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Illusionen

Es gibt drei unterschiedliche Perspektiven die Welt anzuschauen:

  • Man sieht die Welt, wie sie zu sein scheint durch die Brille der persönlichen Erfahrung
    und gewinnt »empirisches Weltwissen«. Diesen Weg gehen Reisende in besonderem Maße.
  • Man sieht die Welt, wie sie ist durch die Brille der Vernunft
    und gewinnt »apriorisches Vernunftwissen«. Dies ist der Weg der Aufklärung.
  • Man sieht die Welt, wie sie sein sollte durch die Brille der Ideologie
    und erhält offenbarte Glaubensvorgaben mit Geboten.

Weil jedoch diese drei Sichtweisen voneinander abweichen, haben Illusionen die Aufgabe, die Sichtweisen zu harmonisieren. Auf solche Illusionen weisen beispielsweise folgene Formulierungen hin:

  • Das ist typisch für … (Analogiebildung)
  • Die Fakten widersprechen meiner Überzeugung. (Was nicht sein darf, …)
  • Das klingt glaubwürdig.
  • Informationen werden selektiv den Erwartungen angepasst.
  • Zwei Dinge ereignen sich gleichzeitig, also hängen sie irgendwie zusammen.
  • Das klappt schon, ich glaube fest daran. (magisches Denken)
  • Die Methode nehmen, die beim letzten Mal auch geholfen hat. (Law of Instrument)
  • Etwas Gutes tun, damit man das Recht erwirbt etwas Falsches zu tun.
  • Kenne ich, habe ich schon immer gesagt.
  • Ich kann alles und habe alles unter Kontrolle. (Selbstüberschätzung)
  • Mein Bauchgefühl täuscht mich nie.
  • Alles bleibt, wie es ist.
  • XY hatte Erfolg damit, also habe ich auch Erfolg.
  • Mögliche Verluste werden höher bewertet als mögliche Gewinne.

Solche kognitiven Verzerrungen (cognitive bias) sind menschlich, alltäglich und vertraut. Sich von ihnen zu befreien gelingt durch Wille und Vernunft, mittels Wissen und Selbsterkenntnis. Das strengt an und führt auch zur Erkenntnis, dass wir mindestens für unser Leben selbst verantwortlich sind.

»Aufklärung
ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, 
sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, 
wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung und des Mutes liegt, 
sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
>Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!<
ist also der Wahlspruch der Aufklärung.«
Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
Berlinische Monatsschrift 1784, 2, S. 481–494

Den Mut muss man erst einmal haben. Kant vergaß außerdem zu erwähnen, dass dieser Weg ganz schön mühsam sein kann. Der Aufklärung entgegen steht das Verlangen, einen mühelosen Weg zu finden, also:

  • Bequemlichkeit
  • Verantwortungslosigkeit

Ein bequemer Ausweg bietet sich an, indem die kognitiven Verzerrungen durch ideologische Verzerrungen (ideologic bias) ersetzt werden, also durch Religion oder eine der bekannten -ismen wie etwa Kommunismus, Faschismus, Islamismus. Ideologische Verzerrungen erkennt man an ihrem festen und klaren Werte-Set. Das moralisch Gute lässt sich leicht auswendig lernen, Widerspruch ist nicht möglich. Es gibt gut oder böse, gerecht oder ungerecht, richtig oder falsch - aber nichts dazwischen. Das macht Diskussionen unmöglich und erfordert Unterwerfung, also eine Hierarchie des Glaubens mit erleuchteten Führern an der Spitze.

In emotional aufgepeitschten Massenbeschwörungen wird die nahezu unabwendbare Apokalypse verschworen. Alles Bestehende kann diese nicht abwenden, also gehört alles Bestehende auf den Schuttplatz der Geschichte. Nur der jeweilige -ismus kann das Heil bringen und verspricht die Utopie - wenn nur sofort gehandelt wird, ohne Nachdenken, denn es gibt keine Alternativen! Also macht kaputt, was euch kaputt macht und werft auch gleich die Vernunft über Bord. Der Notstand verlangt nach Autorität. 1)

Probleme will niemand, aber danach fragen die Probleme nicht. Menschlich ist es, statt der vernünftigen (aber mühsamen) Problemlösung zunächst nach einer schnellen, einfachen Lösung zu suchen. Da bieten sich schöne Illusionen an, die zu den eigenen Glaubensmustern und Einstellungen passen. Diese Illusionen verkleiden sich als Annahmen, Neigungen, Schlussfolgerungen, Gerüchte damit wir uns glauben machen können, wir handelten vernunftgeleitet. Diese schönen Illusionen verändern unser Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen systematisch (kognitive Verzerrung), jedoch mehr oder weniger unbewusst. Wir entscheiden uns für den bequemen Weg. Die Verantwortung für das Misslingen wird dann beispielsweise der Tücke des Objekts zugeschrieben.


siehe auch:
* Law of Instrument
* Fachidiot
* Weltanschauung

1)
Hermann Lübbe: Politischer Moralismus: Der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft. 128 S. Siedler 1987 ISBN 13: 9783886802449
wiki/illusionen.1573296552.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/12/07 15:10 (Externe Bearbeitung)

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