Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:flucht

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.

Link zu der Vergleichsansicht

Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige Überarbeitung
wiki:flucht [2023/07/29 13:02] norbertwiki:flucht [2023/09/09 04:52] (aktuell) norbert
Zeile 130: Zeile 130:
 Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, dann mit der Bahn durch die Türkei, schließlich auf Booten nach Bagdad. Hentig beschreibt die aufreibende Organisation der [[wiki:fahrt|Fahrt]]: //„Zum Transport unsres Gepäcks hätten wir mindestens 150 Tiere, für Wacht- und Treiberpersonal wie für das Futter weitere hundert Tiere gebraucht. Die Kosten hätten sich auf annähernd zehntausend Mark belaufen. Statt dessen schaffte es der Euphrat in weniger als einem Drittel der Zeit und für etwa ein Zehntel der Kosten ... bis zur alten Kaiserstadt Bagdad hinunter.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 32))\\  Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, dann mit der Bahn durch die Türkei, schließlich auf Booten nach Bagdad. Hentig beschreibt die aufreibende Organisation der [[wiki:fahrt|Fahrt]]: //„Zum Transport unsres Gepäcks hätten wir mindestens 150 Tiere, für Wacht- und Treiberpersonal wie für das Futter weitere hundert Tiere gebraucht. Die Kosten hätten sich auf annähernd zehntausend Mark belaufen. Statt dessen schaffte es der Euphrat in weniger als einem Drittel der Zeit und für etwa ein Zehntel der Kosten ... bis zur alten Kaiserstadt Bagdad hinunter.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 32))\\ 
 Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, da sie sich zwischen russischen und englischen Einflußsphären möglichst ungesehen hindurchschlängeln müssen. Ein Kamel kostete 2,40 Mark pro Tag, an Verpflegung nochmals 3,20 Mark, während die Menschen bereits mit 1,60 Mark verpflegt wurden. Problemlos war die Strecke von Kirmanschah nach Teheran und Isfahan, schwierig wurden die Wüstenstrecken über Najin nach Tebbes, der heißesten Stadt der Welt, wo sie am 23. Juni ((Auf Seite 56 wird der 23. Juli genannt. Das kann jedoch nicht sein, da sie vier Wochen später, am 22. Juli, die afghanische Grenze überschreiten (S. 72). Vermutlich handelt es sich um einen Übertragungsfehler.)) ankommen: Einen Monat lang sind sie täglich etwa sechzig Kilometer marschiert, bei sommerlicher Wüstenhitze und all den Problemen, die die Organisation einer so großen Gruppe mit sich bringt. Ohne direkte Feindberührung, jedoch oft in Hör- und Sichtweite feindlicher Patrouillen erreichen sie schließlich Afghanistan bei //Doroschk// und //Tacht-i-Wun// am 22. Juni 1915, erreichen Kabul aber erst Ende September. Zehn Monate bleiben sie in Afghanistan als [[wiki:gast|Gast]] des Emirs und obwohl sie eine recht große Freiheit genießen, gelten sie aus Rücksicht auf die Engländer als Gefangene. In dieser Zeit geht Hentig seiner politischen und nicht näher beschriebenen Aufgabe nach, die im Wesentlichen nur darin bestehen kann, freundschaftliche Beziehungen zu fördern. Nach Abschluß seiner Tätigkeit machten sich Niedermayer und er auf den Rückweg, jedoch in östlicher [[wiki:orientierung|Richtung]] und auf getrennten Wegen, vermutlich aus taktischen Erwägungen. Die üblichen Karawanenstraßen wurden von Engländern und Russen kontrolliert, so daß ''Hentig'' zusammen mit ''Röhr'', dem Ungarn ''Jossip'', dem Perser ''Afgher'' und dem Inder ''Seyed Achmed'' eine Route durch den Pamir wählte, durch das nicht deutlich abgegrenzte Land zwischen Rußland und Indien, das so gut wie unvermessen war, kaum Namen trug und daher [[wiki:sicherheit|Sicherheit]] bot. Am 21. Mai 1916 begann die Reise nach Osten. Hin und wieder begleiteten einheimische Führer die Gruppe, sonst richtete sich von Hentig nach einer Karte im Maßstab 1 zu 7,5 Millionen. Mehrfach von russischen Truppen verfolgt erreichen sie nach mörderischen Strapazen ihr Ziel Yarkent im chinesischen Turkestan. Damit war zwar nur relative Sicherheit erreicht - die Russen hatten auch dort noch einen großen Einfluß und überschritten oft die Grenze - doch mußten sie weitere hundertdreißig Tage durch Wüsten marschieren, zehn, zwölf Stunden täglich: // „Von all der Mühsal, wie jeder einzelne dieser Tage sie brachte, kann ich heute noch nicht reden. So viele dumpfe Gedanken, wie sie dabei in ununterbrochener Wiederholung des Gehirns sich bemächtigen, soll man anderen nicht vortragen wollen. Und dann - ich würde daran verzweifeln, einen hinreichenden Begriff von einhundertdreißigmal zehn- bis zwölfstündigen Märschen geben zu können. Acht Tage schreitet man ja, von Hitze und Kälte getrieben, freudig fürbaß. Vier Wochen kann man es, mit einem Ziel vor Augen, noch gut aushalten. Selbst zwei Monate wären noch keine Leistung. Aber dann auch noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt zu haben, täglich weiter mit wunden Füßen, zerrissenen Händen, klaffenden Sohlen, verschlissenen Kleidern, ohne etwas Rechtes im Magen, marschieren und frieren, frieren und wieder marschieren zu müssen, auch des nachts keine Ruhe zu finden und nur immer mit wunder Seele an einer ungelösten Rechnung zu rechnen, das darf man nicht vorher schon einmal durchgemacht haben, wenn man der sprungbereiten, gierig lauernden Verzweiflung entgehen will.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 147 f.))\\  Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, da sie sich zwischen russischen und englischen Einflußsphären möglichst ungesehen hindurchschlängeln müssen. Ein Kamel kostete 2,40 Mark pro Tag, an Verpflegung nochmals 3,20 Mark, während die Menschen bereits mit 1,60 Mark verpflegt wurden. Problemlos war die Strecke von Kirmanschah nach Teheran und Isfahan, schwierig wurden die Wüstenstrecken über Najin nach Tebbes, der heißesten Stadt der Welt, wo sie am 23. Juni ((Auf Seite 56 wird der 23. Juli genannt. Das kann jedoch nicht sein, da sie vier Wochen später, am 22. Juli, die afghanische Grenze überschreiten (S. 72). Vermutlich handelt es sich um einen Übertragungsfehler.)) ankommen: Einen Monat lang sind sie täglich etwa sechzig Kilometer marschiert, bei sommerlicher Wüstenhitze und all den Problemen, die die Organisation einer so großen Gruppe mit sich bringt. Ohne direkte Feindberührung, jedoch oft in Hör- und Sichtweite feindlicher Patrouillen erreichen sie schließlich Afghanistan bei //Doroschk// und //Tacht-i-Wun// am 22. Juni 1915, erreichen Kabul aber erst Ende September. Zehn Monate bleiben sie in Afghanistan als [[wiki:gast|Gast]] des Emirs und obwohl sie eine recht große Freiheit genießen, gelten sie aus Rücksicht auf die Engländer als Gefangene. In dieser Zeit geht Hentig seiner politischen und nicht näher beschriebenen Aufgabe nach, die im Wesentlichen nur darin bestehen kann, freundschaftliche Beziehungen zu fördern. Nach Abschluß seiner Tätigkeit machten sich Niedermayer und er auf den Rückweg, jedoch in östlicher [[wiki:orientierung|Richtung]] und auf getrennten Wegen, vermutlich aus taktischen Erwägungen. Die üblichen Karawanenstraßen wurden von Engländern und Russen kontrolliert, so daß ''Hentig'' zusammen mit ''Röhr'', dem Ungarn ''Jossip'', dem Perser ''Afgher'' und dem Inder ''Seyed Achmed'' eine Route durch den Pamir wählte, durch das nicht deutlich abgegrenzte Land zwischen Rußland und Indien, das so gut wie unvermessen war, kaum Namen trug und daher [[wiki:sicherheit|Sicherheit]] bot. Am 21. Mai 1916 begann die Reise nach Osten. Hin und wieder begleiteten einheimische Führer die Gruppe, sonst richtete sich von Hentig nach einer Karte im Maßstab 1 zu 7,5 Millionen. Mehrfach von russischen Truppen verfolgt erreichen sie nach mörderischen Strapazen ihr Ziel Yarkent im chinesischen Turkestan. Damit war zwar nur relative Sicherheit erreicht - die Russen hatten auch dort noch einen großen Einfluß und überschritten oft die Grenze - doch mußten sie weitere hundertdreißig Tage durch Wüsten marschieren, zehn, zwölf Stunden täglich: // „Von all der Mühsal, wie jeder einzelne dieser Tage sie brachte, kann ich heute noch nicht reden. So viele dumpfe Gedanken, wie sie dabei in ununterbrochener Wiederholung des Gehirns sich bemächtigen, soll man anderen nicht vortragen wollen. Und dann - ich würde daran verzweifeln, einen hinreichenden Begriff von einhundertdreißigmal zehn- bis zwölfstündigen Märschen geben zu können. Acht Tage schreitet man ja, von Hitze und Kälte getrieben, freudig fürbaß. Vier Wochen kann man es, mit einem Ziel vor Augen, noch gut aushalten. Selbst zwei Monate wären noch keine Leistung. Aber dann auch noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt zu haben, täglich weiter mit wunden Füßen, zerrissenen Händen, klaffenden Sohlen, verschlissenen Kleidern, ohne etwas Rechtes im Magen, marschieren und frieren, frieren und wieder marschieren zu müssen, auch des nachts keine Ruhe zu finden und nur immer mit wunder Seele an einer ungelösten Rechnung zu rechnen, das darf man nicht vorher schon einmal durchgemacht haben, wenn man der sprungbereiten, gierig lauernden Verzweiflung entgehen will.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 147 f.))\\ 
-Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten //Mientsche//. Über //Honan//, //Tschentschou// gelangen sie nach //Hankau// und werden vom deutschen Konsul aufgenommen. Doch drei Monate später erreicht der Krieg auch diesen Winkel der Welt: China hat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Als Diplomat hat Hentig eingentlich freies Geleit, doch das ist Theorie: die chinesischen Beamten verzögern die Ausstellung der [[wiki:dokumente|Reisepapiere]] immer wieder, die Engländer verweigern sie, die Franzosen reagieren gar nicht, die Amerikaner wollen zunächst, dann wieder nicht. Kurzum: Man sitzt fest.// „Die schönen Wege, die im Anfang des Krieges noch Flüchtlingen offenstanden, über Sibirien, den Suezkanal und so weiter, waren so streng überwacht, daß ihre Benutzung, zumal ohne eine lange, gründliche Vorbereitung, nur zu sicheren Entdeckung geführt hätte. Der Krieg mit Amerika stand vor der Tür.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 166))+Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten //Mientsche//. Über //Honan//, //Tschentschou// gelangen sie nach //Hankau// und werden vom deutschen Konsul aufgenommen. Doch drei Monate später erreicht der Krieg auch diesen Winkel der Welt: China hat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Als Diplomat hat Hentig eingentlich freies [[wiki:geleitswesen|Geleit]], doch das ist Theorie: die chinesischen Beamten verzögern die Ausstellung der [[wiki:dokumente|Reisepapiere]] immer wieder, die Engländer verweigern sie, die Franzosen reagieren gar nicht, die Amerikaner wollen zunächst, dann wieder nicht. Kurzum: Man sitzt fest.// „Die schönen Wege, die im Anfang des Krieges noch Flüchtlingen offenstanden, über Sibirien, den Suezkanal und so weiter, waren so streng überwacht, daß ihre Benutzung, zumal ohne eine lange, gründliche Vorbereitung, nur zu sicheren Entdeckung geführt hätte. Der Krieg mit Amerika stand vor der Tür.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 166))
  
 Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, eine Missionars-Jacke und eine Seemannsmütze, um in möglichst unterschiedliche Rollen schlüpfen zu können, und begibt sich als blinder Passagier auf den am 1. April 1917 auslaufenden amerikanischen Dampfer //Ecuador//. Es gelingt ihm, zwei österreichische Offiziere zu überreden, ihn in ihrer Erster-Klasse-Kabine zu verbergen, dabei faltet er sich täglich von neun bis zwölf Uhr in einen engen Kleiderschrank. Die gefürchteten Kontrollen in Japan sind oberflächlich, die Kabinen werden gar nicht kontrolliert, doch bei der zweiten Landung, diesmal in Yokohama, werden sechs Deutsche gefunden. Bei der Landung in Honolulu verläßt er das Schiff, schwimmend, da alle Ein- und Ausgänge schwer bewacht werden, seit Amerika in den Krieg eingetreten ist. Es gelingt ihm wohl, ungesehen an Land zu kommen, doch zeigt es sich, die Kontrollen in Honolulu sehr streng sind. Schließlich stellt sich Hentig freiwillig dem Generalstaatsanwalt, bekommt ein Ticket nach Amerika und wird bei San Francisco auf der Einwandererinsel //Angel Island// im Hospital interniert. Auch die Österreicher und die anderen sechs Deutschen befinden sich dort in Internierung ebenso wie die Kapitäne deutscher Schiffe.  //„Am Tage nach meinem Einzug auf der Engels-Insel fand ein eingehendes Verhör statt. Ich wußte, daß hiervon, wenn nicht alles, so doch außerordentlich viel abhänge. Mein Plan war einfach die Fortsetzung des von mir stets auf der Reise und meist mit erstaunlichem Erfolg innegehaltenen Programms: die Wahrheit und Tatsachen für mich sprechen zu lassen und den Gegner zu fassen, sobald er sich in eine, nur durch Kombinationen gedeckte Stellung begäbe.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 187 f))\\  Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, eine Missionars-Jacke und eine Seemannsmütze, um in möglichst unterschiedliche Rollen schlüpfen zu können, und begibt sich als blinder Passagier auf den am 1. April 1917 auslaufenden amerikanischen Dampfer //Ecuador//. Es gelingt ihm, zwei österreichische Offiziere zu überreden, ihn in ihrer Erster-Klasse-Kabine zu verbergen, dabei faltet er sich täglich von neun bis zwölf Uhr in einen engen Kleiderschrank. Die gefürchteten Kontrollen in Japan sind oberflächlich, die Kabinen werden gar nicht kontrolliert, doch bei der zweiten Landung, diesmal in Yokohama, werden sechs Deutsche gefunden. Bei der Landung in Honolulu verläßt er das Schiff, schwimmend, da alle Ein- und Ausgänge schwer bewacht werden, seit Amerika in den Krieg eingetreten ist. Es gelingt ihm wohl, ungesehen an Land zu kommen, doch zeigt es sich, die Kontrollen in Honolulu sehr streng sind. Schließlich stellt sich Hentig freiwillig dem Generalstaatsanwalt, bekommt ein Ticket nach Amerika und wird bei San Francisco auf der Einwandererinsel //Angel Island// im Hospital interniert. Auch die Österreicher und die anderen sechs Deutschen befinden sich dort in Internierung ebenso wie die Kapitäne deutscher Schiffe.  //„Am Tage nach meinem Einzug auf der Engels-Insel fand ein eingehendes Verhör statt. Ich wußte, daß hiervon, wenn nicht alles, so doch außerordentlich viel abhänge. Mein Plan war einfach die Fortsetzung des von mir stets auf der Reise und meist mit erstaunlichem Erfolg innegehaltenen Programms: die Wahrheit und Tatsachen für mich sprechen zu lassen und den Gegner zu fassen, sobald er sich in eine, nur durch Kombinationen gedeckte Stellung begäbe.“// ((Hentig, Ins verschlossene Land, 187 f))\\ 
wiki/flucht.txt · Zuletzt geändert: 2023/09/09 04:52 von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki