====== Wandermönch ====== Wandermönche (engl. itinerant monk, franz. moines itinérants, lat. [[wiki:peregrinatio|peregrinatio]] religiosa) im weitesten Sinne als spirituelle Sucher sind oft Teil von Religionen, berühren und vermischen sich jedoch mit Asketen, Bettelmönchen, Eremiten, [[wiki:scholar|Scholaren]], [[wiki:vaganten|Vaganten]], [[wiki:wanderradikalismus|Wandercharismatikern]], Wanderphilosophen, [[wiki:wanderpoeten|Wanderpoeten]], sofern dabei das Ziel der spirituellen Transformation im Vordergrund steht. ==== Die indischen Wandermönche ==== wandering alone like the rhinoceros Swami Vivekananda Die ältesten erkennbaren Wurzeln führen zu den Religionen im indo-iranischen Raum. Ein Wandermönch zu sein kam für jeden in Betracht, denn das hinduistische Ideal kennt vier Lebenssstufen: - Student im Alter von 8 bis 20 - Familienvater - [[wiki:waldeinsamkeit|Waldeinsiedler]] (vânapattha) allein oder mit Frau - bettelnder [[wiki:Wandermönch|Wandermönch]] mit asketischem Ideal (paribbâjaka, parivrajaka) Das Wandergebot untersagte dem Bettelmönch (bhikkhu) über Nacht in einem Dorf zu bleiben, denn es sollten keine Bindungen aufgebaut werden. Der »Wanderstabträger« [[wiki:dandin|Dandin]] (sanskrit `Stabträger´) sollte sich von Almosen ernähren und klopfte an alle Türen, dort galt er als //Atit//, wörtlich `der unerwartete [[wiki:gast|Gast´]]. Für sein [[wiki:reisegepaeck#Vor rund 3.000 Jahren|Reisegepaeck]] galten sehr genaue, minimalistische Regeln, diese unterschieden sich im Einzelnen für * Veda-Schüler im 3. Jahrtausend vor Christus * Brahmanische Bettel-Asketen dandamānava * Jain-Novizen * Jain-Mönche * Buddhistische Mönche * Shaivitische Wandermönche [[https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9e/A_wandering_Shaivite_ascetic_with_his_dog.jpg|Bild]] (Hinduismus) * ''Dás, Śrí Sárat Chandra''\\ //Indian pandits in the land of snow.//\\ VIII, 92, 28 Seiten. Calcutta 1893: Baptist Mission Press.\\ Der Autor beschäftigt sich mit den bengalischen Gelehrten (Pandits), die im Großraum Indien-Tibet-China wandernd Wissen und den Buddhismus verbreiteten, beginnend mit der »missionary work of the Indo-Aryans«. Die früheste belegte Ankunft von Indern in China ist danach 217 BC belegt. Von den chinesischen Reisenden werden ''Fá-hian'' um 400 nach Christus und ''Hieun-tshang'' (Reise nach Indien 629) hervorgehoben. 326 BC begegnete Alexander der Große im Punjab einer Gruppen von //Gymnosophisten// γυμνοσοφισταί ‚nackte Weise, nackte [[wiki:der_weise_narr|Narren]]‘ (altgriechisch γυμνός gymnós ‚nackt‘ und σοφία sophía ‚Weisheit‘) mit deren [[wiki:fuehrer|Führer]] ''Dandamis'' ([[wiki:dandin|dandin]] »Stabträger«). Einer von ihnen, ''Kalanos'', begleitete Alexander mehrere Jahre auf seinem Zug, bis er sich selbst verbrannte. Die Ideen dieser Gymnosophisten verbreiteten sich nachfolgend im griechischen Raum und wurden bis ins europäische, arabische und persische Mittelalter verbreitet und diskutiert. ==== Buddhistische Wandermönche ==== Die späteren buddhistischen Mönche in Japan (kanjin hijiri) sollten wandern und betteln (yugyö-sei, kaikokusei), als Wanderziele galten heilige Berge. Magie gehörte zu ihren wesentlichen Aufgaben; auch ihr Äußeres wies schamanistische Züge auf. Ihre [[wiki:reisekleidung|Kleidung]] musste aus Papier oder (Birken-)Rinde bestehen, aus Moos oder Tierfellen - Seide und Baumwolle waren verboten. Manche gingen barfuss und ohne Hut. Wilde Tiere galten als Boten der Götter, daher saß auf dem Stab des hijiri ein Tiergeweih, außerdem trugen hijiri eine metallene Gabel (eburi) und eine Metalltrommel. Der berühmte Wandermönch ''Ippen'' (1239-1289) galt als `Reiseheiliger´ (Travelling Saint) (( ''Kleine, Christoph'' 1962-.\\ //Hermits and Ascetics in Ancient Japan: The Concept of Hijiri Reconsidered//\\ Japanese Religions, vol. 22.2, 1997, pp. 1-46. )). * ''Ramers, Peter'' 1954-\\ //Das Leben der frühbuddhistischen Wandermönche//\\ Durch organisierte Askese zum inneren Frieden.\\ Weltfremdheit 2015, pp. 29-48. ==== Wandermönche im Mittelmeerraum ==== Im antiken jüdischen Raum scheint es bereits in vorchristlicher zeit »Wandercharismatiker« gegeben zu haben und in der griechischen Kultur entwarfen die Kyniker mit der [[wiki:bactroperita|bactroperita]] einen philosophisch geprägten [[wiki:lebensreisestil|Lebensreisestil]] mit mönchsähnlichem Ethos. * ''Ebner, Martin'' 1956-\\ //Jüngergemeinden und Wandercharismatiker//\\ Katholische Glaubensfibel 2004, pp. 111-114 * ''Öhler, Markus'' 1967-\\ //Ausbildung von Strukturen: Die Zwölf, Wandercharismatiker, Jerusalemer Urgemeide und Apostel//\\ Jesus Handbuch 2017, pp. 526-533. * ''Theißen, Gerd'' 1943-\\ //Kynische und urchristliche Wandercharismatiker//\\ Zu W. Stegemann: "Hinterm Horizont geht's weiter".\\ Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt 2011, pp. 101-116. ==== Per pedes apostolorum ==== Im **Christentum** stehen Wandermönche ursprünglich in der Tradition der [[wiki:sendung|Aussendung]] der [[wiki:per_pedes_apostolorum|Apostel]] (`Gesandte´) durch Christus, so dass bis zum Konzil von Nicäa 323 n. Chr. christliche Gemeinden in Asien, Afrika und Europa bestanden, von Äthiopien bis Indien, vom Schwarzen Meer bis Britannien ((''Adolf von Harnack''\\ //Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten//\\ J.C. Hinrichs: Leipzig 1906)). Für die frühesten urchristlichen Wandermönche findet sich der Begriff //Sarakwte// (sarakôte, korrumpiert sarabaitae) ab dem [[wiki:reisegenerationen#Zwischen Mittelalter und Antike|4. Jahrhundert]] in koptischen und später ägyptischen Texten; sie werden griechisch als παράσιτος //parásitos// `Tischgenosse, Schmarotzer´ (engl. freeloader) bezeichnet, arabisch als //rahhâlin// `Wanderer´, lateinisch als //gyrovagus//. Als //agapète// bezeichnet lebten die Kleriker mit einer Frau (Agapetae) zusammen ((''Crum, W. E.''\\ //A Coptic dictionary//. Oxford 1939: Clarendon Press. S. 316 (sa), 354–55 (sarakwte), 494a. 9\\ ''Vycichl, Werner, Rodolphe Kasser'' //Dictionnaire étymologique de la langue copte//. Leuven 1983: Peeters. S. 196\\ ''W. Westendorf''\\ //Koptisches Handwörterbuch//\\ Heidelberg: Carl Winter 1965, 1977), S. 194\\ ''Cerny, Joseph''\\ //Coptic etymological dictionary//\\ Cambridge 1976: Cambridge University Press)). * ''Monica J. Blanchard''\\ Sarabaitae and Remnuoth: Coptic Considerations\\ S. 49-60 in: ''Goehring, James E., Janet Timbie, D. W. Johnson''. 2008. //The world of early Egyptian Christianity//: language, literature, and social context : essays in honor of David W. Johnson. * ''Caner, Daniel''\\ //Wandering, begging monks//\\ Spiritual authority and the promotion of monasticism in late antiquity.\\ (zugleich: Wandering, begging monks, social order and the promotion of monasticism in the Roman east, **360-451 CE**. Diss. Berkeley 1998) XIV, 325 S., Berkeley, California: University of California Press, 2020. Eine umfassende Untersuchung über die dem apostolischen Ideal folgenden Wandermönche insbesondere des [[wiki:reisegenerationen#Zwischen Mittelalter und Antike| 4. und 5. Jahrhunderts]]. Inhalt: * Wandering in the desert and the virtues of manual labor * Apostolic wanderers of third-century Syria * In support of "people who pray": apostolic monasticism and the Messalian controversy * Apostle and heretic: the controversial career of ''Alexander the Sleepless'' * Hypocrites and pseudomonks: beggars, bishops, and ascetic teachers in cities of the early fifth century * Monastic patronage and the two churches of Constantinople * The life of ''Alexander Akoimētos''. * ''Dietz, Maribel'' 1966-\\ //Wandering Monks, Virgins, and Pilgrims//\\ Ascetic Travel in the Mediterranean World, A.D. 300 - 800.\\ University Park, Pa: Pennsylvania State University Press, 2005.\\ Mit einem Kapitel über die frühesten iberischen Pilger ''Egeria'', ''Orosius'', ''Bachiarius'', und einem Schwerpunkt auf der iberischen Halbinsel und in der frühen islamischen Periode. * ''Koetting, Bernhard''\\ //Peregrinatio religiosa//\\ Wallfahrten in der Antike und das Pilgerwesen in der alten Kirche.\\ Forschungen zur Volkskunde, H. 33/34/35.\\ XXVII, 472 S., Münster 1950/1980 2. durchgesehene Auflage: Antiquariat Th. Stenderhoff. * ''Jean Leclerq''\\ //Mönchtum und Peregrinatio im Frühmittelalter//\\ In: Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. 55 (1960) 212–225 Die für das [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] maßgebliche //regula benedictini// bewertete um 540 n. Chr. die Mönchsformen jedoch neu und setzte zum einen die [[wiki:stabilitas_loci|stabilitas loci]] an erste Stelle und setzte zum anderen die Lebensformen als [[wiki:einzelne|Einzelner]] hintan: ^ Mönchsform ^Lebensweise ^Bewertung ^ ^ Anachoreten | Mönche als [[wiki:waldeinsamkeit|Einsiedler im Wald]] | sehr gut & sehr schwer| ^ Koinobiten | Mönche im Kloster unter Regel und Abt | gut| ^ Sarabaiten| Mönche außerhalb des Klosters | schlecht| ^ [[wiki:gyrovagen|Gyrovagen]]| Wandermönche| sehr schlecht| Anders entwickelten sich die mobilen Formen der [[wiki:pilger|Pilger]] und Kleriker im Raum des orthodoxen Christentums, siehe auch [[wiki:strannicestvo|Stranničestvo]]: * ''Garipzanov, Ildar''\\ //Wandering Clerics and Mixed Rituals in the Early Christian North, C. 1000-c. 1150//\\ The Journal of Ecclesiastical History, vol. 63.1, 2012, pp. 1-17.\\ Wandernde Kleriker zwischen Skandinavien, Rus und Armenien. * ''Evdokimov, Michel''\\ //Pèlerins Russes et Vagabonds mystiques//\\ Paris: Éd. du Cerf, 1987 ==== Die irischen Wandermönche ==== Unabhängig davon zogen im Nordwesten Europas die //irischen Wandermönche// mit ihrem [[wiki:stab|Stab]] ab dem [[wiki:reisegenerationen#6./7. Jahrhundert|6. Jahrhundert]] missionierend durch Europa, der [[wiki:peregrinus|peregrinatio propter deum]] folgend. ''Columban von Luxeuil'' verließ als erster irischer Mönch mit einigen Begleitern die Britischen Inseln mit dem Ziel, auf dem Kontinent den christlichen Glauben zu verbreiten. Nach seinem Tod 615 vermachte er seinen [[wiki:stab|Krummstab]] dem ''Gallus'' († 645), wie er ein irischer Wandermönch, der das Kloster Sankt Gallen gründete. Mit Columban, Gallus und Eustatius begann die »iroschottische Mission«, die im [[wiki:reisegenerationen#6./7. Jahrhundert|7. Jahrhundert]] im fränkischen Raum zu rund 300 Klostergründungen führte. Anders als Asketen und Eremiten lebten sie ihren Glauben aktiv, wandernd und missionierend. Zugeschrieben werden ihnen die Loricae (lat. Brustpanzer), frühmittelalterliche Schutzgebete, die (auch) als [[wiki:reisesegen|Reisesegen]] verwendet wurden. Aus heutiger Sicht würde man diesen Mönchen Neugier, Wandertrieb und Abenteuerlust unterstellen. Die [[wiki:peregrinus|peregrinatio]] galt ihnen als erstrebenswert und vorbildhaft. Klöster wurden in ländlichen Regionen gegründet, so dass sich der Aufbau einer praktisch [[wiki:autarkie|autarken]] Gemeinschaft mit der notwendigen [[wiki:einfachheit|Einfachheit]] der Lebensführung verband. Spätestens zu Beginn der Neuzeit galt die Lebensführung nicht mehr vorteilhaft und der Wandermönch ''[[wiki:irides|Irides]]'' suchte bettelnd seine Vorteile. * ''Arnold Angenendt''\\ //Die irische Peregrinatio und ihre Auswirkungen auf dem Kontinent vor dem Jahr 800//\\ In: Heinz Löwe (Hrsg.): Die Iren und Europa im früheren [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] Band 1. Klett-Cotta, Stuttgart 1982, ISBN 3-12-915470-1, S. 52–79. * ''Thomas M. Charles-Edwards''\\ //The Social Background to Irish Peregrinatio//\\ In: David Greene, Brian Ó Cuív (Hg.): Myles Dillon Memorial Volume\\ Celtica Bd. 11, ISSN 0069-1399, The Dublin Institute for Advanced Studies, Dublin 1976, S. 43–59 ==== Literatur ==== * ''Arnold Angenendt''\\ //Monachi peregrini//\\ Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des frühen Mittelalters\\ (= Münstersche Mittelalter-Schriften 6) Fink, München 1972, ISBN 3-7705-0605-7 (Zugleich: Münster, Universität, Dissertation, 1969). * ders.\\ //Peregrinatio//\\ In: Lexikon des Mittelalters. Band 6: Lukasbilder bis Plantagenêt. Artemis & Winkler, München 1993, ISBN 3-7608-8906-9, Sp. 1882–1883. * ''Kuster, Niklaus'' 1962-.\\ //Wanderradikale und [[wiki:heimatlos|heimatlose]] Mönche://\\ Wie eine bewegte Lebensform immer wieder sesshaft wird.\\ Edith-Stein-Jahrbuch, vol. 9, 2003, pp. 46-81. * ''Kuhlmann, Helga''\\ //Reisen. Fährten für eine Theologie unterwegs//\\ Münster Lit 2003 Interdisziplinäre Paderborner Untersuchungen zur Theologie, Bd. 1 * ''Larsson, S.; af Edholm, K.'' (eds.)\\ //Songs on the Road//.\\ Wandering Religious Poets in India, Tibet, and Japan.\\ Stockholm 2021: Stockholm University Press. [[https://doi.org/10.16993/bbi|DOI]] * ''Jacobsen, Knut A. ''\\ //Pilgrimage in Hindu Tradition//\\ Salvific Space.\\ London 2013: Routledge. * ''Olivelle, Patrick''\\ //On the Road//\\ The Religious Significance of Walking.\\ In: Byrski, M. K. & Nowakowska, M. & Wozniak, J. & Jurewicz, J. (eds.). Theatrum Mirabiliorum Indiae Orientalis: A Volume to Celebrate the 70th Birthday of Professor Maria K. Byrski. Warzawa 2007: Dom Wydawniczy Elipsa, 173–187. * ''Peterson, Indira V.''\\ //Lives of the Wandering Singers//\\ Pilgrimage and Poetry in Tamil Shaivite Hagiography.\\ In: History of Religions 22.4 (1983) 338–360