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wiki:lebensreisestil

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wiki:lebensreisestil [2021/06/13 13:47] – [Singularisierung] norbertwiki:lebensreisestil [2023/07/31 04:29] (aktuell) – [Authentizität] norbert
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   so wie Montaigne, Rousseau und    so wie Montaigne, Rousseau und 
   die Meernessel nur leuchten, wenn sie sich bewegen!   die Meernessel nur leuchten, wenn sie sich bewegen!
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   Jean Paul, 1797   Jean Paul, 1797
-  Das Kampaner Tal, Kapitel 4, 502: Station +  Das Kampaner Tal, Kapitel 4, 502: Station   
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 Urlaub auf [[wiki:balkonien|Balkonien]], [[wiki:interpassivitaet|Interpassivität]], Flugscham kann man als [[wiki:balconing|Nicht-Reisen-Reisestile]] betrachten. Aber  [[wiki:reisen|was ist Reisen?]] Darauf lässt sich nun wirklich nicht eindimensional, einfach und linear antworten. Die [[wiki:reisegenerationen|Reisegenerationen]] der auslaufenden Moderne - zuletzt die //digital nomads// ((''Tsugio Makimoto, David Manners''\\ //Digital Nomad//\\ John Wiley & Sons, 1997, ISBN 0-471-97499-4)) - eint das unablässige Bemühen Reisen und Leben im Unterwegs-//Sein// zu verbinden, * **[[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]** zu er-//fahren//. Aber wie schauen sie die Welt an und wie geht das weiter? Urlaub auf [[wiki:balkonien|Balkonien]], [[wiki:interpassivitaet|Interpassivität]], Flugscham kann man als [[wiki:balconing|Nicht-Reisen-Reisestile]] betrachten. Aber  [[wiki:reisen|was ist Reisen?]] Darauf lässt sich nun wirklich nicht eindimensional, einfach und linear antworten. Die [[wiki:reisegenerationen|Reisegenerationen]] der auslaufenden Moderne - zuletzt die //digital nomads// ((''Tsugio Makimoto, David Manners''\\ //Digital Nomad//\\ John Wiley & Sons, 1997, ISBN 0-471-97499-4)) - eint das unablässige Bemühen Reisen und Leben im Unterwegs-//Sein// zu verbinden, * **[[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]** zu er-//fahren//. Aber wie schauen sie die Welt an und wie geht das weiter?
  
 ==== Lebensstile ==== ==== Lebensstile ====
-Der Soziologe ''Andreas Reckwitz'' findet deren roten Faden in einem Bemühen um eine »singularistische Lebensführung« bei Angehörigen der Mittelklasse ((''Andreas Reckwitz''\\ //Die Gesellschaft der Singularitäten//\\ Zum Strukturwandel der Moderne\\ 5. Auflage. Suhrkamp, Berlin 2018, ISBN 978-3-518-58706-5)). Diese unterscheiden sich durch Lebensstile und ihr kulturelles Kapital ((''Christoph Köck''\\ //Abenteuerreisen als kulturelles Kapital//\\ in: ''Kramer, Dieter; Lutz, Ronald'' (Hg.): //Tourismus - Kultur. Kultur - Tourismus//\\ Münster, Hamburg 1993: LIT-Verlag, S. 191 ff.)). Das Reisen ist ein Betätigungsfeld für deren distinktiven Lebensstil (neben anderen wie Essen, Wohnen, Bildung, Körperkultur). Diese Felder dienen dazu, das Selbst aufzuwerten und zu bereichern. Aufwertung lässt sich auf zwei Wegen erreichen:+Der Soziologe ''Andreas Reckwitz'' findet deren roten Faden in einem Bemühen um eine »singularistische Lebensführung« bei Angehörigen der Mittelklasse ((''Andreas Reckwitz''\\ //Die Gesellschaft der Singularitäten//\\ Zum Strukturwandel der Moderne\\ 5. Auflage. Suhrkamp, Berlin 2018, ISBN 978-3-518-58706-5)). Diese unterscheiden sich durch Lebensstile und ihr kulturelles Kapital ((''Christoph Köck''\\ //Abenteuerreisen als kulturelles Kapital//\\ in: ''Kramer, Dieter; Lutz, Ronald'' (Hg.): //Tourismus - Kultur. Kultur - Tourismus//\\ Münster, Hamburg 1993: LIT-Verlag, S. 191 ff.)). [[wiki:individualtourist|Individualtourist]] zu sein reicht nicht mehr aus. Das Reisen ist ein Betätigungsfeld für deren distinktiven Lebensstil (neben anderen wie Essen, Wohnen, Bildung, Körperkultur). Diese Felder dienen dazu, das Selbst aufzuwerten und zu bereichern. Aufwertung lässt sich auf zwei Wegen erreichen:
   - durch Aufmerksamkeit innerhalb einer Gruppe, deren Mitglieder (Follower) ein solches Profil anerkennend teilen (Anzahl der Likes), weil die Attribute dieses Lebensstils formal glaubhaft präsentiert werden (Influencer);   - durch Aufmerksamkeit innerhalb einer Gruppe, deren Mitglieder (Follower) ein solches Profil anerkennend teilen (Anzahl der Likes), weil die Attribute dieses Lebensstils formal glaubhaft präsentiert werden (Influencer);
   - durch Aufnahme in eine Gruppe, die ein solches Profil schätzt, weil die damit verbundenen [[wiki:Werte|Werte]] auf geteilten Erfahrungen beruhen und einen symmetrischen Austausch ermöglichen.    - durch Aufnahme in eine Gruppe, die ein solches Profil schätzt, weil die damit verbundenen [[wiki:Werte|Werte]] auf geteilten Erfahrungen beruhen und einen symmetrischen Austausch ermöglichen. 
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   Aber manche Macke ist auch Kacke.   Aber manche Macke ist auch Kacke.
  
-  * ''Gerhard, Ute''\\ //(Nicht) normale Fahrten//\\ Faszinationen eines modernen Narrationstyps.\\ Tagungsband. Diskursivitäten 6. Heidelberg: Synchron 2003.\\ Das [[wiki:reisen|Reisen]] als Gegenstand der Tagung 1999 in Dortmund war bestimmt durch die Perspektive der biografischen Bewegung zwischen Normalität und Nicht-Normalität als »zickzackartig verlaufende Lebenskurve«, also im weitesten Sinne die Sicht der [[wiki:liste_von_reise-metaphern|Metapher]] von der //Lebensfahrt// oder //Lebensreise// (»Normalismusforschung«). Dieser Blickwinkel wird hier angewandt insbesondere auf [[wiki:road_movie|Road Movies]], fiktionale Literatur, Autobiographien, Kunst ...+  * ''Gerhard, Ute''\\ //(Nicht) normale Fahrten//\\ Faszinationen eines modernen Narrationstyps.\\ Tagungsband. Diskursivitäten 6. Heidelberg: Synchron 2003.\\ Das [[wiki:reisen|Reisen]] als Gegenstand der Tagung 1999 in Dortmund war bestimmt durch die Perspektive der biografischen Bewegung zwischen Normalität und Nicht-Normalität als »zickzackartig verlaufende Lebenskurve«, also im weitesten Sinne die Sicht der [[wiki:liste_reisemetaphern|Metapher]] von der //Lebensfahrt// oder //Lebensreise// (»Normalismusforschung«). Dieser Blickwinkel wird hier angewandt insbesondere auf [[wiki:road_movie|Road Movies]], fiktionale Literatur, Autobiographien, Kunst ...
  
 ==== Selbstverwirklichung ==== ==== Selbstverwirklichung ====
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 Die Todesfälle bei Selfies ((//Selfies: A boon or bane?//\\ J Family Med Prim Care. 2018 Jul-Aug; 7(4): 828–831\\ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6131996/\\ doi: 10.4103/jfmpc.jfmpc_109_18)) nehmen zu, weil jedes Bild die Einzigartigkeit des Narziss zeigen muss: »Spieglein, Spieglein an der Wand - wer ist die Schönste im ganzen Land?« Dass die [[wiki:welt|Welt]] nicht nur Bühne ist, entscheidet sich beim Absturz. Nicht das Reisen steht im Vordergrund, sondern wie man dabei rüberkommt und was zurückkommt, Likes zum Beispiel. Doch das reicht nicht mal für ein Strohfeuer, denn nach dem Selfie ist vor dem Selfie. Auch das kann zum Hamsterrad werden - so, wie früher die gesellschaftliche Routine empfunden wurde. Die ersehnte Bestätigung lässt die Erwartungen wachsen und verharrt in diesem Zustand. Enttäuschte Erwartungen sind unvermeidlich, führen zu einem Gefühl von Leere, Defizit, Sinnverlust. Sich auf der Grenze zwischen [[wiki:real_life_oder_virtual_reality|real life und virtual life]] zu bewegen führt eben nur ausnahmsweise zu [[wiki:grenze_zwischen_leben_und_tod|Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod]]. Die Todesfälle bei Selfies ((//Selfies: A boon or bane?//\\ J Family Med Prim Care. 2018 Jul-Aug; 7(4): 828–831\\ https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6131996/\\ doi: 10.4103/jfmpc.jfmpc_109_18)) nehmen zu, weil jedes Bild die Einzigartigkeit des Narziss zeigen muss: »Spieglein, Spieglein an der Wand - wer ist die Schönste im ganzen Land?« Dass die [[wiki:welt|Welt]] nicht nur Bühne ist, entscheidet sich beim Absturz. Nicht das Reisen steht im Vordergrund, sondern wie man dabei rüberkommt und was zurückkommt, Likes zum Beispiel. Doch das reicht nicht mal für ein Strohfeuer, denn nach dem Selfie ist vor dem Selfie. Auch das kann zum Hamsterrad werden - so, wie früher die gesellschaftliche Routine empfunden wurde. Die ersehnte Bestätigung lässt die Erwartungen wachsen und verharrt in diesem Zustand. Enttäuschte Erwartungen sind unvermeidlich, führen zu einem Gefühl von Leere, Defizit, Sinnverlust. Sich auf der Grenze zwischen [[wiki:real_life_oder_virtual_reality|real life und virtual life]] zu bewegen führt eben nur ausnahmsweise zu [[wiki:grenze_zwischen_leben_und_tod|Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod]].
  
-  Marco d’Eramo +  * ''Marco d’Eramo''\\ //Die Welt im Selfie.//\\ Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters\\ Aus dem Italienischen von Martina Kempter\\ Suhrkamp Verlag Berlin 2018 362 Seiten
-  Die Welt im Selfie. Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters +
-  Aus dem Italienischen von Martina Kempter +
-  Suhrkamp Verlag Berlin 2018 362 Seiten +
 ==== Real Life ==== ==== Real Life ====
 Welche Bewegung könnte aus diesem Hamsterrad heraus und ins //[[wiki:real_life_oder_virtual_reality|real life]]// hinein führen, Gemeinschaftliches aufwerten und Sinn geben? Das Wesen des Reisens hat mit [[wiki:neugier|Neugier]] und [[wiki:abenteuer|Abenteuer]] stets dazu beigetragen, Neues in die Gesellschaft zu befördern. Das Internet schien dies besser zu können, doch fehlt diesem nicht nur die Authentizität, sondern es befördert die Täuschung. Nicht zufällig erweisen sich die Wege des Internet als besonders nützlich für Islamisten und Nationalisten, Trumpisten und Putinisten.\\ [[wiki:reisende|Reisende]] dagegen setzen zur Selbstverwirklichung ihren //Möglichkeitssinn// (''Robert Musil'') ein: sie gehen ans Limit, überschreiten [[wiki:grenze|Grenzen]].\\ Dass der Mensch sich als Individuum »er-fahren« und Selbst-Bewusstsein entwickeln konnte, ist auch ein wesentlicher Teil der Moderne. Nach der Erfindung des Buchdrucks entwickelte sich das Genre der Autobiographie, deren Autoren häufig ihre Reise-Vita in den Mittelpunkt stellten, wie etwa ''Johannes Butzbachs'' //[[wiki:Odeporicon|Odeporicon]]// (1505). Welche Bewegung könnte aus diesem Hamsterrad heraus und ins //[[wiki:real_life_oder_virtual_reality|real life]]// hinein führen, Gemeinschaftliches aufwerten und Sinn geben? Das Wesen des Reisens hat mit [[wiki:neugier|Neugier]] und [[wiki:abenteuer|Abenteuer]] stets dazu beigetragen, Neues in die Gesellschaft zu befördern. Das Internet schien dies besser zu können, doch fehlt diesem nicht nur die Authentizität, sondern es befördert die Täuschung. Nicht zufällig erweisen sich die Wege des Internet als besonders nützlich für Islamisten und Nationalisten, Trumpisten und Putinisten.\\ [[wiki:reisende|Reisende]] dagegen setzen zur Selbstverwirklichung ihren //Möglichkeitssinn// (''Robert Musil'') ein: sie gehen ans Limit, überschreiten [[wiki:grenze|Grenzen]].\\ Dass der Mensch sich als Individuum »er-fahren« und Selbst-Bewusstsein entwickeln konnte, ist auch ein wesentlicher Teil der Moderne. Nach der Erfindung des Buchdrucks entwickelte sich das Genre der Autobiographie, deren Autoren häufig ihre Reise-Vita in den Mittelpunkt stellten, wie etwa ''Johannes Butzbachs'' //[[wiki:Odeporicon|Odeporicon]]// (1505).
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   Bleibe unberechenbar.   Bleibe unberechenbar.
   Graham Greene (1904 - 1991), Virtue of Disloyalty   Graham Greene (1904 - 1991), Virtue of Disloyalty
-//»Been there, done that«// drückt eine Einstellung aus, die sich mit der Oberfläche zufrieden gibt: Kenne ich, da war ich schon, langweile mich nicht. Wer so reist, hat die Welt schnell abgehakt.+//»Been there, done that«// drückt eine Einstellung aus, die sich mit der Oberfläche zufrieden gibt: Kenne ich, da war ich schon, langweile mich nicht. Wer so reist, hat die [[wiki:welt|Welt]] schnell abgehakt
 +  * ''Stock, M.''\\ //»Touristisch wohnet der Mensch«: Zu einer kulturwissenschaftlichen Theorie der mobilen Lebensweisen.// Voyage, 10 (2014) 186–201.
  
-Es ist die * [[wiki:neugier|Neugier]] auf Unbekanntes, die Reisende wieder und wieder in die Welt treibt. Wenn der * [[wiki:tourist|touristische]] Blick überwunden wird, ist nichts, wie es scheint: die [[wiki:welt|Welt]] lässt sich häuten wie eine Zwiebel und ermöglicht neue Einsichten. ''Peter Handke'' nennt dies die //»Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt«//. Für den [[wiki:reisende|Reisenden]] bedeutet dies, dass er ständig Neues erfahren kann ohne sein Ziel. In Bewegung zu bleiben ist das Ziel und vielleicht ist es der [[wiki:weltschmerz|Weltschmerz]], der den Reisenden antreibt. +Es ist die * [[wiki:neugier|Neugier]] auf Unbekanntes, die Reisende wieder und wieder in die Welt treibt. Wenn der * [[wiki:tourist|touristische]] Blick überwunden wird, ist nichts, wie es scheint: die  [[wiki:welt|Welt]] lässt sich häuten wie eine Zwiebel und ermöglicht neue Einsichten. ''Peter Handke'' nennt dies die //»Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt«//. Für den [[wiki:reisende|Reisenden]] bedeutet dies, dass er ständig Neues erfahren kann ohne ein Ziel. In Bewegung zu bleiben ist das Ziel und vielleicht ist es der [[wiki:weltschmerz|Weltschmerz]], der den Reisenden antreibt. 
  
 ''Reinhold Messner'' beschreibt sich als »Eroberer der eigenen Seele« und ''Max Frisch'' (1911 - 1991) antwortet im //Tagebuch 1946–1949// auf die Frage //»Warum reisen wir? - Damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich ist!«// Die Authentizität seiner Erfahrungen macht den Reisenden besonders, ganz gleich, ob die Öffentlichkeit ihm glaubt, applaudiert oder nicht. Die Zufriedenheit kommt von innen - man weiß, was man hat. Den Prüfstein seiner Glaubhaftigkeit bilden andere Reisende. Vor ihnen fliegt jede Lüge sofort auf und unterscheidet die substantielle von der scheinbaren Authentizität. Wohin also geht die Reise? ''Reinhold Messner'' beschreibt sich als »Eroberer der eigenen Seele« und ''Max Frisch'' (1911 - 1991) antwortet im //Tagebuch 1946–1949// auf die Frage //»Warum reisen wir? - Damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich ist!«// Die Authentizität seiner Erfahrungen macht den Reisenden besonders, ganz gleich, ob die Öffentlichkeit ihm glaubt, applaudiert oder nicht. Die Zufriedenheit kommt von innen - man weiß, was man hat. Den Prüfstein seiner Glaubhaftigkeit bilden andere Reisende. Vor ihnen fliegt jede Lüge sofort auf und unterscheidet die substantielle von der scheinbaren Authentizität. Wohin also geht die Reise?
  
-  Valentin Groebner +  * ''Valentin Groebner''\\ //Retroland. Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen//\\ S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, 224 S. 
-  Retroland. Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen +  ''Henry J. Donaghy'':\\ [[https://www.jstor.org/stable/44311148|Graham Greene's "Virtue of Disloyalty"]]\\ Christianity and Literature 32 (1983) 3, 31-37\\ The Johns Hopkins University Press 
-  S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, 224 S. +  * ''Bendix, Regina''\\ //Zur Problematik des Echtheitserlebnisses in Tourismus und Tourismustheorie.//\\ In: Tourismus und Regionalkultur. Referate der Österreichischen Volkskundetagung 1992 in Salzburg (Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde, NS Bd. 12). Im Auftrag des Vereins für Volkskunde und des Österreichischen Fachverbandes für Volkskunde hg. von Burkhard Pöttler unter Mitarbeit von Ulrike Kammerhofer-Aggermann. Wien 1994, S. 57–83. 
-   +  * ''Tebbe, Krista''\\ //Das über das Andere angeeignete Eigene.//\\ In: Bräunlein, Peter u.a. (Red.): Zur Relevanz des Fremden (= kea. Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 1). Nürnberg 1990. S.60-68 
-''Henry J. Donaghy'':\\ [[https://www.jstor.org/stable/44311148|Graham Greene's "Virtue of Disloyalty"]]\\ Christianity and Literature 32 (1983) 3, 31-37\\  +
-The Johns Hopkins University Press+
  
 ==== Einfach leben & reisen ==== ==== Einfach leben & reisen ====
 +  „Wohin denn ich?“
 +  Friedrich Hölderlin, aus der Ode Abendphantasie, Sommer 1799 
 +
 Das Reisen ist auch ein Weg weg vom Überflüssigen, denn wer reist wirft Ballast ab. Unterwegs erfahren Reisende, wie wenig man wirklich benötigt und was wirklich wichtig ist. Die materielle Entlastung ermöglicht ein Gefühl der Befreiung. Doch alles, was man behält, ist um so wichtiger. Es zu behalten bedeutet auch, es zu sichern und zu pflegen. Die Dinge loszulassen führt paradoxerweise zu größerer Verantwortung, zu mehr Kompetenz sich in einer fremden Welt zu behaupten. Das Reisen ist auch ein Weg weg vom Überflüssigen, denn wer reist wirft Ballast ab. Unterwegs erfahren Reisende, wie wenig man wirklich benötigt und was wirklich wichtig ist. Die materielle Entlastung ermöglicht ein Gefühl der Befreiung. Doch alles, was man behält, ist um so wichtiger. Es zu behalten bedeutet auch, es zu sichern und zu pflegen. Die Dinge loszulassen führt paradoxerweise zu größerer Verantwortung, zu mehr Kompetenz sich in einer fremden Welt zu behaupten.
  
 Nichts besitzen zu wollen ist auch ein Lebensstil der //Generation Smartphone//. Das Smartphone sichert jedoch die ständige Verfügbarkeit mittels Flatrate und Streaming, mittels Sharing-Dienst und Lieferservice. Tatsächlich will man also jederzeit alles nutzen können, jedoch Pflichten, Verantwortung und Verbindlichkeiten meiden. Die Dinge loszulassen führt zu weniger Verantwortung, zu Kompetenzverlust und der Unfähigkeit außerhalb des Netzes zu leben. Nichts besitzen zu wollen ist auch ein Lebensstil der //Generation Smartphone//. Das Smartphone sichert jedoch die ständige Verfügbarkeit mittels Flatrate und Streaming, mittels Sharing-Dienst und Lieferservice. Tatsächlich will man also jederzeit alles nutzen können, jedoch Pflichten, Verantwortung und Verbindlichkeiten meiden. Die Dinge loszulassen führt zu weniger Verantwortung, zu Kompetenzverlust und der Unfähigkeit außerhalb des Netzes zu leben.
  
-Die [[wiki:sehnsucht|Sehnsucht]] nach dem »Einfachen Leben« ist verbreitet und verständlich angesichts der mannigfachen Sachprobleme, die kognitiv kaum zu durchdringenden sind und begleitet werden vom Sirenengeheul des Weltuntergangs und des dringlichen Handlungsbedarfs, da es ständig 5 vor 12 ist. Reiseerfahrungen fördern den Traum vom * [[wiki:einfach_leben|einfachen Leben]], hin zu Bescheidenheit und [[wiki:autarkie|Autarkie]]; Ansätze dazu finden sich über das * [[wiki:FIRE-Konzept|FIRE-Konzept]], * Selbstversorgung [[wiki:do_it_yourself|Do-It-Yourself]], Maker Movement. Reisende müssen sein fähig zum * [[wiki:frugalismus|Frugalismus]] und viele integrieren dies in ihren * [[wiki:lebensreisestil|Lebensreisestil]]. +Die [[wiki:sehnsucht|Sehnsucht]] nach dem »Einfachen Leben« ist verbreitet und verständlich angesichts der mannigfachen Sachprobleme, die kognitiv kaum zu durchdringenden sind und begleitet werden vom Sirenengeheul des Weltuntergangs und des dringlichen Handlungsbedarfs, da es ständig 5 vor 12 ist. Reiseerfahrungen fördern den Traum vom * [[wiki:einfach_leben|einfachen Leben]], hin zu Bescheidenheit und [[wiki:autarkie|Autarkie]]; Ansätze dazu finden sich über das * [[wiki:FIRE-Konzept|FIRE-Konzept]], * Selbstversorgung [[wiki:do_it_yourself|Do-It-Yourself]], Maker Movement. Reisende müssen sein fähig zum * [[wiki:frugalismus|Frugalismus]] und viele integrieren dies in ihren * [[wiki:lebensreisestil|Lebensreisestil]]. 
 +  * ''Boomers, Sabine''\\ //Reisen als Lebensform. ''Isabelle Eberhardt'', ''Reinhold Messner'' und ''Bruce Chatwin''//\\ 360 S. Bibl. S. 340–359 Frankfurt a.M.2004: Campus. [[https://d-nb.info/96972165X/04|Inhalt]] 
 +  * ''Frederiksen, Elke''\\ //„Ich reise, um zu leben“. Selbsterfahrung in der [[wiki:erfahrung|Erfahrung]] des [[wiki:fremdes|Fremden]].//\\ S.209-219 in: Iwasaki, Eijiro (Hg.): Begegnung mit dem ‚Fremden‘. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Konkresses Tokyo 1990. Bd.9, München 1991: Iudicium  
  
 ==== Infantilismus oder universelle Verantwortung ==== ==== Infantilismus oder universelle Verantwortung ====
-Wer in unserem Zeitalter `frei´ sagt, beansprucht das individuelle Recht, von jeder Verpflichtung, von jeder Verhaltensregel frei zu sein, also sittlich entfesselt unterwegs zu sein anstatt ortsgebunden treu und gesittet, nicht mehr im Gleichgewicht zwischen [[wiki:philobatie|Philobatie]] und [[wiki:oknophilie|Oknophilie]]. +Wer in unserem Zeitalter `frei´ sagt, beansprucht das individuelle Recht, von jeder Verpflichtung, von jeder Verhaltensregel frei zu sein, also als [[wiki:einzelne|Einzelner]] sittlich entfesselt unterwegs zu sein anstatt ortsgebunden treu und gesittet, nicht mehr im Gleichgewicht zwischen [[wiki:philobatie|Philobatie]] und [[wiki:oknophilie|Oknophilie]]. 
  
 Der [[wiki:held|Held]] des Internet-Zeitalters ist autistisch veranlagt ((''Jacqueline Thör''\\ Verschlossen und hochbegabt. Der geniale TV-Autist lebt unsere geheimen Träume\\ DIE ZEIT Nr. 46 9. November 2017\\ ''Nicole Karafyllis''\\ //Am liebsten ordentlich und einsam//\\ FAZ 22.12.2010 )), also ein genialer Außenseiter, der sich einerseits ausgegrenzt fühlt und andererseits selber ausgrenzt, weil er den Rest der Welt für Idioten hält, kurz: //autistische Soziopathen mit Geltungsdrang//, wie etwa im Film //The Social Network// von ''David Fincher'' (USA 2010) gezeigt wird. Der [[wiki:held|Held]] des Internet-Zeitalters ist autistisch veranlagt ((''Jacqueline Thör''\\ Verschlossen und hochbegabt. Der geniale TV-Autist lebt unsere geheimen Träume\\ DIE ZEIT Nr. 46 9. November 2017\\ ''Nicole Karafyllis''\\ //Am liebsten ordentlich und einsam//\\ FAZ 22.12.2010 )), also ein genialer Außenseiter, der sich einerseits ausgegrenzt fühlt und andererseits selber ausgrenzt, weil er den Rest der Welt für Idioten hält, kurz: //autistische Soziopathen mit Geltungsdrang//, wie etwa im Film //The Social Network// von ''David Fincher'' (USA 2010) gezeigt wird.
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 ==== Der Kreis schließt sich ==== ==== Der Kreis schließt sich ====
-Die einen wollen, dass alles bleibt, wie es ist, und brechen nicht auf. Die anderen brechen alles auf und wollen, dass nichts bleibt wie es war: //»Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert“// - so übersetzt ''Charlotte Birnbaum'' eine Passage im Roman „Der Leopard“ von ''Giuseppe Tomasi di Lampedusa'' (1896-1957) ((S. 32 in Kapitel 1: Tancredi zu Fürst Salina, Piper-Verlag, 1959)).\\ +Die einen wollen, dass alles bleibt, wie es ist, und brechen nicht auf. Die anderen brechen alles auf und wollen, dass nichts bleibt wie es war: //»Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert“// - so übersetzt ''Charlotte Birnbaum'' eine [[wiki:passage|Passage]] im Roman „Der Leopard“ von ''Giuseppe Tomasi di Lampedusa'' (1896-1957) ((S. 32 in Kapitel 1: Tancredi zu Fürst Salina, Piper-Verlag, 1959)).\\ 
 (Sanskrit, n., संसार, saṃsāra; Pali: saṃsāra; wörtlich:  (Sanskrit, n., संसार, saṃsāra; Pali: saṃsāra; wörtlich: 
 Als »beständiges Wandern«, sanskrit `Samsara´ bezeichnen die indischen Religionen den Kreislauf von Werden und Vergehen und so gilt ihnen das Leben als Wandermönch als die höchste Lebensform. Ähnlich sahen das die griechischen Kyniker und auch Christus sprach ein [[wiki:sendung|Aussendungsgebot]] aus und sandte seine Jünger [[wiki:per_pedes_apostolorum|per pedes apostolorum]]. Als »beständiges Wandern«, sanskrit `Samsara´ bezeichnen die indischen Religionen den Kreislauf von Werden und Vergehen und so gilt ihnen das Leben als Wandermönch als die höchste Lebensform. Ähnlich sahen das die griechischen Kyniker und auch Christus sprach ein [[wiki:sendung|Aussendungsgebot]] aus und sandte seine Jünger [[wiki:per_pedes_apostolorum|per pedes apostolorum]].
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   * ''Beate Berger''\\  //Fernreisen. Eine Untersuchung anhand der Problematik von Schuld und Verschulden//\\ Dipl., Univ. Klagenfurt 1994   * ''Beate Berger''\\  //Fernreisen. Eine Untersuchung anhand der Problematik von Schuld und Verschulden//\\ Dipl., Univ. Klagenfurt 1994
-  * ''Christiane Cantauw'' (Hrsg.)\\ //Arbeit, Freizeit, Reisen//\\ Die feinen Unterschiede im Alltag.\\ Münster: Waxmann 1995, 179 S. 12 Einzelbeiträge verschiedener Autoren, zB. zu: Gegenwelten als Alltag, Lebensstile, Diaabend, Dauercampingplatz, Naturabenteuer u.a.m. +  * ''Boomers, Sabine''\\ //Reisen als Lebensform: Isabelle Eberhardt, Reinhold Messner und Bruce Chatwin.//\\ Freie Univ., Diss. Berlin, 2002. Frankfurt/Main [u.a.] 2004: Campus-Verl. 360 S. 
 +  * ''Christiane Cantauw'' (Hrsg.)\\ //Arbeit, Freizeit, Reisen//\\ Die feinen Unterschiede im Alltag.\\ 3. Arbeitstagung der DGV-Kommission Tourismusforschung vom 23. bis zum 25. März 1994 \\ Münster: Waxmann 1995, 179 S. 12 Einzelbeiträge verschiedener Autoren, zB. zu: Gegenwelten als Alltag, Lebensstile, [[wiki:Diaabend|Diaabend]], Dauercampingplatz, Naturabenteuer u.a.m. 
 +  * ''Günter, Wolfgang''\\ //Ars Apodemica//.\\ Reiseerfahrung als geplantes Lebenslaufelement.\\ In: Rudolf W. Keck, Erhard Wiersing (Hrsg.): Vormoderne Lebensläufe – erziehungstheoretisch betrachtet. Köln / Weimar / Wien 1994, S. 345–356. 
 +  * ''Stefan Hirschauer''\\ //Menschen unterscheiden.//\\ //Grundlinien einer Theorie der Humandifferenzierung.//\\ in: Zeitschrift für Soziologie 50 (2021) 155-174.\\ Rezension: Gerald Wagner: //Die Crux der Individualität// [[https://www.faz.net/-ibq-ahevk|FAZ 18.11.2021]]
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