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wiki:zeit_musse

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wiki:zeit_musse [2018/06/09 17:25] – [D. Ein Bewußtsein der Zeit] norbertwiki:zeit_musse [2019/11/04 19:07] – [Abfahren: Zeit fürs Reisen] norbert
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 ====== Abfahren: Zeit fürs Reisen ====== ====== Abfahren: Zeit fürs Reisen ======
-Norbert Lüdtke ©\\  +''Norbert Lüdtke'', zuerst veröffentlicht in der Zeitschrift [[wiki:der_trotter|DER TROTTER]] Ausgabe 125 (2007) als Teil 4 der Artikelreihe [[wiki:wir_globetrotter|Wir Globetrotter]]
-Zuerst veröffentlicht in DER TROTTER Ausgabe 125 (2007) DZG\\  +
-als Teil 4 der Artikelreihe //Wir Globetrotter//+
  
-»Verliere nicht Deine Zeit damit, dein Leben zu verdienen. Verdiene deine Zeit, rette dein Leben.«\\  +  »Verliere nicht Deine Zeit damit, dein Leben zu verdienen. 
-(''Lanza del Vasto''//Weisheit der Landstraße//)\\  +  Verdiene deine Zeit, rette dein Leben.« 
-Aus Eiern und Milch, Zucker und Aromen kann ein Pfannkuchen entstehen – oder ein Schlamassel. Mit etwas Gefühl und Erfahrung entsteht daraus ein Soufflé, dem Künstler gelingt gar eine einzigartige Delikatesse. Ähnlich geht es dem Reisen mit den notwendigen Zutaten Zeit & Geld, Ausrüstung & Know-How. Jeder kann etwas daraus machen. Doch in der Art und Weise, wie Globetrotter sie arrangieren und komponieren, entsteht daraus etwas Besonderes oder gar Einzigartiges. Daran läßt sich insbesondere erkennen, wie Reisende mit der wichtigsten Zutat umgehen, der Zeit. Die Qualität einer Reise läßt sich an der Dauer festmachen (Teil A). Doch Reisen, rise-on, sich erheben, setzt vorangegangenes Niederlassen voraus, also wird es bestimmt vom Verhältnis zu Arbeit und Konsum (Teil B). Schwieriger zu erkennen ist der Grad der Selbstbestimmung (Teil C) oder gar das Bewußtsein für diese Zeit des Reisens (Teil D).+  Lanza del Vasto, Weisheit der Landstraße 
 +Aus Eiern und Milch, Zucker und Aromen kann ein Pfannkuchen entstehen – oder ein Schlamassel. Mit etwas Gefühl und Erfahrung entsteht daraus ein Soufflé, dem Künstler gelingt gar eine einzigartige Delikatesse. Ähnlich geht es dem [[wiki:reisen|Reisen]] mit den notwendigen Zutaten [[wiki:zeit_musse|Zeit]] & Geld, [[wiki:ausruestung|Ausrüstung]] & Know-How. Jeder kann etwas daraus machen. Doch in der Art und Weise, wie [[wiki:globetrotter|Globetrotter]] sie arrangieren und komponieren, entsteht daraus etwas Besonderes oder gar Einzigartiges. Daran läßt sich insbesondere erkennen, wie [[wiki:reisende|Reisende]] mit der wichtigsten Zutat umgehen, der Zeit. Die Qualität einer Reise läßt sich an der Dauer festmachen (Teil A). Doch Reisen, rise-on, sich erheben, setzt vorangegangenes Niederlassen voraus, also wird es bestimmt vom Verhältnis zu Arbeit und Konsum (Teil B). Schwieriger zu erkennen ist der Grad der Selbstbestimmung (Teil C) oder gar das Bewußtsein für diese Zeit des Reisens (Teil D).
  
 ===== A. Langzeitreisen ===== ===== A. Langzeitreisen =====
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 ===== C. Muße ===== ===== C. Muße =====
 Weder Freizeit noch Auszeit, weder produktiv noch konsumtiv, bedeutete Muße ursprünglich eine Zeit, die ihren Wert aus sich selbst schöpft. Sie ist eben keine »besonders raffinierte Form des Hervorlockens schöpferischer Reserven und Arbeitsprozesse …, noch Erholung oder Entspannung im Sinne einer Reproduktion von Arbeitskraft« ((''Erich Ribolits'', //Die Arbeit hoch? Berufspädagogische Streitschrift wider die Totalverzweckung des Menschen im Post-Fordismus//. 2. A., München/Wien (Profil) 1997. www.streifzuege.org/texte_andere/str_autor_ribolits_nicht-frei.html)) Muße ((http://otium-bremen.de)) meint aber auch weder Faulheit noch Untätigkeit. Sie ist eine Zeit, die man dem Dasein widmet, kreativ, selbstbestimmt, in der man das Eigene tut. Weder Freizeit noch Auszeit, weder produktiv noch konsumtiv, bedeutete Muße ursprünglich eine Zeit, die ihren Wert aus sich selbst schöpft. Sie ist eben keine »besonders raffinierte Form des Hervorlockens schöpferischer Reserven und Arbeitsprozesse …, noch Erholung oder Entspannung im Sinne einer Reproduktion von Arbeitskraft« ((''Erich Ribolits'', //Die Arbeit hoch? Berufspädagogische Streitschrift wider die Totalverzweckung des Menschen im Post-Fordismus//. 2. A., München/Wien (Profil) 1997. www.streifzuege.org/texte_andere/str_autor_ribolits_nicht-frei.html)) Muße ((http://otium-bremen.de)) meint aber auch weder Faulheit noch Untätigkeit. Sie ist eine Zeit, die man dem Dasein widmet, kreativ, selbstbestimmt, in der man das Eigene tut.
-In einer solchen Zeit sind unsere Reisen zu suchen. Der globale Flaneur gönnt sich die Muße zu verweilen, weil der Augenblick so schön ist, er läßt die Welt passieren. Reisen wird zum Mantra von Aufbrüchen und Ankünften, im eigenen Rhythmus schwingend. Die Wahl zu haben, entscheiden zu können, empfinden Globetrotter als Freiheit (dazu in dieser Serie später mehr).+In einer solchen Zeit sind unsere Reisen zu suchen. Der globale * [[wiki:Flaneur|Flaneur]] gönnt sich die Muße zu verweilen, weil der Augenblick so schön ist, er läßt die Welt passieren. Reisen wird zum Mantra von Aufbrüchen und Ankünften, im eigenen Rhythmus schwingend. Die Wahl zu haben, entscheiden zu können, empfinden Globetrotter als Freiheit (dazu in dieser Serie später mehr).
  
 ==== Selbstbestimmte Zeit ==== ==== Selbstbestimmte Zeit ====
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 //»Was ist also >Zeit<? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht.«// ((''Augustinus'', Bekenntnisse, 11. Buch)) Nur weil wir uns an Vergangenes erinnern, Zukünftiges erwarten und beides miteinander verknüpfen können, lassen sich Zeiten messen, meint Augustinus. Er erörterte als erster die unverzichtbare Funktion des Gedächtnisses für die Zeitwahrnehmung. Der Eindruck, daß ein Ereignis weit zurückliege, eine Reise lange gedauert habe oder eine ersehnte Begegnung kurz bevorstünde, sei nämlich nicht an den Geschehnissen selbst ablesbar. ((''Regine Kather'': //Über die Zeit//. In: Mensch, Natur, Technik, Bd.6: Die Zukunft unseres Planeten, Hg.: Brockhaus, Leipzig/ 2000, 14-47. [www.akademieforum.de/grenzfragen/open/Grundlagen/Ka_Zeit/text.htm#_ftnref3]))\\  //»Was ist also >Zeit<? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht.«// ((''Augustinus'', Bekenntnisse, 11. Buch)) Nur weil wir uns an Vergangenes erinnern, Zukünftiges erwarten und beides miteinander verknüpfen können, lassen sich Zeiten messen, meint Augustinus. Er erörterte als erster die unverzichtbare Funktion des Gedächtnisses für die Zeitwahrnehmung. Der Eindruck, daß ein Ereignis weit zurückliege, eine Reise lange gedauert habe oder eine ersehnte Begegnung kurz bevorstünde, sei nämlich nicht an den Geschehnissen selbst ablesbar. ((''Regine Kather'': //Über die Zeit//. In: Mensch, Natur, Technik, Bd.6: Die Zukunft unseres Planeten, Hg.: Brockhaus, Leipzig/ 2000, 14-47. [www.akademieforum.de/grenzfragen/open/Grundlagen/Ka_Zeit/text.htm#_ftnref3]))\\ 
  
-Der erwachsen gewordene Mensch sehnt sich nach einem Ausweg aus der Besorgnis (»glückliche Kindheit«). Der »Philosophenkaiser« Marc Aurel empfahl das Nachdenken über den Tod. Die Stoiker unternahmen einen imaginären Flug ins All, um zu sehen, wie klein und unbedeutend war, was bedrückend und groß erschien. Das ist der Gewinn des Blicks von ferne. ((Der Ethikrat. //Diesmal für: Urlauber, im Stress.  Philosophische Hilfestellungen// 7. Folge, DIE ZEIT)) Meister Eckhart lehrte unter anderem die Achtsamkeit, wie sie auch in traditionellen östlichen Weisheitslehren wie dem Buddhismus tradiert werden. Der islamische Sufismus gibt ähnliche Anweisungen für den »Weg der Derwische«. Dabei wird der Wechsel in das Gegenwartsbewusstsein als Erleuchtungserfahrung bezeichnet. Plotin beschreibt diesen Zustand durch Selbsterkenntnis, Gegenwärtigkeit und das Loslassen von Wünschen und Zukunftsvorstellunge, als eine raum- und zeitlose Gleichzeitigkeit. ((Nach Wikipedia, Stichwort Zeit (Philosophie)))\\ +Der erwachsen gewordene Mensch sehnt sich nach einem Ausweg aus der Besorgnis (»glückliche Kindheit«). Der »Philosophenkaiser« Marc Aurel empfahl das Nachdenken über den [[wiki:grenze_zwischen_leben_und_tod|Tod]]. Die Stoiker unternahmen einen imaginären Flug ins All, um zu sehen, wie klein und unbedeutend war, was bedrückend und groß erschien. Das ist der Gewinn des Blicks von ferne. ((Der Ethikrat. //Diesmal für: Urlauber, im Stress.  Philosophische Hilfestellungen// 7. Folge, DIE ZEIT)) Meister Eckhart lehrte unter anderem die Achtsamkeit, wie sie auch in traditionellen östlichen Weisheitslehren wie dem Buddhismus tradiert werden. Der islamische Sufismus gibt ähnliche Anweisungen für den »Weg der Derwische«. Dabei wird der Wechsel in das Gegenwartsbewusstsein als Erleuchtungserfahrung bezeichnet. Plotin beschreibt diesen Zustand durch Selbsterkenntnis, Gegenwärtigkeit und das Loslassen von Wünschen und Zukunftsvorstellunge, als eine raum- und zeitlose Gleichzeitigkeit. ((Nach Wikipedia, Stichwort Zeit (Philosophie)))\\ 
 //»Du kannst nicht auf dem Pfad gehen, bevor Du nicht der Pfad geworden bist«,// sagt Gautama Buddha. Die Metaphern vom Pfad der Erleuchtung oder dem Weg der Vervollkommnung benutzen auffallend häufig das Bild der Reise. Tatsächlich kennen Reisende ähnliche innere Erfahrungen: Unterwegs verschwinden die Sorgen, das Gefühl für Zeitabläufe verändert sich, alles, was wir tun, bestimmen wir selbst, setzen unsere Ziele selbst, schließlich wird die Reise zum Selbstzweck … Ein solcher Zustand ist in der Psychologie als »Flow« bekannt ((''Csikszentmihalyi, Mihaly'' (1995): //Flow. Das Geheimnis des Glücks//)). Damit wird das lustbetonte Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit bezeichnet, als Zustand, in dem Aufmerksamkeit, Motivation und die Umgebung in einer Art produktiven Harmonie zusammentreffen (Wikipedia). Das vom heranwachsenden Kind erworbene Bewußtsein der Zeit »löst sich im Unterwegssein wieder auf … Insofern die Reisenden in der Lage sind, alles, was nicht Bewegung ist, zu vergessen, gehen sie in der charakteristischen Struktur des Reisens auf – die Bewegung reinigt, macht süchtig und wird zur Lust, zum Selbstzweck« ((''Eric Leed'': //Die Erfahrung der Ferne//. Campus 1993)).\\  //»Du kannst nicht auf dem Pfad gehen, bevor Du nicht der Pfad geworden bist«,// sagt Gautama Buddha. Die Metaphern vom Pfad der Erleuchtung oder dem Weg der Vervollkommnung benutzen auffallend häufig das Bild der Reise. Tatsächlich kennen Reisende ähnliche innere Erfahrungen: Unterwegs verschwinden die Sorgen, das Gefühl für Zeitabläufe verändert sich, alles, was wir tun, bestimmen wir selbst, setzen unsere Ziele selbst, schließlich wird die Reise zum Selbstzweck … Ein solcher Zustand ist in der Psychologie als »Flow« bekannt ((''Csikszentmihalyi, Mihaly'' (1995): //Flow. Das Geheimnis des Glücks//)). Damit wird das lustbetonte Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit bezeichnet, als Zustand, in dem Aufmerksamkeit, Motivation und die Umgebung in einer Art produktiven Harmonie zusammentreffen (Wikipedia). Das vom heranwachsenden Kind erworbene Bewußtsein der Zeit »löst sich im Unterwegssein wieder auf … Insofern die Reisenden in der Lage sind, alles, was nicht Bewegung ist, zu vergessen, gehen sie in der charakteristischen Struktur des Reisens auf – die Bewegung reinigt, macht süchtig und wird zur Lust, zum Selbstzweck« ((''Eric Leed'': //Die Erfahrung der Ferne//. Campus 1993)).\\ 
  
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 Dem Menschen, der dem inneren oder dem äußeren Weg folgt, ist jedoch nicht anzusehen, ob sein Weg ans Ziel führt: //»der gedankenlose Reisende und der in abstrakten Begriffssystemen lebende Gelehrte sind gleich unfähig, sich eine reiche Erfahrung zu erwerben.«//((''Rudolf Steiner'': //Die Philosophie der Freiheit. Die menschliche Individualität// S. 107 http://anthroposophy.com/Steinerwerke/GA4-6.html))\\  Dem Menschen, der dem inneren oder dem äußeren Weg folgt, ist jedoch nicht anzusehen, ob sein Weg ans Ziel führt: //»der gedankenlose Reisende und der in abstrakten Begriffssystemen lebende Gelehrte sind gleich unfähig, sich eine reiche Erfahrung zu erwerben.«//((''Rudolf Steiner'': //Die Philosophie der Freiheit. Die menschliche Individualität// S. 107 http://anthroposophy.com/Steinerwerke/GA4-6.html))\\ 
 In jedem Fall weg-führend ist jedoch der Moment des Aufbruchs, denn //»Wer nie geht – kehrt nie heim«// (''Heinz Rox-Schulz''). In jedem Fall weg-führend ist jedoch der Moment des Aufbruchs, denn //»Wer nie geht – kehrt nie heim«// (''Heinz Rox-Schulz'').
-==== Wir Globetrotter ==== +===== Anmerkungen und Quellen===== 
-In der Reihe //Wir Globetrotter// erschienen von Norbert Lüdtke: +<html> 
-|1|[[wiki:globetrotter|Reisen aus Leidenschaft]]|Trotter 122|2006| +<img src="https://vg07.met.vgwort.de/na/d15269de668a4a029ed9911072932f4b" width="1" height="1" alt=""> 
-|2|[[wiki:willywikimigration604|Sind wir nicht alle Touristen]]?| Trotter 123|2007| +</html>
-|3|[[wiki:handwerk|Was braucht der Globetrotter zum Reisen]]?|Trotter 124|2007| +
-|4|[[wiki:zeit_musse|Zeit fürs Reisen]]|Trotter 125|2007| +
-|5|[[wiki:freiheit|Von Freiheiten und solchen Reisen]]|Trotter 127|2007| +
-|6|[[wiki:staunen_fremdheit_neues_neugier|Die Fremdheit des Reisens]]|Trotter 130 & 131|2008| +
-==== Anmerkungen und Quellen ====+
  
wiki/zeit_musse.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/02 02:37 von norbert

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