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Erde

Die Erdoberfläche besteht zu zwei Dritteln aus Wasser (Ozeane und Meere) und bietet nur zu einem Drittel Landoberfläche (Kontinente und Inseln), von dem wiederum nur ein Bruchteil oikumene ist, also bewohnbare Landschaft. Darauf richteten sich die Interessen der Menschen primär, sie suchten das Land, in dem Milch und Honig fließen, den locus amoenus. Nur als Mittel zum Zweck wurden Gebirge überquert, Wüsten durchzogen und Ozeane besegelt. Einzelne treibt jedoch die Neugier als Selbstzweck zum Aufbruch - ihr Abenteuer besteht darin Grenzen nicht zu akzeptieren und die nicht-bewohnbaren Landschaften als Herausforderung zu betrachten. Diese werden zum Zwischenraum, die Fahrt hindurch wird zum Übergang. Das Risiko solcher Unternehmungen und Projekte trägt der Einzelne, der Nutzen im Erfolgsfall kommt allen zugute.

Die Entdeckungsgeschichte der Erde

in der Rückschau begann der Homo erectus vor 1-2 Millionen Jahren, den eurasischen Kontinent zu entdecken; ihm folgten der Homo heidelbergensis, der Homo florensis (»Hobbit«) und der Denisova-Mensch. Frühestens vor rund 100.000 Jahren verließ der Homo sapiens Afrika. Er traf auf die anderen, man begegnete und vermischte sich manchmal. Überlebt hat nur der Homo sapiens. Er entdeckte als »homo viator« die Erde, ziemlich lange und oft mehrmals 1), vielleicht auch weil er mehr als die anderen ein »homo portans« war, ein Gepäckträger.

Der größte Schritt war jedoch die Entdeckung der Rückseite der Erde. Diese war den Blicken ebenso entzogen wie die Rückseite des Mondes: unendlich weit weg, verborgen und undenkbar. In dieser langen *Entdeckungsgeschichte haben *Entdecker und Erforscher jahrtausendelang das *Wissen über die Erde zusammengetragen und damit die *Welt der Menschen immer wieder verändert.

Der Erste seiner Art: Wanderungen

Die Entdeckung war immer so lange neu, wie das *Wissen über die Entdeckung nicht allgemein zugänglich war. Irgendwann setzte der erste Homo sapiens seinen Fuss auf das amerikanische Festland. Rückblickend war er der erste. Aber hat er Amerika entdeckt? Schließlich hat er weder nach Amerika gesucht noch gewusst, dass es einen amerikanischen Kontinent gibt. Seine Nachfahren besiedelten den ganzen Kontinent, waren sich dessen aber nicht bewusst; so wenig wie sie wussten, dass es noch andere Kontinente gibt. Über die Besiedlungsgeschichte Amerikas weiß man wenig, um so phantasievoller wird darüber gestritten.

  • David J. Meltzer
    The Great Paleolithic War
    How Science Forged an Understanding of America’s Ice Age Past
    680 S., 18 Abb., 9 Tafeln, University of Chicago Press 2015 ISBN: 9780226293226

Übers Meer nach Amerika: Zufall & Neugier

Die Wikinger gingen dabei einen Schritt weiter 2) denn sie suchten nicht nur nach neuem Land, sondern kehrten zurück, gaben das Wissen weiter und lösten damit erneute Fahrten aus: Bjarni Herjólfsson (* um 966) berichtete von seiner Entdeckung, ging aber nicht an Land, Leif Eriksson ( ca 970 - 1020) wiederholte die Fahrt und betrat das Land als Erster; ihm folgten Thorvald Erikson († ca 1005), Thorfinn Karlsefni (980? - 1035?) und andere. Ihre Berichte wurden aufgezeichnet und weitergegeben 3), allerdings gab es auch zu dieser Zeit noch nicht die Vorstellung von Kontinenten. Ihre Entdeckung wurde vergessen, weil sie folgenlos blieb, weder zu einer dauerhaften Besiedlung noch zu Handel führte.

Die Suche nach dem kürzeren Weg: Aneignen und Erobern

Dagegen gilt Columbus (1451 - 1506) heute als * Entdecker Amerikas 1492, obwohl er es weder suchte noch die Küsten als * Kontinent oder gar als »Neue Welt« einordnete sondern bis zu seinem Tod als Teil Asiens betrachtete 4). Amerigo Vespucci (1452 bis 1512) postulierte als erster, es handele sich um einen neuen Kontinent. Den Beweis dafür erbrachte Vasco Núñez de Balboa am 25. September 1513, als er Panama durchquerte und am Pazifik stand.

Eine Welt wird erschaffen: Wissen & Erkenntnis

»Le seizième siècle, dans sa grande et légitime extension,
va de Colomb à Copernic, de Copernic à Galilée, 
de la découverte de la terre à celle du ciel.«
Jules Michelet, Renaissance, Paris 1855,Histoire de France, Bd. 7

Jede Expedition brachte neues Wissen zurück und erst die Geographen und * Kartographen setzten daraus ein neues * Weltbild zusammen 5). Martin Waldseemüller (1472 bis 1520) studierte Geographie und erstellte 1507 als Erster eine Weltkarte auf der Basis der neuen Entdeckungsberichte: Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes. Seine Wertschätzung für Amerigo Vespucci war größer als die für Columbus, also nannte er den neuen Kontinent Amerika und nicht Columbia. Dieselbe Karte wurde gleichzeitig auch als Erdglobus erstellt. Beides veränderte den Blick auf die Welt grundlegend.

Die Entdeckung besteht also nicht daran, dass jemand den ersten Fuss auf dieses Land setzte oder das Neuartige erkannte oder ihm einen Namen gab. Dies sind vielmehr notwendige Voraussetzungen dafür, dass sich daraus folgend das Weltbild der Menschen insgesamt erweiterte 6); allerdings konnte man auch schon früher Weltbürger sein. Vorher war Mittelalter 7), gefolgt von der Moderne mit Aufklärung, Wissenschaft, Nationen, Demokratie, Liberalismus usw. Daraus erwuchs der Hinweis, dass die Welt heute mit europäischen Augen betrachtet werde 8). Das stimmt - aber wo sind die bewährten Alternativen? Beispielsweise entstand daraus das heutige Weltbild der Geographie auf wissenschaftlicher Grundlage, das weltweit anerkannt ist: es gibt weder chinesische Wendekreise noch einen amerikanischen Äquator; die Festlegung von Nordpol und Südpol erfolgt nicht interessegeleitet und ist keine Frage des Glaubens.

  • Wolfgang Zank
    Von Globus an sich zum Globus für sich.
    Geschichte der Globalisierung
    In: Pinkert, Ernst-Ulrich (Hg.): Die Globalisierung im Spiegel der Reiseliteratur
    München: Text und Kontext 2000. S. 15-26

Die geographische Form der Erde

Von weitem betrachtet erscheint der Planet Erde als blaue Kugel, die um die Sonne kreist. Aber aus der Nähe betrachtet wird daraus eine bucklige, abgeplattete Kugel mit Bauch, die sich auf der schiefen Bahn bewegt.

Pole, Äquator und Meereshöhe

Weil die Erde in 24 Stunden einmal rotiert, gibt es eine 12.713 km lange Polachse zwischen Nordpol und Südpol. Am Bauch, also in der Äquatorebene, ist die Kugel rund 43 km dicker, also ist eigentlich der Chimborazo (6267 m) in den Anden der höchste Punkt der Erde, weil er vom Erdmittelpunkt weiter entfernt ist als der Mount Everest (8848 m). Der höchste Berg ist der Mauna Kea mit 10.203 m vom Meeresboden. Allerdings werden die Berghöhen als Abstand zur »mittleren Meeresoberfläche« (Meeresspiegel) angegeben. Die zu definieren ist nicht einfach und führt zu Ungenauigkeiten, zumal Gezeiten und Strömungen das Niveau beeinflussen. Weil auch das Schwerefeld der Erde ungleichmäßig ist, liegt die Meeresoberfläche des Indischen Ozeans um Sri Lanka mehr als 100 Meter unter dem theoretischen Meeresspiegel. Wie hoch ist dann der Adams Peak auf Ceylon wirklich?

Jahreszeiten, Klimazonen, Tag und Nacht

Der Kreis um die Sonne ist in Wirklichkeit eine Ellipse und die Erdkugel rotiert um eine schiefe Achse, die einen viertel rechten Winkel (23,75°) zur Rotationsfläche um die Sonne (Ebene der Erdbahn oder Ekliptik) geneigt ist. Die Ellipse und die schiefe Achse sind Schuld an Jahreszeiten, Klimazonen und unterschiedlichen Tages- und Nachtlängen. Deswegen gibt es:

Kalendermerkmal Datum Sonnenstand
Sommersonnenwende 21. Juni über dem südlichen Wendekreis
Wintersonnenwende 21. Dezemberüber dem nördlichen Wendekreis
Tag-und-Nacht-Gleiche 19./21. März & 22./23. Septemberüber dem Äquator

Anders formuliert: Zwischen den Wendekreisen kann die Sonne im Zenit stehen. Daher wird der Bereich zwischen den Wendekreisen als Tropen definiert.

BreitenkreisBezeichnung Breite
nördlicher WendekreisWendekreis des KrebsesN 23° 26′ 05″
südlicher WendekreisWendekreis des SteinbocksS 23° 26′ 05″

Die Wendekreise von Krebs und Steinbock

Der nördliche Wendekreis verläuft durch: Atlantik, Westsahara, Mauretanien, Mali, Algerien, Niger, Libyen/Tschad, Ägypten, Rotes Meer, Saudi-Arabien, Emirat Abu Dhabi, Oman, Indischer Ozean, Indien (Gujarat bis Mizoram), Bangladesch, Myanmar, Volksrepublik China (Yunnan, Guangxi, Guangdong), Straße von Taiwan, Republik China (Taiwan), Pazifik, Hawaii, Vereinigte Staaten, Mexiko, Golf von Kalifornien, Mexiko (Sinaloa bis Tamaulipas), Golf von Mexiko , Atlantik, Anguilla Cays (Bahamas), Santaren Channel, Bahamas, Atlantik

Der südliche Wendekreis verläuft durch: Atlantik, Namibia, Botswana, Südafrika (Limpopo), Mosambik (Gaza, Inhambane), Indischer Ozean, Madagaskar (Toliara, Fianarantsoa), Indischer Ozean, Australien (Western, Northern Territory, Queensland) Korallenmeer, Pazifik (zwischen Tonga und Französisch-Polynesien), Chile (Antofagasta), Argentinien (Jujuy, Salta, Formosa), Paraguay (Boquerón bis Amambay), Brasilien (Mato Grosso do Sul, Paraná, São Paulo), Atlantik

Die Wendekreise trennen die Nord- und Südhalbkugeln der Erde auch klimatisch, denn im Bereich der Tropen findet eine weitgehend geschlossene Luftzirkulation statt. Da die abgekühlten und trockenen Luftmassen an den Wendekreisen absinken, bilden sich dort bevorzugt Wendekreiswüsten 9) wie:

  • Sahara, Rub al-Chali, Nefud, Gobi am nördlichen Wendekreis
  • Namib, Kalahari, Simpson, Gibson, Atacama am südlichen Wendekreis

Zwischen den Wendekreisen bilden sich die Passatwinde aus als eine erdumspannende Luftströmung (Passatzirkulation):

  • Für Segelschiffe ergibt sich daraus die Passatroute für eine Weltumsegelung mit gut vorhersehbaren Winden.
  • Im Indischen Ozean ergab sich daraus bis in die Neuzeit der Schiffsverkehr mit den Dhaus in einem Bogen entlang der afrikanischen, arabischen, indischen Küsten.
  • Die Segelschifffahrt im Atlantik nutzte bis ins 19. Jahrhundert den Nordostpassat von der afrikanischen Küste für die Überfahrt nach Südamerika; dort eine Meeresströmung nach Norden und im Nordatlantik die vorherrschenden Westwinde mit dem Golfstrom für die Rückfahrt nach Europa.

Horst Eichler
Geographisches Hand- und Lesebuch für modernes Reisen.
Schlüssel und Anleitungen zum Verstehen und Erleben für Globetrotter, Jetter und Erlebnisurlauber

Touristbuch Hannover 1984
Klingt alt und ist alt - aber das Beste, was auf diesem Gebiet für Reisende je geschrieben wurde.

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1)
Robert Foley
Menschen vor Homo sapiens
Wie und warum unsere Art sich durchsetzte

Aus dem Englischen von Beate Mittmann. Herausgegeben und mit einem Geleitwort versehen von Wighart von Koenigswald. Species Band 5. J. Thorbecke Stuttgart 2000
2)
Die Polynesier vermutlich auch. Dass dies mit ihren technischen Möglichkeiten seit Jahrtausenden möglich gewesen wäre, zeigte der Norweger Thor Heyerdahl 1947 experimentell, indem er mit einem Floß aus Balsaholz, der Kon-Tiki, von Lima aus über den Pazifik segelte. Das Floss ist im Kon-Tiki-Museum in Oslo zu besichtigen.
Thor Heyerdahl
Kon-Tiki
Ein Floß treibt über den Pazifik.

Aus dem Norweg. (Kon-Tiki Ekspedisjonen) von Karl Jettmar
Ullstein Wien 1949
288 S. 66 Abb., 2 Kt.
3)
Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, Grænlendinga saga
4)
Das Vorgehen von Columbus war mindestens durch zwei Faktoren kanalisiert:
Erstens eignet er sich die neuen Länder für die spanische Krone nach einem vorgegebenen Verfahren an [Greenblatt]: Nach dem Betreten eines Strandes wird die spanische Fahne gehisst, in einem Text der Anspruch der spanischen Krone verlesen. Gibt es keinen Widerspruch, gilt das verlesene Recht als gesetzt.
Zweitens ordnet er alles Neue einer »finalistischen Interpretationsstrategie« unter [Todorov]. Er weiß, was er sucht und akzeptiert nur Indizien, die seine Erwartung bestätigen.
5)
Hanno Beck analysiert die Zusammenhänge zwischen Entdecker und Geograph, zwischen Entdeckungsgeschichte und Geschichte der Geographie gründlich : »Entdeckungsgeschichte und geographische Disziplinhistorie« in: Erdkunde Bd 9 Heft 3 (1955) 197-204
6)
Giambattista Vico (1668 - 1744)
Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker
F. Meiner Hamburg 2009
7)
Klaus Anselm Vogel
Sphaera terrae. Das mittelalterliche Bild der Erde und die kosmographische Revolution.
Dissertation. Georg-August-Universität Göttingen 1995. 493 S. mit 20 S. Lit.-verz.
8)
Dipesh Chakrabarty
Europa als Provinz. Perspektiven postkolonialer Geschichtsschreibung
Aus dem Englischen von Robin Cackett. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2010. 224 S.
Anthony Pagden
Das erfundene Amerika
Der Aufbruch des europäischen Denkens in die neue Welt

E. Diederichs München 1996
9)
jährlicher Niederschlag unter 250 mm im Jahr
wiki/erde.1639459680.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/12/14 05:28 von norbert

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