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WEIRD

Initialabkürzung für »Western, Educated, Industrialized, Rich and Democratic«, eingeführt von Joseph Henrich et.al. in einem Aufsatz 2010 1).

Darin begründen die Autoren eine generelle Kritik an den Verhaltenswissenschaften (behavioral sciences) 2). Dort werden Thesen überprüft, indem sie an Probandengruppen getestet werden. Henrich kritisiert nun, dass diese Probanden (die meist aus demselben Studienfach stammen oder zumindest aus dem universitären Umfeld) nur eine kleine Bevölkerungsgruppe repräsentieren. Die Ergebnisse würden jedoch auf die Bevölkerungsmehrheit übertragen. Das führe zu Verzerrungen.

Diese Verzerrungen betreffen zunächst einzelne Studien mehr oder weniger. Da das zugrundelegende Verfahren jedoch seit Jahrzehnten weitgehend unhinterfragt praktiziert wird, stellt sich die Frage inwieweit die Theorien der Verhaltenswissenschaften überhaupt dadurch geprägt wurden. Die Frage ist brisant und aktuell eingedenk der Diskussion über Sprechverbote, political correctness, Genderfragen, Moralisierung der Wissenschaft.

Henrich deutet zudem an, dass diese Verfahrenskritik ja noch größere Wellen schlagen könnte. Zu prüfen wäre etwa:

  • Sind Studienergebnisse von einer WEIRD-People an der Harvard-University übertragbar auf die US-amerikanische Bevölkerung?
  • Selbst wenn das einigermaßen verzerrungsfrei übertragbar wäre, sind diese Ergebnisse übertragbar auf die (west-, ost-, süd)europäische Bevölkerung?
  • Entspricht das Verhalten der chinesischen Bevölkerung dieser WEIRD-Gruppe in Harvard?
  • Und wie verhält es sich mit der Übertragbarkeit auf die Etoro, ein Volk in Neu-Guinea?

Solche Überlegungen führen letztlich zur Frage: Universalismus oder Relativismus? Welche Wertvorstellungen gelten universell? Auch dies ist eine aktuell brennende Frage, etwa wenn Staaten die Regierungsform der Demokratie in Russland, Ungarn, den USA oder Großbritannien sehr unterschiedlich auslegen oder gar grundsätzlich ablehnen (China).

Der Ethnologe Clifford Geertz vertritt einen radikalien Relativismus 3). Natur und Wissen entstünden lokal und müssten sich lokal bewähren. Zweifelsohne erwüchse daraus überall »Kultur«, doch sei diese »fluid«, ein sich ständig veränderndes Gewebe. Daher könne es auch keinen Universalismus geben wie etwa »die« Menschenrechte oder »die« Demokratie.

In Deutschland beschäftigt sich der Ethnologe Christoph Antweiler 4) intensiv mit den Themen:

  • Gesellschaftliche Naturverhältnisse (politische Ökologie)
  • Regionale Identität
  • Lokales Wissen
  • Universalien (pankulturelle Kulturmuster)
  • Kosmopolitismus
  • Kulturelle Evolution (langfristiger Kulturwandel)
1)
J. Henrich, S. Heine, A. Norenzayan: The Weirdest People in the World? In: Behavioral and Brain Sciences Band 33, 2010, S. 61–135
2)
z.B. Wirtschaftswissenschaften, Psychologie, Kommunikationswissenschaften, Sozialwissenschaften, Anthropologie
3)
Clifford Geertz: Welt in Stücken. Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts. Übersetzt von Herwig Engelmann, Passagen, Wien, 2. Aufl. 2007, ISBN 978-3-85165-785-2
4)
Was ist den Menschen gemeinsam? Über Kultur und Kulturen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007 (2., erweiterte und überarbeitete Auflage 2009)
Heimat Mensch. Was uns alle verbindet. Murmann Verlag, Hamburg 2009
Mensch und Weltkultur. Für einen realistischen Kosmopolitismus im Zeitalter der Globalisierung. Transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1634-7
wiki/weird.1574746077.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/12/07 15:23 (Externe Bearbeitung)

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