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wiki:wanderpoeten

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Wanderpoeten

Hier verwendet als Sammelbegriff für wandernde Textkünstler, idealtypisch überhöht:

  • Erzähler (griechisch rhapsodos), die Überlieferungen, Tradiertes, Erzählungen als `oral history´ textgenau bewahrten, erkennbar am Stab (griechisch rhapdos), der das Rederecht symbolisiert;
  • Dichter (griechisch poiētḗs), also Textschmiede von Geschichten, die aktuelle Ereignisse und Personen einbanden, lobend oder schmähend wie etwa Homer;
  • Sänger (griechisch aoidós), die ein Instrument benutzen wie etwa die Harfe oder Leier, und damit Texte und Töne verbanden wie etwa Orpheus.

Diese drei Eigenschaften werden in den ältesten Quellen zwar unterschieden, jedoch nicht eineindeutig derselben Person zugewiesen. So mag je nach Fähigkeiten, Situation und Funktion ein Wanderpoet von einer Rolle in die andere gewechselt haben; Michaela Esser nennt sie Wortprofessionisten.

nur selten nicht präzise von ein und derselben Person in unterschiedlichen Situationen wahrgenommen wurden Äußerlich waren Rhapsoden zu erkennen an ihrem Stab, dem ῥάβδος, und an einem ausdrucksvollen Auftritt in eleganter Kleidung. Umstritten ist, ob Homer ein Rhapsode war. Sie trugen ihre Texte auswendig vor, ohne musikalische Begleitung, also stand der Stab im sichtbaren Mittelpunkt, war dynamisches Werkzeug. Inhaltlich griffen die Rhapsoden zurück auf und verknüpften diese zu einer Gesamterzählung, so dass man von einem Stehgreifvortrag sprechen kann, gleichzeitig zitierend und dichtend und unterschieden sich darin von Poeten () und Sängern .

die in ältesten Zeiten nicht nur das kulturelle Gedächtnis der Gemeinschaft bewahrten und verbreiteten, sondern dieses auch mit den spirituellen Vorstellungen verbanden, denn in allen frühen Geschichten ist das Handeln der Menschen mit den Göttern eng verwoben:

  • griechische Rhapsoden und der Mythos von Orpheus;
  • keltische Barden ‘praise-maker’ im Unterschied zu Druiden und Seher (vātes) 1)
  • norwegische Skalden
  • englische scop
  • indische kuśīlavas, sūtas, māgadhas und der Mythos der drei Ribhus (Sanskrit: ऋभु, ṛbhu).
  • vedisch k rú, ein wandernder Lobsänger und singender Priester

Solche Wanderpoeten brachten `Kunde´, verbreiteten also Nachrichten ähnlich wie Boten oder Herolde, waren jedoch im Unterschied zu diesen nicht im Auftrag eines Herrn ausgesandt. Der griechische Herold Keryx ist erkennbar an seinem Stab Kerykeion, und der Keryx war ursprünglich ein Opferpriester, mykenisch ka-ru-ke 2).

Ihr Wissen über die Vergangenheit, über die Mythen, über das Land und die Menschen erlaubten tiefere Einsichten, gründlichere Urteile und differenzierte Wertungen, also Fähigkeiten von `Sehern´ oder `Seherinnen´.

Zusammen mit der Fähigkeit, ihre Kenntnisse zu verbreiten wurden sie vordergründig zu Rezitatoren, Barden, Dichtern, Troubadore, Sängern, indem sie Heldenepos, Ruhmeslieder, Hymnen, Lobgesänge schmiedeten, aber auch Spottlieder, Schmähreden und Satiren.

Damit waren sie jedoch sowohl darauf angewiesen, als Gast aufgenommen zu werden als auch auf das Wohlwollen des Publikums: »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«. Die Suche nach einem Patron als »Sponsor« zieht sich durch die griechischen Erzählungen und spätestens die höfischen Poeten dienten der Propaganda.


  • Essler, Michaela
    Zauber, Magie und Hexerei
    Eine etymologische und wortgeschichtliche Untersuchung sprachlicher Ausdrücke des Sinnbezirks Zauber und Magie in indogermanischen Sprachen.
    283 S., Diss. Universität Münster 2017
    Abschnitt 7.3: Priester, Seher, Dichter - die Wortprofessionisten.
    Ergebnis: Zum Sinnbereich Zauber und Magie gehören die jeweils ambivalenten Begriffsfelder heilen & vergiften, binden und bannen sowie sprechen, schreien & singen. Damit ergeben sich Bedeutungsüberschneidungen zu Wanderpoeten und Seherinnen. Schwächer ausgeprägt erscheinen weitere Begriffsfelder um angreifen & unrein & Übeltat. Diese erscheinen eher bivalent: Zum einen geht schlechter Zauber von anderen Gruppen aus (die Anderen, die Fremden?), zum anderen ist der Missbrauch der Zauberei innerhalb der eigenen Gruppe gemeint.
  • Hunter, Richard; Ian Rutherford
    Wandering Poets in Ancient Greek Culture.
    Travel, Locality and Pan-Hellenism.
    Cambridge 2011: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511576133.
  • Larsson, S.; af Edholm, K. (eds.)
    Songs on the Road.
    Wandering Religious Poets in India, Tibet, and Japan.
    Stockholm 2021: Stockholm University Press. DOI: https://doi.org/10.16993/bbi
  • Maier, Bernhard
    Die Religion der Kelten
    Götter, Mythen, Weltbild.
    München: Beck, 2001. Kapitel Kultpersonal, S. 153-164
1)
Strabo, Geogr. Buch IV
2)
idg. gʷer(ə)-4 ` `die Stimme erheben', bes. `loben, preisen, willkommen heißen', aber auch `schelten; jammern'´ : Loblied, Preislied, Lobgesang, ai. jaritár- `Anrufer, Sänger, Preiser', davon abgeleitet auch lat. gratia, air. bard `Barde´ s. Pokorny, die Zusammenhänge sind sehr ausführlich beshrieben in Essler: Zauber, Magie und Hexerei s.u.
wiki/wanderpoeten.1629517588.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/08/21 03:46 von norbert

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