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Itinerar

Abgeleitet vom lateinischen iter (Weg) bezeichnet dieser Begriff als Reiseliteraturgattung meist antike Reiseführer, etwa das Itinerarium Antonini. In der Antike war es die Aufgabe von Bematisten (griechisch) und Agrimensoren (römisch) das Heer zu begleiten und dabei Weg und Landschaft zu vermessen und Itinerare zu erstellen; Alexander der Große gründete die Bibliothek in Alexandria mit dem Ziel das geographische Wissen seiner Zeit zu sammeln, indem die Itinerare seiner Bematisten und dies Periploi der anlegenden Schiffe gezielt gesammelt wurden.
In ihrer reduziertesten Form sind dies Reihenfolgen der Orte, die auf einer Route von A nach B im Abstand von Tagesetappen passiert werden, sie ermöglichten Reisenden die Wegfindung, Routenplanung und Orientierung.

Man kann ein Itinerar als abstrahierte Apodemik auffassen, denn der dargestellte Reiseweg ist ja eine allgemein anerkannte Empfehlung und Auswahl von Stationen, zeigt also wie man `richtig´ reist. Eine grafische Darstellung der Liste wird im ersten Schritt zur linearen Karte oder Itinerarkarte, darüber hinaus zur räumlichen Karte mit Himmelsrichtung und Maßstab sowie weiteren Informationen, schließlich zur Weltkarte als Ausdruck eines Weltbildes.
Verwandt mit dem Itinerar ist das Hodoeporicon des Mittelalters; ihn ihm wird jedoch auch bereits der Reisende selbst sichtbar, so auch in gesammelten Reisebriefen. In der skandinavischen Literatur entwirft der Leiðarvisir `Wegweiser´ nach Art eines Itinerars ein europäisches Wegenetz, liefert inhaltlich jedoch mehr als nur Orte und Abstände 1).
In der allgemeinsten Bedeutung wird `Itinerar´ zum Synonym für `ältere Reiseführer´, etwa für die gleichnamige Sammlung der Universität Göttingen, die bereits 1.445 2) ihrer 8.000 Tiel digitalisiert hat und anstrebt »daß auf dortiger Bibliotheque sich complet finden mogten […] alle Voyages und Reis Beschreibungen.« (Gerlach Adolf von Münchhausen 1748), siehe auch die Zeitleiste der Reiseanleitungen.

Das mittelalterliche Wegenetz ging aus dem römischen Straßennetz hervor. Manche Orte setzen eine Wegeverbindung voraus, etwa:

  • Herbergen und Hospize
  • Marterl, Bildsäulen, Wegekreuze, Steinmann, Wegekapellen, Klausen
  • Siechen- und Armenhäuser
  • Urchristliche Pfarreien, deren Alter an ihren Patronaten einschätzbar ist
  • Richt- und Malstätten (Mal-, Galgenberge, Weiße Steine)
  • Zoll- und Abgabestellen
  • Orte mit Marktrechten
  • Kreuzungen von Fernwegen
  • Furten, erkennbar am Flurnamen
  • Pässe und Brücken
Epoche Bezeichnung Urheber Beschreibung
3. Jh. Itinerarium Antonini mit Itinerarium provinciarum Sammlung Reiserouten durch die römischen Provinzen in Europa, Asien, Afrika
333/334 Itinerarium Burdigalense oder Hierosolymitanum Pilger (Anonymus) von Bordeaux nach Jerusalem
vor 337 Itineraria Gaditana oder Becher von Vicarello Reisegruppe 106 Stationen von Gades (Cádiz) nach Rom auf silbernen Bechern als Opfergabe
um 340 Itinerarium Alexandri die Route Alexander des Großen nach Persien
4. Jh. Tabula Peutingeriana eine römische Straßenkarte
4. Jh. Itinerarium Egeriae oder
Peregrinatio Aetheriae
»Egeria«, Pilgerin (Anonymus) Reise ins Heilige Land in Briefform
um 570 (Antonini) Piacentini Itinerarium Pilger (Anonymus) Konstantinopel, Zypern, Syrien, Palästina, Jerusalem, Ägypten, Nordmesopotamien
Itinerarium Maritimum
Antonini Augusti
Schiffahrtsrouten mit Entfernungen in Stadien: von Korinth über Sizilien nach Karthago; 2. zum Hafen von Rom; nach Arles
um 700 Ravennatis Anonymi Cosmographia keine Route, sondern ein Ortsnamenregister zwischen Indien und Irland
9. Jhd. Itinerarium Einsidlense Rompilgerführer
um 985 Sigeric von Canterbury 80 Etappen von London nach Rom, u.a. auf der Via Francigena
um 1110 Heinrich V. (1081 - 1125) Route des Reise-Königtums
1155 Leiðarvisir Nikúlas Bergsson (?-1259), Pilger & Abt Das Wegenetz der Pilger zwischen Skandinavien, Rom und Jerusalem
um 1190 Itinerarium Regis Ricardi Bericht über die Teilnahme König Richard I. (1157-1199) von England am Dritten Kreuzzug
1327/1330 Itinerarium ad Sepulerum Domini Antonius de Reboldis aus Cremona berichtete über zwei Reisen nach Ägypten
1494/1495 Itinerarium sive peregrinatio
excellentissimi viri artium ac utriusque medicine doctoris Hieronimi Monetarii de Feltkirchen civis Nurembergensis
Hieronymus Münzer (1437/47-1508 Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela als Reisebericht
vor 1563 Itinerar Wolfgang Musculus (1497 - 1563), ein Augsburger Predigervon Augsburg nach Wittenberg
1563 Raißbüchlin Jörg Gail (um 1524-1584), Augsburg Routen in Europa
1612 Itinerarium Germaniæ, Galliæ, Angliæ, Italiæ […] annis 1596-1600 Hentzner, Paul (1558-1623): Norinberga Routen in Europa

Literatur

  • O. Cuntz
    Itineraria Romana
    Band 1: Itineraria Antonini Augusti et Burdigalense
    Leipzig 1929
  • Fellmeth, Ulrich; Stini, Frank; Geisinger, Mignon
    Die Tabula Peutingeriana. Eine Karte für Händler und Transporteure.
    In: Orbis Terrarum 9 (2003-2007) S. 17–40.
  • Graßhoff, Gerd (Hg.)
    Untersuchungen zum Stadiasmos von Patara.
    Modellierung und Analyse eines antiken geographischen Streckennetzes.
    Bern 2009: Bern Studies in the History and Philosophy of Science (Bern Studies in the History and Philosophy of Science).
  • Johann Gildemeister
    Antonini Placentini Itinerarium im unentstellten Text mit deutscher Übersetzung. Reuther
    Berlin 1889 (Textausgabe und Übersetzung)
  • Kurt Guckelsberger
    Structure and origin of the Tabula Peutingeriana.
    In: Soeren Lund Soerensen (Hg.): Sine fine. Studies in honour of Klaus Geus on the occasion of his sixtieth birthday. Stuttgart 2022: Franz Steiner.
  • Heit, A.
    Itinerarium.
    In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 5: Hiera-Mittel bis Lukanien. Stuttgart 1991, S. 772–775
  • Jung, Julius
    Das Itinerar des Erzbischofs Sigeric von Canterbury [(990–994)] und die Strasse von Rom über Siena nach Luca.
    In: Mitteilungen des Institus für Österreichische Geschichtsforschung 25 (1904) 1-90
  • Kolb, Anne
    Antike Strassenverzeichnisse. Wissensspeicher und Medien geographischer Raumerschliessung.
    In: Dietrich Boschung, Thierry Greub und Jürgen Hammerstaedt (Hg.): Morphome des Wissens. Geographische Kenntnisse und ihre konkreten Ausformungen. Paderborn2013: Fink (Morphomata, 5), S. 192–221.
  • Löhberg, Bernd
    Das „Itinerarium provinciarum Antonini Augusti“.
    Ein kaiserzeitliches Straßenverzeichnis des Römischen Reiches ; Überlieferung, Strecken, Kommentare, Karten.
    Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2001 [erm.]. Berlin 2006: Frank & Timme.
  • Miller, Konrad
    Itineraria Romana. Römische Reisewege an der Hand der Tabula Peutingeriana.
    Stuttgart 1916: Strecker und Schröder.
  • G. Parthey, M. Pinder
    Itinerarium Antonini Augusti et Hierosolymnitanum (1848).
  • Prontera, Francesco
    Vie e luoghi dell'Etruria nella Tabula Peutingeriana\\. Firenze 2003: L.S. Olschki.
  • Rathmann, Michael
    The Tabula Peutingeriana and Antique Cartography.
    In: Serena Bianchetti, Michele R. Cataudella und Hans-Joachim Gehrke (Hg.): Brill's Companion to Ancient Geography. The inhabited world in Greek and Roman tradition. Leiden, Boston 2016: Brill (Brill's Companions in Classical Studies), S. 335–362.
  • Rathmann, Michael
    Tabula Peutingeriana. Die einzige Weltkarte aus der Antike.
    Darmstadt 2018: Philipp von Zabern.
  • Röhricht, Reinhold
    Antonius de Cremona, Itinerarium ad Sepulerum Domini (1327, 1330).
    Zeitschrift Des Deutschen Palästina-Vereins (1878-1945). 13 (1890) 153-174.
  • Salway, Benet
    Travel, itineraria and tabellaria.
    In: Colin Adams und Ray Laurence (Hg.): Travel and Geography in the Roman Empire. New York, London 2001: Routledge, S. 22–66.
  • Joseph Schnetz
    Itineraria Romana, Band 2: Ravennatis Anonymi Cosmographia et Guidonis Geographica
    1942 (Nachdruck 1990), B. G. Teubner, Stuttgart.
  • Stüllein, Hans Jochen
    Das Itinerar Heinrichs V. in Deutschland.
    Diss. Universität München 1971. 129 S. 17 Karten
  • Talbert, Richard; Elliott, Tom; Harris, Nora; Steinmann, Martin
    Rome's World. The Peutinger Map Reconsidered.
    Cambridge 2010: Cambridge Univ. Press. Online.
  • E. Weber
    Die Straßen der Römerzeit in Österreich und die Tabula Peutingeriana.
    in: E. Zöllner (Hrsg.) Verkehrswege und Eisenbahnen (Schriften der Instituts für Österreichkunde 53, 1989, 5-18.
1)
Geschrieben von Nikúlas Bergsson, 1155 Abt des Klosters MunkaÞerá, der 1149 bis 1154 nach Rom und Jerusalem pilgerte. Zitiert nach
Wassenhoven, Dominik
Skandinavier unterwegs in Europa (1000-1255)
Untersuchungen zu Mobilität und Kulturtransfer auf prosopographischer Grundlage. Berlin 2006: Akademie Verlag, S. 56 ff. und 74-85.
2)
März 2021
wiki/itinerar.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/22 13:26 von norbert

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