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wiki:staunen

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 ====== Staunen ====== ====== Staunen ======
-//Wer andere besucht, soll seine Augen öffnen und nicht den Mund.//\\  +  Wer andere besucht, soll seine Augen öffnen und nicht den Mund. 
-''Afrikanisches Sprichwort''\\+  Afrikanisches Sprichwort 
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 +Das Staunen steht zu Beginn der Erkenntnis, denn etwas Neues wahrzunehmen löst erst Staunen aus, dann folgt das vernunftgemäße Erkennen. »Das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann, ist das Erstaunen«, sagt Goethe zu Eckermannn am 1. Februar 1829. [[wiki:wissen|Wissen]] tötet [[wiki:staunen|Staunen]]. Träume nicht dein Leben – lebe deinen Traum. Eine »richtige Reise« verfolgt einen Traum im Unbekannten. Damit sind Überraschungen verbunden und unvorhersehbare Situationen … Doch je mehr ich weiß, desto weniger überrascht werde ich sein:// »Der Staunende sieht, was anders ist; der aufhört zu staunen, sieht nur noch, was gleich ist; nein, er sieht nicht einmal das Gleiche, er hört überhaupt auf zu sehen; registriert nur noch … Aus dem Staunen nicht herauskommen, ein mögliches Lebensmotto.«// ((''Peter Handke'': //Gestern unterwegs. Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990//. Salzburg 2005))
  
   Dmitri Prigow   Dmitri Prigow
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 Und es gibt Autoren, die reisen, viel über sich erzählen und in leicht beleidigtem Ton mitteilen, welche Gelegenheiten die Welt verpaßt hat, ihnen Gutes zu tun.\\  Und es gibt Autoren, die reisen, viel über sich erzählen und in leicht beleidigtem Ton mitteilen, welche Gelegenheiten die Welt verpaßt hat, ihnen Gutes zu tun.\\ 
 ''Dmitri Prigow'' gehört zu einer dritten Kategorie von Autoren:\\ ''Dmitri Prigow'' gehört zu einer dritten Kategorie von Autoren:\\
-Immerhin ist er der erste aus seinem Moskauer Hinterhof, der es bis Japan geschafft hat. Die Anderen fahren immer nur nach Europa. Also gibt es was zu erzählen, weil er in Japan gestaunt hat und möchte, daß auch die anderen staunen können. In der Fremde staunen zu können, zählt zu den vornehmsten Fähigkeiten eines »richtigen Reisenden«. Ein solcher Reisender gibt der Welt Gelegenheit, in seiner Persönlichkeit Spuren zu hinterlassen, eben Eindruck zu machen. Um diesen Eindrücken wieder Ausdruck zu verleihen, bedarf es künstlerischer Fähigkeiten. Dmitri Prigow hat sich als »Patriarch des Konzeptualismus« mit Gedichtbänden und Prosatexten nach 1989 einen Namen gemacht.// +Immerhin ist er der erste aus seinem Moskauer Hinterhof, der es bis Japan geschafft hat. Die Anderen fahren immer nur nach Europa. Also gibt es was zu erzählen, weil er in Japan gestaunt hat und möchte, daß auch die anderen staunen können. In der Fremde staunen zu können, zählt zu den vornehmsten Fähigkeiten eines »richtigen Reisenden«. Ein solcher Reisender gibt der Welt Gelegenheit, in seiner Persönlichkeit Spuren zu hinterlassen, eben Eindruck zu machen. Um diesen Eindrücken wieder Ausdruck zu verleihen, bedarf es künstlerischer Fähigkeiten. Dmitri Prigow hat sich als »Patriarch des Konzeptualismus« mit Gedichtbänden und Prosatexten nach 1989 einen Namen gemacht.\\ 
  
-»Bei Treffen und Gesprächen mit Japanern nickst du bestätigend, bis du dich besinnst und zur größten Verwunderung und Betrübnis des Sprechenden schuldbewußt lächelst und die Arme ausbreitest: »Tut mir leid, Alter, ich würd ja gern, aber ich versteh dich nicht! Ich versteh kein Japanisch. Hab bloß so getan.« … Aber er läßt sich nichts anmerken, wartet nur ab und lächelt vorsichtig. Weil du ja im Grunde alles verstehst, weil es unmöglich ist, einfaches, vernünftiges und aufrichtiges menschliches Sprechen nicht zu verstehen. Und wenn du doch nichts verstehst, was soll man da machen? Leb, wenn du kannst. So steht ihr einander gegeneüber. Dann treten endgültig wechselseitige Klarheit und Verständlichkeit ein.«//+//»Bei Treffen und Gesprächen mit Japanern nickst du bestätigend, bis du dich besinnst und zur größten Verwunderung und Betrübnis des Sprechenden schuldbewußt lächelst und die Arme ausbreitest: »Tut mir leid, Alter, ich würd ja gern, aber ich versteh dich nicht! Ich versteh kein Japanisch. Hab bloß so getan.« … Aber er läßt sich nichts anmerken, wartet nur ab und lächelt vorsichtig. Weil du ja im Grunde alles verstehst, weil es unmöglich ist, einfaches, vernünftiges und aufrichtiges menschliches Sprechen nicht zu verstehen. Und wenn du doch nichts verstehst, was soll man da machen? Leb, wenn du kannst. So steht ihr einander gegeneüber. Dann treten endgültig wechselseitige Klarheit und Verständlichkeit ein.«//
  
 Prigow wendet sich nicht, er banalisiert auch nicht. Wenn ihm das Fremde zuteil wird, schaut er hin, staunt, nimmt es an, dreht es hin und her, und wenn er es noch immer nicht versteht, schaut er genauer hin, wechselt die Perpektive – verwundert sich und nimmt Wunder – ist überrascht, aber nie sprachlos. Die Fremde sieht er als vorübergehende Heimat. Ich finde, das ist eine sehr schöne Methode mit dem Anders-Sein umzugehen. Prigow wendet sich nicht, er banalisiert auch nicht. Wenn ihm das Fremde zuteil wird, schaut er hin, staunt, nimmt es an, dreht es hin und her, und wenn er es noch immer nicht versteht, schaut er genauer hin, wechselt die Perpektive – verwundert sich und nimmt Wunder – ist überrascht, aber nie sprachlos. Die Fremde sieht er als vorübergehende Heimat. Ich finde, das ist eine sehr schöne Methode mit dem Anders-Sein umzugehen.
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 ''Marcel Proust'' 1871-1922 ''Marcel Proust'' 1871-1922
  
-Denn zu bewundern und zu schaun,\\  +  Denn zu bewundern und zu schaun, 
-Zu wandern, auf ein Nichts gestellt,\\  +  Zu wandern, auf ein Nichts gestellt, 
-Was Gutes bracht’s mir nie im Traum -\\  +  Was Gutes bracht’s mir nie im Traum - 
-Könnt’s doch nicht lassen um die Welt!\\  +  Könnt’s doch nicht lassen um die Welt! 
-''Rudyard Kipling'' 1835-1936\\  +  Rudyard Kipling 1835-1936 
-//Stoßseufzer eines Soldaten//+  Stoßseufzer eines Soldaten 
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 +  »Den 20. ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee,  
 +  die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen.  
 +  Es war naßkalt, das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. 
 +  ... Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg, bald auf- bald abwärts. 
 +  ... es drängte in ihm, er suchte nach etwas, wie nach verlornen Träumen, aber er fand nichts. 
 +  Georg Büchner (1813 bis 1837)  
 +  Lenz vor 1836
  
 Wer nicht in der Lage ist, Fremdes zu bestaunen, reagiert übellaunig. Weshalb solche Misanthropen überhaupt reisen, scheint nicht ausreichend geklärt zu sein, hier ein Beispiel: Wer nicht in der Lage ist, Fremdes zu bestaunen, reagiert übellaunig. Weshalb solche Misanthropen überhaupt reisen, scheint nicht ausreichend geklärt zu sein, hier ein Beispiel:
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 siehe *[[wiki:staunen_fremdheit_neues_neugier|Abfahren: Die Fremdheit des Reisens]] siehe *[[wiki:staunen_fremdheit_neues_neugier|Abfahren: Die Fremdheit des Reisens]]
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wiki/staunen.1543048246.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/12/07 15:20 (Externe Bearbeitung)

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