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wiki:staunen_fremdheit_neues_neugier

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 //»Erzähl’ doch mal, wie war’s unterwegs?«// Die große Mehrheit der Nicht-Globetrotter begnügt sich mit dem indirekten, gefilterten Erlebnis: dem Erzählten, der Diashow, dem Reisebericht, der Fernsehsendung. Die Furcht und das Staunen bewegen zwar alle Menschen dazu, sich mit der Welt zu beschäftigen, jedermann ist fasziniert und interessiert, aber …! Das durch Ekel, Angst oder Widerwille erzeugte Prickeln läßt sich mit wohligem Schauder ertragen, wenn das Andere nicht wirklich nah ist. Zur schnellen Flucht genügt es, die Augen zu schließen.\\  //»Erzähl’ doch mal, wie war’s unterwegs?«// Die große Mehrheit der Nicht-Globetrotter begnügt sich mit dem indirekten, gefilterten Erlebnis: dem Erzählten, der Diashow, dem Reisebericht, der Fernsehsendung. Die Furcht und das Staunen bewegen zwar alle Menschen dazu, sich mit der Welt zu beschäftigen, jedermann ist fasziniert und interessiert, aber …! Das durch Ekel, Angst oder Widerwille erzeugte Prickeln läßt sich mit wohligem Schauder ertragen, wenn das Andere nicht wirklich nah ist. Zur schnellen Flucht genügt es, die Augen zu schließen.\\ 
 Ganz so schwarz-weiß sind die Unterschiede natürlich nicht. Assimilatives Reisen strengt an und so kennt auch jeder Globetrotter die kleinen Fluchten: Rückzug ins Reisemobil, die deutsche Bäckerei in Bangkok, die Übernachtung im Best Western, den Strandurlaub zum Ende der Reise … gesteht man sich augenzwinkernd zu, genießt den Stilbruch. Auf der anderen Seite erhält der Studienreisende seinen freien Nachmittag ohne Gruppenzwang und der Cluburlauber bestellt sich ein Taxi in die Stadt.\\  Ganz so schwarz-weiß sind die Unterschiede natürlich nicht. Assimilatives Reisen strengt an und so kennt auch jeder Globetrotter die kleinen Fluchten: Rückzug ins Reisemobil, die deutsche Bäckerei in Bangkok, die Übernachtung im Best Western, den Strandurlaub zum Ende der Reise … gesteht man sich augenzwinkernd zu, genießt den Stilbruch. Auf der anderen Seite erhält der Studienreisende seinen freien Nachmittag ohne Gruppenzwang und der Cluburlauber bestellt sich ein Taxi in die Stadt.\\ 
-Doch sie alle – Reisende, Urlauber, Auswanderer, Auslandtätige – erleben eine »persönliche Fremdheit« ((Die sehr sinnvolle Unterscheidung zwischen persönlicher und kultureller Fremdheit, die der systemtheoretischen Perspektive von Mikro- und Makroebene entspricht, stammt von ''Meinhard Schuster'': //Ethnische Fremdheit, ethnische Identität//. In: Derselbe: //Die Begegnung mit dem Fremden // (=Colloquium Rauricum 4) Teubner Stuttgart 1996)), ausgelöst durch eine unvermittelte Begegnung. Der Umgang mit ihr unterscheidet sie voneinander. Im Urlaub herrscht das Gefühl vor, die [[wiki:welt|Welt]] habe eine Bringepflicht, schließlich habe man ja für Leistung bezahlt. Gesteigertes Anspruchsverhalten, verminderte soziale Hemmungen und ein eingeschränktes Schamgefühl führen in der Fremde häufig zu Konflikten ((Fremdes verstehen. Sympathie Magazin 28. 1994/2000, 68 S. www.sympathiemagazin.de)).\\ +Doch sie alle – Reisende, Urlauber, [[wiki:liste_ausstellungen#Auswanderer|Auswanderer]], Auslandtätige – erleben eine »persönliche Fremdheit« ((Die sehr sinnvolle Unterscheidung zwischen persönlicher und kultureller Fremdheit, die der systemtheoretischen Perspektive von Mikro- und Makroebene entspricht, stammt von ''Meinhard Schuster'': //Ethnische Fremdheit, ethnische Identität//. In: Derselbe: //Die Begegnung mit dem Fremden // (=Colloquium Rauricum 4) Teubner Stuttgart 1996)), ausgelöst durch eine unvermittelte Begegnung. Der Umgang mit ihr unterscheidet sie voneinander. Im Urlaub herrscht das Gefühl vor, die [[wiki:welt|Welt]] habe eine Bringepflicht, schließlich habe man ja für Leistung bezahlt. Gesteigertes Anspruchsverhalten, verminderte soziale Hemmungen und ein eingeschränktes Schamgefühl führen in der Fremde häufig zu Konflikten ((Fremdes verstehen. Sympathie Magazin 28. 1994/2000, 68 S. www.sympathiemagazin.de)).\\ 
 Bei den meisten selbstbestimmt Reisenden mündet assimilatives Reisen jedoch nicht in Assimilation oder Auswanderung, sondern in einem vollständigeren Bewußtsein der eigenen Identität. Wer sich etwa in unserer wenig religiös geprägten Gesellschaft leichthin als Atheist bezeichnet, wird beim Eintauchen in eine andere, extrem religiös geprägte Gesellschaft, sehr genau auf sein religiöses Selbstverständnis hin befragt und erhält Gelegenheit, sich damit intensiver auseinanderzusetzen als er dies je zu Hause tun würde.\\  Bei den meisten selbstbestimmt Reisenden mündet assimilatives Reisen jedoch nicht in Assimilation oder Auswanderung, sondern in einem vollständigeren Bewußtsein der eigenen Identität. Wer sich etwa in unserer wenig religiös geprägten Gesellschaft leichthin als Atheist bezeichnet, wird beim Eintauchen in eine andere, extrem religiös geprägte Gesellschaft, sehr genau auf sein religiöses Selbstverständnis hin befragt und erhält Gelegenheit, sich damit intensiver auseinanderzusetzen als er dies je zu Hause tun würde.\\ 
 In gewisser Weise eignet sich ein entdeckendes, assimilatives Reisen die Welt an. Diese Aneignung äußert sich praktisch etwa in Souvenirs, Fotos, Filmen, Reiseberichten, im Aufschreiben, im Berichten zuhause, im Reflektieren … Die Welt erscheint dort, wo man war und in dem, was man selbst erlebt hat, nicht mehr völlig fremd. Die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Anderen wird diffus. Das Eigene tritt deutlicher hervor, weil es sich immer und immer wieder mit dem Anderen auseinandersetzt und sich von ihm abgrenzen muß. »Der Stachel des Fremden« ((''Bernhard Waldenfels'': //Der Stachel des Fremden//. Frankfurt am Main 1990, S. 65: Fremderfahrung zwischen Aneignung und Enteignung)) wirkt als »Prozeß, in dem Eigenes und Fremdes, Eigenartiges und Fremdartiges durch Differenzierung entstehen.«. Paradoxerweise führt also assimilatives Reisen dazu, sich stärker abzugrenzen, indem man Erlebnisse und Erfahrungen reflektiert. In gewisser Weise eignet sich ein entdeckendes, assimilatives Reisen die Welt an. Diese Aneignung äußert sich praktisch etwa in Souvenirs, Fotos, Filmen, Reiseberichten, im Aufschreiben, im Berichten zuhause, im Reflektieren … Die Welt erscheint dort, wo man war und in dem, was man selbst erlebt hat, nicht mehr völlig fremd. Die Grenze zwischen dem Eigenen und dem Anderen wird diffus. Das Eigene tritt deutlicher hervor, weil es sich immer und immer wieder mit dem Anderen auseinandersetzt und sich von ihm abgrenzen muß. »Der Stachel des Fremden« ((''Bernhard Waldenfels'': //Der Stachel des Fremden//. Frankfurt am Main 1990, S. 65: Fremderfahrung zwischen Aneignung und Enteignung)) wirkt als »Prozeß, in dem Eigenes und Fremdes, Eigenartiges und Fremdartiges durch Differenzierung entstehen.«. Paradoxerweise führt also assimilatives Reisen dazu, sich stärker abzugrenzen, indem man Erlebnisse und Erfahrungen reflektiert.
wiki/staunen_fremdheit_neues_neugier.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/07 06:40 von norbert

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