Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:zeit_musse

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.

Link zu der Vergleichsansicht

Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten, nächste Überarbeitung
wiki:zeit_musse [2020/06/05 07:00] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1wiki:zeit_musse [2020/06/10 05:48] norbert
Zeile 18: Zeile 18:
  
 ==== Auf der Höhe unserer Zeit? ==== ==== Auf der Höhe unserer Zeit? ====
-In den //Modern Times// von 1936 gerät der Tramp ''Charlie Chaplin'' zwischen Zahnräder, heute kochen wir unser Hirn mit Mikrowellen. Wer kein Handy benutzt, erntet Vorwürfe. E-Mail macht Denkpausen entschuldbar, vorbei die Zeit der »Schneckenpost«. Es ist kaum entschuldbar, nicht erreichbar zu sein. »Transhumane Geschwindigkeiten« ((''Hartmut Böhme'': //Über Geschwindigkeit und Wiederholung im Cyberspace: das Alte im Neuen//. In: ''Darsow, Götz-Lothar'' (Hg.): //Metamorphosen des Gedächtnisses//; Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, S. 23–43.)) führen zur »tachogenen Weltfremdheit« ((''Odo Marquard'': //Zeitalter der Weltfremdheit? Beitrag zur Analyse der Weltfremdheit//. In: ders.: Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien, Stuttgart 1996)). Einerseits versuchen wir unseren Pflichten optimal nachzukommen, Bedürfnisse und Interessen zu befriedigen. Andererseits erfordert eine sich schnell verändernde Welt ständiges Lernen. Was gestern noch richtig war, könnte heute falsch sein. Sobald unsere Aufmerksamkeit nachläßt, veraltet unser [[wiki:wissen|Wissen]], verlieren wir die Übersicht – die Welt wird uns fremd. Es wird immer aufwendiger, »auf der Höhe der Zeit« zu sein, oft hinken wir hinterher. Es scheint allerdings eine alte Erfahrung zu sein, daß letztlich der gewinnt, der das Spiel nach anderen, eigenen Regeln spielt, wie der Igel im Märchen //Der Igel und der Hase// – vorausgesetzt, er nimmt sich Zeit und kennt seine Stärken.\\ +In den //Modern Times// von 1936 gerät der Tramp ''Charlie Chaplin'' zwischen Zahnräder, heute kochen wir unser Hirn mit Mikrowellen. Wer kein Handy benutzt, erntet Vorwürfe. E-Mail macht Denkpausen entschuldbar, vorbei die Zeit der »Schneckenpost«. Es ist kaum entschuldbar, nicht erreichbar zu sein. »Transhumane Geschwindigkeiten« ((''Hartmut Böhme'': //Über Geschwindigkeit und Wiederholung im Cyberspace: das Alte im Neuen//. In: ''Darsow, Götz-Lothar'' (Hg.): //Metamorphosen des Gedächtnisses//; Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, S. 23–43.)) führen zur »tachogenen Weltfremdheit« ((''Odo Marquard'': //Zeitalter der Weltfremdheit? Beitrag zur Analyse der Weltfremdheit//. In: ders.: Apologie des Zufälligen. Philosophische Studien, Stuttgart 1996)). Einerseits versuchen wir unseren Pflichten optimal nachzukommen, Bedürfnisse und Interessen zu befriedigen. Andererseits erfordert eine sich schnell verändernde Welt ständiges Lernen. Was gestern noch richtig war, könnte heute falsch sein. Sobald unsere Aufmerksamkeit nachläßt, veraltet unser [[wiki:wissen|Wissen]], verlieren wir die [[wiki:millersche_zahl|Übersicht]] – die Welt wird uns fremd. Es wird immer aufwendiger, »auf der Höhe der Zeit« zu sein, oft hinken wir hinterher. Es scheint allerdings eine alte Erfahrung zu sein, daß letztlich der gewinnt, der das Spiel nach anderen, eigenen Regeln spielt, wie der Igel im Märchen //Der Igel und der Hase// – vorausgesetzt, er nimmt sich Zeit und kennt seine Stärken.\\ 
 So mißtrauen wir letztlich unseren Erfahrungen, sie könnten ja veraltet sein und benutzen Ratgeber-Literatur. Erfahrungen selbst zu machen wird weniger alltäglich, stattdessen wird »gegoogelt«. Wir glauben an die Realität dessen, was wir auf dem Bildschirm sehen. //»Die jeweils große Mehrheit … ist nicht mehr in der Lage, den Realitätsgehalt der Orientierungsdaten wirklich zu beurteilen: synchron zur zunehmenden Legierung von Realität und Fiktion verwischt sich auch der Unterschied von Realitätswahrnehmung und Fiktionsbewußtsein … Die moderne Wirklichkeit erhält in wachsendem Maße jene Färbung von Halbwirklichkeit, in der Fiktion und Realität ununterscheidbar werden.«// ((''Odo Marquard'': //Aesthetica und Anaesthetica//, München 1989, Seite 94)) Trotzdem ist die Bereitschaft verbreitet, sich den [[wiki:illusionen|Illusionen]] der Medien hinzugeben, sie sind ja so //internett//. Ob unser Weltbild eher aus eigener, sinnlicher Wahrnehmung oder mehr aus konsumierter Fiktion erwächst, ist oft nicht mehr zu unterscheiden.\\  So mißtrauen wir letztlich unseren Erfahrungen, sie könnten ja veraltet sein und benutzen Ratgeber-Literatur. Erfahrungen selbst zu machen wird weniger alltäglich, stattdessen wird »gegoogelt«. Wir glauben an die Realität dessen, was wir auf dem Bildschirm sehen. //»Die jeweils große Mehrheit … ist nicht mehr in der Lage, den Realitätsgehalt der Orientierungsdaten wirklich zu beurteilen: synchron zur zunehmenden Legierung von Realität und Fiktion verwischt sich auch der Unterschied von Realitätswahrnehmung und Fiktionsbewußtsein … Die moderne Wirklichkeit erhält in wachsendem Maße jene Färbung von Halbwirklichkeit, in der Fiktion und Realität ununterscheidbar werden.«// ((''Odo Marquard'': //Aesthetica und Anaesthetica//, München 1989, Seite 94)) Trotzdem ist die Bereitschaft verbreitet, sich den [[wiki:illusionen|Illusionen]] der Medien hinzugeben, sie sind ja so //internett//. Ob unser Weltbild eher aus eigener, sinnlicher Wahrnehmung oder mehr aus konsumierter Fiktion erwächst, ist oft nicht mehr zu unterscheiden.\\ 
 Gleichwohl erkennen gerade wir Globetrotter eher den Widerspruch zwischen medialer Wirklichkeit und eigener Erfahrung, schließlich sind wir Experten authentischer Erfahrungen. Wer je im Iran war oder durch Afrika fuhr, dem erscheint das öffentlich transportierte Bild als Zerrbild. Die Erfahrung langer Reisen macht Globetrotter weniger anfällig für [[wiki:illusionen|Illusionen]] und Schwarz-Weiß-Malerei. Gleichwohl erkennen gerade wir Globetrotter eher den Widerspruch zwischen medialer Wirklichkeit und eigener Erfahrung, schließlich sind wir Experten authentischer Erfahrungen. Wer je im Iran war oder durch Afrika fuhr, dem erscheint das öffentlich transportierte Bild als Zerrbild. Die Erfahrung langer Reisen macht Globetrotter weniger anfällig für [[wiki:illusionen|Illusionen]] und Schwarz-Weiß-Malerei.
wiki/zeit_musse.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/02 02:37 von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki