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wiki:wandern

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 ====== Wandern ====== ====== Wandern ======
-//Bummeln// und //[[wiki:flaneur|flanieren]]// betonen das sich-verlieren ohne auf die [[wiki:zeit_musse|Zeit]] zu achten; doch unterscheiden sie sich durch Stil und Haltung. Allerdings ist es eine eigenartige Vorstellung, man könne in der Einsamkeit bummeln und flanieren, also benötigen beide das //sehen-und-gesehen-werden// als Teil einer Menge, von der sie sich absetzen können, teils durch Lässigkeit oder Überheblichkeit oder Nachdenklichkeit, teils durch offensichtliche Expressivität mittels Einkaufstaschen, Spazierstock oder Pfeife. Das alte Wort //lustwandeln// verbindet beide sprachlich mit dem Wanderer. 
  
-Doch teilen [[wiki:spaziergang|Spaziergänger]] und Wanderer mit beiden nur die Art der Fortbewegungunterscheiden sich aber von ihnen sichtbar durch das eher robuste Schuhwerk, Regenschutz und andere Notwendigkeiten in einem kleinen [[wiki:rucksack|Rucksack]], den man sich auf dem Rücken eines Flaneurs nun wirklich nicht vorstellen möchte.+`Wandern´ findet sich im Deutschen, Englischen und Altfriesischen (wondrian) und bleibt eher selten nachweisbar. Möglicherweise wurzelt es im Altnordischen //vǫndr// ((vandar, dat. vendi/vǫnd; vendir, acc. vǫndu/vendi)) für ‘Stange, Want, Mast’. //Vǫnd// ist Adjektiv zu //vandr// ‘schwierig’, //vǫndr// bedeutet ‘Zauberstab, Veränderer’. Im Altnordischen wird //vǫnsuðr // mit Wanderer übersetztbildlich für `Der Schwingende´ (([[https://skaldic.abdn.ac.uk/m.php?p=wordtextlp&i=308687|Þul Veðra 1 III/1]])).
  
-Wenn der Spaziergang sprichwörtlich des [[wiki:musse|Müssiggangs]] Bruder ist, dann ist das Wandern mit dem [[wiki:marsch|Marsch]] verbrüdert und wird bei tagelanger Ausübung zum [[wiki:trekking|Trekking]]. Sportmediziner definieren Wandern über eine Schrittgeschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde - das dürfte jedoch eher die Ausnahme als die Regel sein und ist mit Gepäck untrainiert kaum machbar.+Ursprünglich bedeutete `wandern´ ganz sachlich `einen geraden Weg zurücklegen´ mit einer schwachen Nebenbedeutung von `verändern´ im Sinne von `wandeln´ und `wenden´, vielleicht also an die Erfahrung des Gehens hinter dem Pflug zwischen den //Gewänden// der Ackerfläche sich anlehnend so wie auch die `[[wiki:fahrt|Fahrt´]] an das Gehen in der //Furche// angelehnt ist, jedoch früh übertragen wird auf das Unterwegs-sein außerhalb der Gemeinschaft durch die [[wiki:wildnis|Wildnis]]. Das Verdrängen der Wildnis und das Wachsen der Städte mit der überregionalen Infrastruktur ermöglichte neue Bedeutungsinhalte für `wandern´: 
 +  * Wandern im Sinne von [[wiki:fussreisen|Fussreisen]] erscheint erst sinnvoll, wenn das Reiten mit dem [[wiki:nutztiere|Pferd]], das Reisen mit der [[wiki:kutschen|Kutsche]] oder mit dem [[wiki:zeitleiste_gelaendewagen|Automobil]] als mögliche Alternative gegenübersteht und das Reisen zu Fuß kultiviert werden kann. 
 +  * Wandern im Sinne eines romantischen Durchstreifens der Natur wird so erst etwa seit dem [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 17. Jahrhundert|17. Jahrhundert]] verstanden. 
 +  * Das Wandern wird durch die spiritutelle Ausrichtung zum [[wiki:pilger|Pilgern]], militärisch zum [[wiki:marsch|Marsch]] und bei als tagelanger Sport zum neudeutschen [[wiki:trekking|Trekking]]. 
 +  * Sportmediziner definieren Wandern über eine Schrittgeschwindigkeit von sechs Kilometern pro Stunde - das dürfte jedoch eher die Ausnahme als die Regel sein und ist mit [[wiki:gepaeck|Gepäck]] untrainiert kaum machbar
 +  * Das Wandern wird als [[wiki:spaziergang|Spaziergang]] sprichwörtlich des [[wiki:musse|Müssiggangs]] Bruder und reduziert den Marsch zum Schlendern. 
 +  * Das alte Wort //lustwandeln// verwandelt das //Wandern// zum //Bummeln// und //[[wiki:flaneur|Flanieren]]//. Beide betonen das sich-verlieren ohne auf die [[wiki:zeit_musse|Zeit]] zu achten, doch unterscheiden sie sich durch Stil und Haltung. Allerdings ist es kaum vorstellbar, in der [[wiki:waldeinsamkeit|Einsamkeit]] zu bummeln und zu flanieren. Beide benötigen beide das //sehen-und-gesehen-werden// als Teil einer Menge, von der sie sich absetzen können, teils durch Lässigkeit oder Überheblichkeit oder Nachdenklichkeit, teils durch offensichtliche Expressivität mittels Einkaufstasche, Sonnenschirm, Spazierstock oder Pfeife. 
 +  * Gepäckformen wie [[wiki:felleisen|Felleisen]], [[wiki:berliner|Berliner]], [[wiki:tornister|Tornister]], [[wiki:ranzen|Ranzen]], [[wiki:mantelsack|Mantelsack]] oder [[wiki:rucksack|Rucksack]] wurden zeittypisch über ihre Notwendigkeit hinaus zum kennzeichnenden Merkmal von [[wiki:stereotyp|Stereotypen]] und Gruppen; dabei wandelte sich beispielsweise der Rucksack vom Attribut des Wanderers in den letzten Dekaden zum modischen Accessoire und auch der Bergschuh ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr. 
 +  * [[wiki:stab|Stockformen]] sind dagegen bis heute kennzeichnend, etwa als [[wiki:pilgerstab|Pilgerstab]], als Knotenstock für Wandergesellen, als Ziegenhainer für Studenten, als Spazierstock, als Teleskopstock, als plakettenbeschlagener Wanderstock usw.
  
-Wandern im Sinne des romantischen Durchstreifens der Natur wird so erst etwa seit dem [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 17. Jahrhundert|17. Jahrhundert]] verstanden; zuvor bedeutete es ziemlich sachlich `einen geraden Weg zurücklegen´ mit einer schwachen Nebenbedeutung von `verändern´ im Sinne von `wandeln´ und `wenden´, vielleicht also ursprünglich das Gehen hinter dem Pflug bezeichnend zwischen den »Gewänden« der Ackerfläche so wie auch das Gehen in der Furche als `[[wiki:fahrt|Fahrt´]] bezeichnet wurde. +  * ''Ernst Barlach'' //Wanderer im  Wind//, 1927\\ Kohle auf Papier, 63,8×48 cm 
- +  ''Ernst Barlach'' //Ruhender Wanderer//, 1910\\ Gips, getönt, 18×50× 15 cm Berlin, Nationalgalerie 
-Das Wort ist nur im Deutschen, Englischen und Altfriesischen (wondrian) und eher selten nachweisbar. +  * [[https://de.wikipedia.org/wiki/I_Ging#/media/Datei:Iching-hexagram-56.svg|I-Ging-Zeichen]] 56: Der Wanderer 旅 lǚ 
-Möglicherweise wurzelt es im Altnordischen //vǫndr// ((vandar, dat. vendi/vǫnd; vendir, acc. vǫndu/vendi)) für ‘Stange, Want, Mast’. //Vǫnd// ist Adjektiv zu //vandr// ‘schwierig’, //vǫndr// bedeutet ‘Zauberstab, Veränderer’. Im Altnordischen wird //vǫnsuðr // mit Wanderer übersetzt, bildlich für `Der Schwingende´ (([[https://skaldic.abdn.ac.uk/m.php?p=wordtextlp&i=308687|Þul Veðra 1 III/1]])). +  * Alessandra Riva Die Figur des Wanderers bei Peter Härtling [[http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2005/2564/|Online]]
- +
-  ''Ernst Barlach'' //Wanderer im  Wind//, 1927 (Kohle auf Papier, 63,8×48 cm +
-  ''Ernst Barlach'' //Ruhender Wanderer//, 1910 (Gips, getönt, 18×50× 15 cm Berlin, Nationalgalerie+
  
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wiki/wandern.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/23 10:16 von norbert

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