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wiki:welt

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wiki:welt [2019/04/21 09:39] norbertwiki:welt [2021/04/29 07:26] norbert
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 ====== Welt ====== ====== Welt ======
 +  »Wir leben in der besten aller denkbaren möglichen Welten«
 +  Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716)
 +  Essais de theodicée sur la bonté de Dieu,
 +  la liberté de l’homme, et l’origine du mal
 +  David Mortier, Amsterdam 1710
 +
 +  »Wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, 
 +  wie müssen dann erst die anderen sein«
 +  Voltaire (1694-1778)
 +  Candide, Cramer, Genf 1759
 +
 Egozentrisch und klein gesehen ist »Welt« Alles, was Nicht-Ich ist, also »Außen« im Gegensatz zu Innen: //»Ich bin meine Welt«,// sagt ''Ludwig Wittgenstein''. Egozentrisch und klein gesehen ist »Welt« Alles, was Nicht-Ich ist, also »Außen« im Gegensatz zu Innen: //»Ich bin meine Welt«,// sagt ''Ludwig Wittgenstein''.
  
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   * Das Universum als die Gesamtheit des Raumes   * Das Universum als die Gesamtheit des Raumes
  
-//Drittens// schaffen wir uns eine »Welt« in der Vorstellung, die durch Glaube und Phantasie geformt wird, eine [[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]. Damit ist ein gewisser Verlust an Sinn und Kommunikation unvermeidlich ((''Peter Handke''//Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt//Suhrkamp 1969)), aber die Sache funktioniert so lange, wie wir mit unserer Umwelt klarkommen; das //Stachelschweinprinzip// von ''Arthur Schopenhauer'' beschreibt das sehr anschaulich (([[http://www.zbk-online.de/texte/A0411.htm|Die Welt als Wille und Vorstellung]]. 1819))+//Drittens// schaffen wir uns eine »Welt« in der Vorstellung, die durch Glaube und Phantasie geformt wird, eine [[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]. Damit ist ein gewisser Verlust an Sinn und Kommunikation unvermeidlich ((''Peter Handke''\\ //Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt//\\  Suhrkamp 1969)), aber die Sache funktioniert so lange, wie wir mit unserer Umwelt klarkommen; das //Stachelschweinprinzip// von ''Arthur Schopenhauer'' beschreibt das sehr anschaulich (([[http://www.zbk-online.de/texte/A0411.htm|Die Welt als Wille und Vorstellung]]. 1819)). Neben die [[wiki:wahrnehmung|Wirklichkeit]] tritt damit die [[wiki:moeglichkeitssinn|Möglichkeit]], verbunden durch die Notwendigkeit. Das »Kripke«-Modell der Modallogik beschäftigt sich mathematisch mit dem Verhältnis möglicher und wirklicher Welten, benannt nach ''Saul Aaron Kripke''.
   James Cowand   James Cowand
   Der Traum des Kartenmachers.   Der Traum des Kartenmachers.
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 //Viertens// werden Welten gegliedert: //Viertens// werden Welten gegliedert:
   * nach oben und unten: alle Mythologien kennen eine Unterwelt   * nach oben und unten: alle Mythologien kennen eine Unterwelt
-  * ringsherum: die Antike ordnete die bewohnte Welt (oikumene) rund ums Mittelmeer (mare nostrum) ((Karlhans AbelZoneDas Problem der Biosphäre im geographischen Denken der Antike.Sonderdruck aus //Pauly's Realencylopädie der classischen Altertumswissenschaften// Supplementband XIV. Alfred Druckenmüller München 1974)):\\  Europa in Richtung Dunkelheit, Asia in Richtung Licht (»ex oriente lux«), Afrika in Richtung Hitze (»hic sunt leones«); begrenzt durch den * [[wiki:Atlantik|Atlantik]] im Westen. Die Phönizier reisten bis an die Grenzen der damals bekannten Welt. * [[wiki:Odysseus |Odysseus]] war der Held dieses Zeitalters.+  * ringsherum: die Antike ordnete die bewohnte Welt (oikumene) rund ums Mittelmeer (mare nostrum) ((''Karlhans Abel''\\ //Zone//\\ Das Problem der Biosphäre im geographischen Denken der Antike\\ Sonderdruck aus //Pauly's Realencylopädie der classischen Altertumswissenschaften// Supplementband XIV.\\  Alfred Druckenmüller München 1974)):\\  Europa in Richtung Dunkelheit, Asia in Richtung Licht (»ex oriente lux«), Afrika in Richtung Hitze (»hic sunt leones«); begrenzt durch den * [[wiki:Atlantik|Atlantik]] im Westen. Die Phönizier reisten bis an die Grenzen der damals bekannten Welt. * [[wiki:Odysseus |Odysseus]] war der Held dieses Zeitalters.
   * in der Neuzeit hat die »Alte Welt« eine »Neue Welt« entdeckt; Columbus wurde als * [[wiki:erforscher|Entdecker]] zum Paradigma.   * in der Neuzeit hat die »Alte Welt« eine »Neue Welt« entdeckt; Columbus wurde als * [[wiki:erforscher|Entdecker]] zum Paradigma.
 +  * Ökonomisch und politisch erscheint die * [[wiki:Dritte Welt|Dritte Welt]], die natürlich eine erste Welt und Zweite Welt voraussetzt, welche als Begriff jedoch selten verwendet werden.
  
   Holger Sonnabend   Holger Sonnabend
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   Frankfurt/M., 1985   Frankfurt/M., 1985
  
-//Fünftens// schließlich werden Welten konstruiert, mit Namen versehen und gezeichnet: es sind Weltkarten, die uns eine Vorstellung der Welt geben. Aber nicht alles, was die * [[wiki:Kartographie |Kartographie]] auf Papier bannte, existierte tatsächlich. Die Vorstellungen in unserer Welt verdichten sich so zu einem * [[wiki:Das Bild Afrikas|Bild Afrikas]], einem Bild von Amerika, einem Bild des Orients, einem Bild des Fernen Ostens usw. ((Tobias Gohlis, Christoph Hennig, Jürgen Kagelmann, Dieter Kramer, Hasso SpodeVoyageJahrbuch für Reise- & Tourismusforschung. Band 2 (1998) : Das Bild der FremdeKöln: Dumont. 16,5x24 cm: 200 S., Abb. )). Das Bild der Wirklichkeit auf der Basis der von den Wissenschaften geschaffenen Ergebnisse ermöglicht eine kosmopolitische Weltbewußtheit ((''Ernst Moser''//Weltbewußtheit.// Aristarch Chur 1980 432 S.)). +//Fünftens// schließlich werden Welten konstruiert, mit Namen versehen und gezeichnet: es sind Weltkarten, die uns eine Vorstellung der Welt geben. Aber nicht alles, was die * [[wiki:Kartographie |Kartographie]] auf Papier bannte, existierte tatsächlich. Die Vorstellungen in unserer Welt verdichten sich so zu einem * [[wiki:Das Bild Afrikas|Bild Afrikas]], einem Bild [[wiki:literatur_ueber_reisen_durch_sibirien|Sibiriens]], einem Bild von Amerika, einem Bild des Orients, einem Bild des Fernen Ostens usw. ((''Tobias Gohlis, Christoph Hennig, Jürgen Kagelmann, Dieter Kramer, Hasso Spode''\\ //Voyage//\\ Jahrbuch für Reise- & Tourismusforschung. Band 2: //Das Bild der Fremde//\\ Köln: Dumont 1998. 16,5x24 cm: 200 S. )). Das Bild der Wirklichkeit auf der Basis der von den Wissenschaften geschaffenen Ergebnisse ermöglicht eine kosmopolitische Weltbewußtheit ((''Ernst Moser''\\ //Weltbewußtheit//\\ Aristarch Chur 1980 432 S.)). 
  
 Den Themen Den Themen
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 //Sechstens// - als gäbe es nicht schon genug Welten, gibt es die Welten die unsere * [[wiki:phantasie|Phantasie]] zu ihrem Vergnügen konstruiert, fassen wir sie einmal unter dem Begriff * [[wiki:Erehwon|Erehwon]] zusammen, der rückwärts gelesen werden möchte. //Sechstens// - als gäbe es nicht schon genug Welten, gibt es die Welten die unsere * [[wiki:phantasie|Phantasie]] zu ihrem Vergnügen konstruiert, fassen wir sie einmal unter dem Begriff * [[wiki:Erehwon|Erehwon]] zusammen, der rückwärts gelesen werden möchte.
 ==== Wirklichkeiten ==== ==== Wirklichkeiten ====
-Über das, was »wirklich« existiert, lässt sich streiten. Individuelle Wirklichkeiten werden allgemein akzeptiert, wenn sie die allgemein anerkannten Wirklichkeiten nicht stören. Ihren nützlichen Wert finden sie im Probehandeln des * [[wiki:abenteuer|Abenteuers]] und im * [[wiki:erforscher|Erforschen]] des Unbekannten. Im Unterschied zur anerkannten Wirklichkeit, dem Wissen, ist ihre Grundlage der [[wiki:glaube|Glaube]].+Über das, was »wirklich« existiert, lässt sich streiten. Individuelle Wirklichkeiten werden allgemein akzeptiert, wenn sie die allgemein anerkannten Wirklichkeiten nicht stören. Ihren nützlichen Wert finden sie im Probehandeln des * [[wiki:abenteuer|Abenteuers]] und im * [[wiki:erforscher|Erforschen]] des Unbekannten. Im Unterschied zur anerkannten Wirklichkeit, dem [[wiki:wissen|Wissen]], ist ihre Grundlage der [[wiki:glaube|Glaube]] und der Wunsch nach [[wiki:illusionen|Illusionen]].
  
 ==== Wissen und Glauben ==== ==== Wissen und Glauben ====
-»Wissen« ist objektiv sicher und wirklich - zumindest innerhalb definierter Grenzen. Wissen beruht auf Fakten, die immer wieder gleichermaßen reproduzierbar und überprüfbar sind, also auf äußerer Erfahrung und Erkennnnis der Wirklichkeit. Dem gegenüber beruht »Glauben« auf innerer Erfahrung und Einsicht und führt zu Überzeugungen. Idealerweise ergänzen sich beide. Als Einstein formulierte //»Gott würfelt nicht!«// widersprach seine innere Überzeugung dem, was er selber wissenschaftlich als wahr erkannt hatte. +»[[wiki:wissen|Wissen]]« ist objektiv sicher und wirklich - zumindest innerhalb definierter Grenzen. Wissen beruht auf Fakten, die immer wieder gleichermaßen reproduzierbar und überprüfbar sind, also auf äußerer Erfahrung und Erkennnnis der Wirklichkeit. Dem gegenüber beruht »Glauben« auf innerer Erfahrung und Einsicht und führt zu Überzeugungen. Idealerweise ergänzen sich beide. Als Einstein formulierte //»Gott würfelt nicht!«// widersprach seine innere Überzeugung dem, was er selber wissenschaftlich als wahr erkannt hatte. 
  
 ==== Wahr ist, was nicht falsch ist ==== ==== Wahr ist, was nicht falsch ist ====
-Eine absolute »Wahrheit« gibt es für Menschen nicht. Als »Wahr« wird anerkannt, was nützlich ist und sich einfügt. Nützlich ist alles, was hilft, in der Welt zu überleben. Auch im Bereich der Theorie gibt es also ein »survival of the fittest«. Deren Richtigkeit zu beweisen (Verifikation) ist unmöglich. Stattdessen versucht man zu beweisen, dass sie falsch ist (Falsifikation). Solange sie nicht falsch ist, gilt sie als richtig. Dass die Erde keine Scheibe ist wurde erst dann falsch, als man zu den * [[wiki:grenze|Grenzen]] der Meere segelte, die [[wiki:weltreise|Welt umsegelte]].+Eine absolute »Wahrheit« gibt es für Menschen nicht. Als »Wahr« wird anerkannt, was nützlich ist und sich einfügt. Nützlich ist alles, was hilft, in der Welt zu überleben. Auch im Bereich der Theorie gibt es also ein »survival of the fittest«. Deren Richtigkeit zu beweisen (Verifikation) ist unmöglich. Stattdessen versucht man zu beweisen, dass sie falsch ist (Falsifikation). Solange sie nicht falsch ist, gilt sie als richtig. Dass die Erde eine Scheibe ist, ist durchaus vorstellbar. Das wurde erst dann falsch, als man zu den * [[wiki:grenze|Grenzen]] der Meere segelte, die [[wiki:weltreise|Welt umsegelte]]. 
  
 ==== Wahrnehmung durch Sinneskanäle ==== ==== Wahrnehmung durch Sinneskanäle ====
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 Und so haben * [[wiki:weltreise|Weltreisende]], die »die Welt gesehen haben«, auch Unverständnis und Misstrauen zu überwinden. Ihre Wahrheit entsteht im Zusammenspiel zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit und kann durchaus im Gegensatz zur Wahrheit stehen kann, wie sie daheim gesehen wird. Und so haben * [[wiki:weltreise|Weltreisende]], die »die Welt gesehen haben«, auch Unverständnis und Misstrauen zu überwinden. Ihre Wahrheit entsteht im Zusammenspiel zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit und kann durchaus im Gegensatz zur Wahrheit stehen kann, wie sie daheim gesehen wird.
  
-Bereits vor fast dreitausend Jahren ermahnt ''Homer'' den Reisenden nicht zu lügen: //»Aber verkündige mir und sage die lautere Wahrheit: Welche Länder bist du auf deinen Irren durchwandert? Und wie fandest du dort die Völker und die prächtigen Städte?«// ((Homer 8. Jh. v. Chr., Odyssee, VIII, 572-574))\\ +Bereits vor fast dreitausend Jahren ermahnt ''Homer'' den Reisenden nicht zu lügen: //»Aber verkündige mir und sage die lautere Wahrheit: Welche Länder bist du auf deinen Irren durchwandert? Und wie fandest du dort die Völker und die prächtigen Städte?«// ((''Homer'' 8. Jh. v. Chr., //Odyssee//, VIII, 572-574))\\ 
 Dem hält ''Jacques Arago'' (1790 - 1854) entgegen: //»Um diese Wahrheit richtig zu begreifen, müßten Sie wie ich gereist sein. Sie sind zu Hause geblieben? Oh! dann glauben Sie mir aufs Wort. Sie sind nicht fähig, mich zu widerlegen. Was ich von Ihnen verlange? Daß Ihr lässiger Geist gewohnt ist zu gewähren. Haben Sie nicht jeden Kampf mit der Überlegung untersagt! Reisen ist Denken, und Sie verlassen Ihren Lehnstuhl nicht.«// Dem hält ''Jacques Arago'' (1790 - 1854) entgegen: //»Um diese Wahrheit richtig zu begreifen, müßten Sie wie ich gereist sein. Sie sind zu Hause geblieben? Oh! dann glauben Sie mir aufs Wort. Sie sind nicht fähig, mich zu widerlegen. Was ich von Ihnen verlange? Daß Ihr lässiger Geist gewohnt ist zu gewähren. Haben Sie nicht jeden Kampf mit der Überlegung untersagt! Reisen ist Denken, und Sie verlassen Ihren Lehnstuhl nicht.«//
-''Immanuel Kant'', der bekanntermaßen außer zu Spaziergängen nicht aus Königsberg heraus kam, sah das anders: //»eine solche Stadt, wie etwa Königsberg am Pregelflusse, kann schon für einen schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntniß als auch der Weltkenntniß genommen werden, wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann«// ((Anthropologie in pragmatischer Hinsicht S. 120))+''Immanuel Kant'', der bekanntermaßen außer zu Spaziergängen nicht aus Königsberg heraus kam, sah das anders: //»eine solche Stadt, wie etwa Königsberg am Pregelflusse, kann schon für einen schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntniß als auch der Weltkenntniß genommen werden, wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann«// ((//Anthropologie in pragmatischer Hinsicht// S. 120))
 ''Voltaire'' (1694-1778) teilte Homers Skepsis und sah den Reisenden zumindest taktisch im Vorteil: //»Wer von weither kommt, hat leicht lügen.«//  ''Voltaire'' (1694-1778) teilte Homers Skepsis und sah den Reisenden zumindest taktisch im Vorteil: //»Wer von weither kommt, hat leicht lügen.«// 
  
-Dass Reisende und Nicht-Reisende in zwei Welten leben, weiß aber schon das [[wiki:sprichwoerter|Sprichwort]]: //»Das ist nicht wahr, sagte der Krebs, als die Schwalbe von ihrer Reise erzählte.«// (( ''Karl Friedrich Wilhelm Wander'' //Deutsches Sprichwörterlexikon//\\ Brockhaus, Leipzig 1867–1880\\ IV S. 1744)) Unter Ethnologen ist der »writing-culture« Effekt bekannt: Es ist unmöglich, die bei der »teilnehmenden Beobachtung« erlebte Wahrheit schriftstellerisch unverändert wiederzugeben; Fremdes wird konstruiert, denn Texte sind immer auch fiktiv.+Dass Reisende und Nicht-Reisende in zwei Welten leben, weiß aber schon das [[wiki:sprichwoerter|Sprichwort]]: //»Das ist nicht wahr, sagte der Krebs, als die Schwalbe von ihrer Reise erzählte.«// (( ''Karl Friedrich Wilhelm Wander''\\ //Deutsches Sprichwörterlexikon//\\ Brockhaus, Leipzig 1867–1880\\ IV S. 1744)) Unter Ethnologen ist der //»writing-culture« Effekt// bekannt: Es ist unmöglich, die bei der »teilnehmenden Beobachtung« erlebte Wahrheit schriftstellerisch unverändert wiederzugeben; Fremdes wird konstruiert, denn Texte sind immer auch fiktiv.
   Peter Braun, Manfred Weinberg (Hrsg.)   Peter Braun, Manfred Weinberg (Hrsg.)
   Ethno/Graphie. Reiseformen des Wissens   Ethno/Graphie. Reiseformen des Wissens
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 Und ist neues Wissen immer auch wertvoll? ''Henry de Montherlant'' (1896-1972) zweifelt daran: //»Man glaubt zu gewinnen, weil man an Breite gewinnt, und man verliert es an Tiefe. Man kehrt zurück, aufgeblasen von einem elenden Halbwissen, das schlimmer ist als Unwissenheit, da es Nichtvorhandenes vortäuscht.«//  Und ist neues Wissen immer auch wertvoll? ''Henry de Montherlant'' (1896-1972) zweifelt daran: //»Man glaubt zu gewinnen, weil man an Breite gewinnt, und man verliert es an Tiefe. Man kehrt zurück, aufgeblasen von einem elenden Halbwissen, das schlimmer ist als Unwissenheit, da es Nichtvorhandenes vortäuscht.«// 
-Einen weiteren Nachteil sieht ''Max Dauthendey'' (1867-1918) im »Gefängnis der Wirklichkeit«, denn //»Sobald du dich in späteren Tagen an den bereisten Ort im Geist zurückversetzt, kommst du nicht über die Grenzen der ehemaligen wirklichen Tage hinaus. Du siehst jenen Ort immer wieder ... Du bist verdammt, ihn ewig genauso zu sehen, wie er sich dir auf der Reise gezeigt hat. Dies ist der Fluch, der die Seele des Reisenden belastet. Die Flügel der Geistigkeit werden ihm von der Wirklichkeit beschnitten.«// ((Himalajafinsternis. Novelle, erschienen in: Geschichten aus den vier Winden, Albert Langen München 1915 S. 41–76))+Einen weiteren Nachteil sieht ''Max Dauthendey'' (1867-1918) im »Gefängnis der Wirklichkeit«, denn //»Sobald du dich in späteren Tagen an den bereisten Ort im Geist zurückversetzt, kommst du nicht über die Grenzen der ehemaligen wirklichen Tage hinaus. Du siehst jenen Ort immer wieder ... Du bist verdammt, ihn ewig genauso zu sehen, wie er sich dir auf der Reise gezeigt hat. Dies ist der Fluch, der die Seele des Reisenden belastet. Die Flügel der Geistigkeit werden ihm von der Wirklichkeit beschnitten.«// ((//Himalajafinsternis//. Novelle, erschienen in: Geschichten aus den vier Winden, Albert Langen München 1915 S. 41–76))
  
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 Der in der Gliederung kaum erkennbare Ansatz wird durch die bildhaften »Blickfänger« viel leichter verständlich, denn sie zeigen deutlich, in welchen Situationen sich Touristen und Einheimische begegnen, etwa als Konsumenten und Produzenten. Der einseitige tourismuskritische Ansatz wird durch Texte und Bilder relativiert. Reisende und Bereiste, Touristen und Dienstleister, touristische Quell- und Zielländer – solche Zuordnungen sind weder so einseitig noch so dauerhaft, wie dies tourismuskritische Modelle früher darstellten. //»Fenster zur Parallelwelt möchte durch die Konfrontation mit anderen, ungewohnten Perspektiven neue Einblicke und Ausblicke auf die komplizierten Beziehungen … ermöglichen … oder als Spiegelungen einen Blick zurück auf die eigene Bilderwelt über die Fremde werfen.«// Der in der Gliederung kaum erkennbare Ansatz wird durch die bildhaften »Blickfänger« viel leichter verständlich, denn sie zeigen deutlich, in welchen Situationen sich Touristen und Einheimische begegnen, etwa als Konsumenten und Produzenten. Der einseitige tourismuskritische Ansatz wird durch Texte und Bilder relativiert. Reisende und Bereiste, Touristen und Dienstleister, touristische Quell- und Zielländer – solche Zuordnungen sind weder so einseitig noch so dauerhaft, wie dies tourismuskritische Modelle früher darstellten. //»Fenster zur Parallelwelt möchte durch die Konfrontation mit anderen, ungewohnten Perspektiven neue Einblicke und Ausblicke auf die komplizierten Beziehungen … ermöglichen … oder als Spiegelungen einen Blick zurück auf die eigene Bilderwelt über die Fremde werfen.«//
  
-Unbestritten ist ja, daß die einen (Touristen) in eine Urlaubswelt flüchten, von der sie ein völlig falsches Bild haben und dafür bezahlen, dass dieses falsche Bild während des Urlaubs heil bleibt. Ebenso unbestritten ist, daß die anderen (Migranten) in eine Wirtschaftswelt flüchten, von der sie ein ebenso falsches Bild haben, dass sie sich ebenfalls nicht kaputt machen lassen. Beide suchen in der Fremde etwas, das sie in der Heimat nicht haben. Manche vollbringen das Kunststück, in beiden Welten zu leben. Schlaglichtartige Einsichten in diese Verhältnisse zeigt das Buch. +Unbestritten ist ja, daß die einen (Touristen) in eine Urlaubswelt flüchten, von der sie ein völlig falsches Bild haben und dafür bezahlen, dass dieses falsche Bild während des Urlaubs heil bleibt. Ebenso unbestritten ist, daß die anderen (Migranten) in eine Wirtschaftswelt flüchten, von der sie ein ebenso falsches Bild haben, dass sie sich ebenfalls nicht kaputt machen lassen. Beide suchen in der Fremde etwas, das sie in der Heimat nicht haben. Manche vollbringen das Kunststück, in beiden Welten zu leben. Schlaglichtartige Einsichten in diese Verhältnisse zeigt das Buch. Angenehm ist das lockere Layout trotz des ernsten Themas. Weniger locker ist der sprachliche Ausdruck einer vermutlich ideologischen Haltung, der sich in den Wortschöpfungen// »ReisendeR, TouristInnen und DienstleisterInnen«// wiederholt zeigt.
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-Angenehm ist das lockere Layout trotz des ernsten Themas. Weniger locker ist der sprachliche Ausdruck einer vermutlich ideologischen Haltung, der sich in den Wortschöpfungen// »ReisendeR, TouristInnen und DienstleisterInnen«// wiederholt zeigt.+
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-==== Literatur ==== +  Alexander von Humboldt 
-  Hennig, Richard [1874-1951 +  KosmosEntwurf einer physischen Weltbeschreibung 
-  Terrae incognitae +  5 Bde., Stuttgart 1845-1851  
-  Eine Zusammenstellung und kritische Bewertung der wichtigsten vorcolumbischen Entdeckungsreisen an Hand der darüber vorliegenden Originalberichte +  
-  Leiden : E.J. Brill, 1944-1956 +
-  Band 1: Altertum bis Ptolemäus +
-  7 AbbXII462 Seiten, Namen-Reg. +
-  Band 2: 200 bis 1200 n. Chr. +
-  12 Abb. XII, 524 S., Namen-Reg. +
-  Band 3: 1200 bis 1415 n. Chr. +
-  14 Tafeln X, 389 S., Namen-Reg. +
-  Band 4: 1416 bis 1489 n. Chr. +
-  10 Abb. X, 549 S., Namen-Reg. +
-  Schrifttum-Verzeichnis für Band I-IV S.  [445]-534. +
- +
-  Sophus Ruge, fortgesetzt von Walter Ruge und Konrad Kretschmer +
-  Die Litteratur zur Geschichte der Erdkunde vom Mittelalter an +
-  1895 bis 1926 in: Geographisches Jahrbuch +
-  Nachdruck: Georg Olms Hildesheim 1980, 300 S. +
- +
-  Raimund Schulz +
-  Abenteurer der Ferne. Die großen Entdeckungsfahrten und das Weltwissen der Antike +
-  Stuttgart: Klett-Cotta 2016 +
-  2. Aufl. 2016, 615 S., zahlreiche Karten +
- +
-  Duane W. Roller +
-  Ancient Geography. The Discovery of the World in Classical Greece and Rome +
-  London 2015 +
- +
-  Max Cary, Eric H. Warmington +
-  The Ancient Explorers +
-  London 1929 +
- +
-  Reinhold Bichler +
-  An den Grenzen zur Phantastik +
-  Antike Fahrtenberichte und ihre Beglaubigungsstrategien +
-  in: Nicola Hömke / Manuel Baumbach (Hrsg.): +
-  Fremde Wirklichkeiten. Literarische Phantastik und antike Literatur +
-  Heidelberg 2006   +
   Wolfgang Zank   Wolfgang Zank
   Von Globus an sich zum Globus für sich   Von Globus an sich zum Globus für sich
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   In: Pinkert, Ernst-Ulrich (Hg.): Die Globalisierung im Spiegel der Reiseliteratur   In: Pinkert, Ernst-Ulrich (Hg.): Die Globalisierung im Spiegel der Reiseliteratur
   München: Text und Kontext 2000. S. 15-26   München: Text und Kontext 2000. S. 15-26
 +  
 +  Ian Morris
 +  Beute, Ernte, Öl
 +  Wie Energiequellen Gesellschaften formen
 +  Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
 +  Deutsche Verlags-Anstalt, München 2020, 432 S.
  
 <html><img src="https://vg09.met.vgwort.de/na/42903f1b941047658861bfe1fe3f61ed" width="1" height="1" alt=""> </html> <html><img src="https://vg09.met.vgwort.de/na/42903f1b941047658861bfe1fe3f61ed" width="1" height="1" alt=""> </html>
wiki/welt.txt · Zuletzt geändert: 2023/09/26 08:21 von norbert

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