Fuhrwerk, Naturstraße und Zugtier. Dann führten Bevölkerungswachstum, Industrialisierung, Agrarrevolution zur Überlastung der Verkehrswege; Schienenwege und Kanäle boten nur begrenzt Ersatz.

Der nachfolgende Systemwechsel erforderte grundlegende Innovationen: eiserne Achsen, andere Räder, bessere Bremsen, andere Lenksysteme, neue Antriebe, Schmierstoffe, anderer Straßenbau, Normierungen … Erstmals befasste man sich systematisch mit den dazu gehörigen Grundlagen 2) Die komplexen Vorgänge und Beziehungen beschreibt sehr ausführlich Edith Saurer 3); siehe auch die Zeitleiste in * Geländefahrzeuge.

Bauwagen, Jagdwagen, Zigeunerwagen, Zirkuswagen usw. werden auch heute noch nach historischen Vorbildern gebaut und erhalten auch eine Straßenzulassung.


Literatur

Norbert Benecke
Studies on Early Dog Remains from Northern Europe
Journ. of Archaeol. Science 4, 31-49, London 1987

Norbert Benecke
Archäozoologische Studien zur Entwicklung der Haustierhaltung in Mitteleuropa und Südskandinavien von den Anfängen bis zum ausgehenden Mittelalter
Walter de Gruyter, 451 Seiten

Boessneck, J.
Die Domestikation und ihre Folgen. Zur frühen Mensch-Tier-Symbiose
Kolloquien zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäologie 4, 5-23, München 1983Anton Heimes
Vom Saumpferd zur Transportindustrie. Weg und Bedeutung des Straßengüterverkehrs in der Geschichte
Kirschbaum Verlag Boad Godesberg 1978, 320 S.

Peter Goebel
Zucker für den Esel. Geschichte der Güterbeförderung vom Neandertal bis Hellas
Deutscher Verkehrs-Verlag Hamburg 1971

Tünde Horváth
Die Anfänge des kontinentalen Transportwesens und seine Auswirkungen auf die Bolerázer und Badener Kulturen.
Archaeopress Gordon House 276 Banbury Road Oxford OX2 7ED www.archaeopress.com, Archaeopress Open Access 2015, ISBN 978 1 78491 083 9 (e-Pdf)

Laszlo Tarr
Karren, Kutsche, Karosse. Eine Geschichte des Wagens
BLV München 1970, 349 S.


siehe auch:
Hauptbaugruppen
Karosserie
Schlupfkarren
Fachliteratur
Straße Wagendorf

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1)
Im nördlichen Iran findet sich die wilde Bezoarziege im 9. Jahrtausend v. Chr. erstmals domestiziert
2)
E. Kröncke
Versuch einer Theorie des Fuhrwerks mit Anwendung auf den Straßenbau
Gießen 1802
3)
Edith Saurer
Straße, Schmuggel, Lottospiel …
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1989
wiki/wagenbau.1591425583.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/06/06 06:39 von norbert

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