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wiki:weltanschauung

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wiki:weltanschauung [2021/09/11 13:18] – [Lob & Tadel des Reisens] norbertwiki:weltanschauung [2023/07/26 04:10] – [Wie soll man in die Welt hineinschauen?] norbert
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 ==== Wie soll man in die Welt hineinschauen? ==== ==== Wie soll man in die Welt hineinschauen? ====
-Wie erschließt man sich die Welt und wie schaut man sie sich an? Es gibt keine **allgemeinen Handlungsanleitungen** mehr. Weder Wissenschaft noch Kirche noch Tradition weisen die Richtung. 1973 (London) startete der Dumont Verlag die Reiseführerreihe "Richtig Reisen", 2010 erschien der letzte Band (Ägypten). Selbst die Reiseführer wissen nicht mehr, wie man richtig reist.+Wie erschließt man sich die Welt und wie schaut man sie sich an? Soll man eher [[wiki:flaneur|Flaneur]] sein oder lieber doch [[wiki:kosmopolit|Kosmopolit]]? Es gibt keine **allgemeinen Handlungsanleitungen** mehr. Weder Wissenschaft noch Kirche noch Tradition weisen die Richtung. 1973 (London) startete der Dumont Verlag die Reiseführerreihe "Richtig Reisen", 2010 erschien der letzte Band (Ägypten). Selbst die Reiseführer wissen nicht mehr, wie man richtig reist.
   Die Erde hält gutwillig still, wenn die Reisenden über sie dahinklettern,    Die Erde hält gutwillig still, wenn die Reisenden über sie dahinklettern, 
   und es ist ihr gleichgültig, wie man sie anschaut.    und es ist ihr gleichgültig, wie man sie anschaut. 
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 So zerreißt ''Kurt Tucholsky'' in »[[https://www.textlog.de/tucholsky-naturauffassung.html|Über Naturauffassung]]« die Theorien des Schönen, die Erwartungshaltungen und die Beschreibungen von Reiseerfahrungen, die den Erwartungen nachhecheln: »Seit den Eisenbahnen ... Seit der Erfindung des Autos... jede Generation glaubt, nun sei es mit der Gemütlichkeit und mit der Naturbewunderung für allemal vorbei.« ((Über Naturauffassung, in: Kurt Tucholsky, Unter anderem in den Pyrenäen, 1927)) So zerreißt ''Kurt Tucholsky'' in »[[https://www.textlog.de/tucholsky-naturauffassung.html|Über Naturauffassung]]« die Theorien des Schönen, die Erwartungshaltungen und die Beschreibungen von Reiseerfahrungen, die den Erwartungen nachhecheln: »Seit den Eisenbahnen ... Seit der Erfindung des Autos... jede Generation glaubt, nun sei es mit der Gemütlichkeit und mit der Naturbewunderung für allemal vorbei.« ((Über Naturauffassung, in: Kurt Tucholsky, Unter anderem in den Pyrenäen, 1927))
  
-Das, was verloren ging - die gesellschaftlichen Zwänge - findet sich bewahrt in **[[wiki:liste_der_reise-sprichwoerter|Sprichwörtern]],** denn diese entstehen als bewährte Handlungsempfehlungen der Allgemeinheit ((''Karl Friedrich Wilhelm Wander''\\ //Deutsches Sprichwörterlexikon//\\ Brockhaus, Leipzig 1867–1880)): +Das, was verloren ging - die gesellschaftlichen Zwänge - findet sich bewahrt in **[[wiki:liste_reisesprichwoerter|Sprichwörtern]],** denn diese entstehen als bewährte Handlungsempfehlungen der Allgemeinheit ((''Karl Friedrich Wilhelm Wander''\\ //Deutsches Sprichwörterlexikon//\\ Brockhaus, Leipzig 1867–1880)): 
-//»Reisen wechselt das Gestirn, aber weder Kopf noch Hirn«,// weiß der Volksmund in zahlreichen Varianten seit der Antike ((''Seneca''\\ //[[wiki:peregrinus|Peregrinatio]] non facit medicum, non oratorem; nulla ars locodiscitur: quid ergo ...//)) und auch außerhalb Deutschlands (dänisch, italienisch, polnisch). Seit mindestens zweitausend Jahren schaut das sesshafte Volk also skeptisch auf die zurückgekehrten Vielgereisten. Während die Reisenden glauben ihr Weltverständnis vertieft zu haben, zweifelt  die Gemeinschaft an deren Integrationsbereitschaft:// »Viele kommen von Reisen zurück, das Gewissen beschwert, die Gesundheit verzehrt, die Sünden vermehrt, die Sitten verkehrt, das Herz bethört, ein Brocken dem Teufel beschert«.// Wessen Weltanschauung setzte sich wohl letztlich durch? Und wenn schon jemand sich die Welt anschauen will, so fordert das sesshafte Volk, dass er etwas Nützliches mitbringen soll: //»Wer will fern mit Nutzen raisen, der muss haben Falcken Augen, Esels Ohren, Schweinsrüssel, Eselsrücken und eines Hirschen Fuss.«// Von  Selbstverwirklichung unterwegs ist in den [[wiki:liste_der_reise-sprichwoerter|Sprichwörtern]] jedenfalls nicht die Rede, eher von Selbstbesinnung.+//»Reisen wechselt das Gestirn, aber weder Kopf noch Hirn«,// weiß der Volksmund in zahlreichen Varianten seit der Antike ((''Seneca''\\ //[[wiki:peregrinus|Peregrinatio]] non facit medicum, non oratorem; nulla ars locodiscitur: quid ergo ...//)) und auch außerhalb Deutschlands (dänisch, italienisch, polnisch). Seit mindestens zweitausend Jahren schaut das sesshafte Volk also skeptisch auf die zurückgekehrten Vielgereisten. Während die Reisenden glauben ihr Weltverständnis vertieft zu haben, zweifelt  die Gemeinschaft an deren Integrationsbereitschaft:// »Viele kommen von Reisen zurück, das Gewissen beschwert, die Gesundheit verzehrt, die Sünden vermehrt, die Sitten verkehrt, das Herz bethört, ein Brocken dem Teufel beschert«.// Wessen Weltanschauung setzte sich wohl letztlich durch? Und wenn schon jemand sich die Welt anschauen will, so fordert das sesshafte Volk, dass er etwas Nützliches mitbringen soll: //»Wer will fern mit Nutzen raisen, der muss haben Falcken Augen, Esels Ohren, Schweinsrüssel, Eselsrücken und eines Hirschen Fuss.«// Von  Selbstverwirklichung unterwegs ist in den [[wiki:liste_reisesprichwoerter|Sprichwörtern]] jedenfalls nicht die Rede, eher von Selbstbesinnung.
  
-In Richtung Selbstbesinnung sucht ''Ilja Trojanow'' seine Vorbilder für //[[https://trojanow.de/richtig-reisen/|richtiges Reisen]]// bei den Wandermönchen und meint: //»Reise ohne Gepäck, reise alleine, reise zu Fuß.«// Das ist sicher für das Individuum richtig. Aber kann man wollen, das dies zur Maßgabe für alle und jeden wird? Als kategorischer Imperativ ist diese Regel nicht alltagstauglich. Grundsätzlicher ist Trojanows Empfehlung, die //Fremde in Heimat zu verwandeln// und er zitiert:+In Richtung Selbstbesinnung sucht ''Ilja Trojanow'' seine Vorbilder für //[[https://trojanow.de/richtig-reisen/|richtiges Reisen]]// bei den [[wiki:wandermoench|Wandermönchen]] und meint: //»Reise ohne [[wiki:gepaeck|Gepäck]], reise alleine, [[wiki:fussreisen|reise zu Fuß]].«// Das ist sicher für manchen [[wiki:einzelne|Einzelnen]] zutreffend. Aber kann man wollen, das dies zur Maßgabe für alle und jeden wird? Als kategorischer Imperativ ist diese Regel nicht alltagstauglich. Grundsätzlicher ist Trojanows Empfehlung, die //[[wiki:fremdes|Fremde]] in Heimat zu verwandeln// und er zitiert:
   »Wer sein Heimatland liebt, ist noch ein zarter Anfänger;   »Wer sein Heimatland liebt, ist noch ein zarter Anfänger;
   derjenige, dem jeder Fleck Erde soviel gilt wie der,    derjenige, dem jeder Fleck Erde soviel gilt wie der, 
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   Hugo von St. Viktor, christlicher Theologe (um 1097-1141)   Hugo von St. Viktor, christlicher Theologe (um 1097-1141)
  
-Ebenso grundsätzliche Empfehlungen mit einer fremden Sicht auf die Welt bieten **[[wiki:liste_der_unuebersetzbaren_reiserelevanten_begriffe|unübersetzbare Worte]]** aus anderen Sprachen und Kulturen. Befragt man diese auf eine Sicht der Welt als Gegenpol zur Idee der Selbstverwirklichung, so bieten sich beispielsweise an:+Ebenso grundsätzliche Empfehlungen mit einer fremden Sicht auf die Welt bieten **[[wiki:liste_unuebersetzbarer_reisebegriffe|unübersetzbare Worte]]** aus anderen Sprachen und Kulturen. Befragt man diese auf eine Sicht der Welt als Gegenpol zur Idee der Selbstverwirklichung, so bieten sich beispielsweise an:
   * [[wiki:firgun|Firgun]], ein hebräischer Begriff mit jiddischen und deutschen Wurzeln für eine Lebensphilosophie, sich ehrlich und selbstlos zu freuen, wenn jemand anders sich freut; ganz so als wäre es die eigene *[[wiki:freude|Freude]], also ähnlich dem  [[wiki:mudita|Muditā]] (Sanskrit).   * [[wiki:firgun|Firgun]], ein hebräischer Begriff mit jiddischen und deutschen Wurzeln für eine Lebensphilosophie, sich ehrlich und selbstlos zu freuen, wenn jemand anders sich freut; ganz so als wäre es die eigene *[[wiki:freude|Freude]], also ähnlich dem  [[wiki:mudita|Muditā]] (Sanskrit).
   * [[wiki:yugen|Yugen]], ein japanischer Begriff, sucht die Schönheit im Erahnen des Nicht-Sichtbaren in der Ferne, in der Weite, im Dunst. In Yugen verbinden sich ein überwältigendes Gefühl für die Vollkommenheit des Universums mit einem Gefühl, wie unbedeutend man selber ist, etwa auf einer Bergspitze, am Meer, im Nebel des Waldes, in der Wüste. In diesem ästhetischen Formenkreis finden sich auch [[wiki:wabi-sabi|Wabi-sabi]] (japanisch) und [[wiki:bergtatt|Bergtatt]] (norwegisch).   * [[wiki:yugen|Yugen]], ein japanischer Begriff, sucht die Schönheit im Erahnen des Nicht-Sichtbaren in der Ferne, in der Weite, im Dunst. In Yugen verbinden sich ein überwältigendes Gefühl für die Vollkommenheit des Universums mit einem Gefühl, wie unbedeutend man selber ist, etwa auf einer Bergspitze, am Meer, im Nebel des Waldes, in der Wüste. In diesem ästhetischen Formenkreis finden sich auch [[wiki:wabi-sabi|Wabi-sabi]] (japanisch) und [[wiki:bergtatt|Bergtatt]] (norwegisch).
 +  * [[https://www.kulturglossar.de/html/k-begriffe.html#kosmovision|Cosmovisión]] ist eine umfassende Weltanschauung, die auf das Welterklärungskonzept der Maya zurückgeht.  
  
 Ein Reisen, das wesentlich der Selbstverwirklichung und -darstellung dient, bedarf einer ausgleichenden Kraft. Dies kann ein ästhetisches Prinzip sein, das dazu beiträgt, [[wiki:das_erleben_der_reise|das Erleben der Reise]] zu vertiefen. Voraussetzung ist jedoch die individuelle Bereitschaft sich der Welt zu öffnen. Dann ergibt sich die Gelegenheit, eine Welt zu erkennen, wie sie //auch// sein kann. Ein Reisen, das wesentlich der Selbstverwirklichung und -darstellung dient, bedarf einer ausgleichenden Kraft. Dies kann ein ästhetisches Prinzip sein, das dazu beiträgt, [[wiki:das_erleben_der_reise|das Erleben der Reise]] zu vertiefen. Voraussetzung ist jedoch die individuelle Bereitschaft sich der Welt zu öffnen. Dann ergibt sich die Gelegenheit, eine Welt zu erkennen, wie sie //auch// sein kann.
wiki/weltanschauung.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/19 06:35 von norbert

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