====== Road Movie ====== zuletzt geändert: --- //[[wiki:luedtke_norbert|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]] 2019/02/08 08:19// Das Road Movie ist im Reigen der drei populären Ausdrucksformen mit [[wiki:road_novel|Road Novel]] und [[wiki:road_music|Road Music]] die jüngste; //Collins Dictionary// kennt den [[wiki:begriff|Begriff]] erst ab 1984, während die //New York Times// seit 1952 `Road´ Movie mit Anführungsstrichen schreibt, z.B. am 13.05.1952 //Bing Crosby planning new `Road´ Movie//. In den 1970er Jahren wurde der Begriff von ''Wim Wenders'' systematisch und international verwendet. Er ließ am 13.07.1976 die Firma //Road Movies// ins Handelsregister eintragen, nachdem er seine Road-Movie-Trilogie abgedreht hatte: 1974 //Alice in den Städten//, 1975 //Falsche Bewegung//, 1976 //Im Laufe der Zeit//. ((Bei mehreren Filmen arbeitet er in dieser Zeit mit Peter Handke zusammen, der auf dem Feld der Road Novels zuhause ist: Der Himmel über Berlin, Die Angst des Tormannes beim Elfmeter.)) //Easy Rider// 1969 mit ''Peter Fonda, Dennis Hopper, Jack Nicholson'' gilt weithin als Idealtyp des Genre, ebenso die Werke von Wenders. Viele Road Movies leben vom [[wiki:Motive des Reisens|Motiv]] des motorisierten //[[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Seins]]//. 1954 spiegelt //The Wild One// mit ''Marlon Brando'' den neuen Typ des Protagonisten, in den 1960er Jahren sind es die Hells Angels mit //Die wilden Engel// von ''Roger Corman'', das Konzert der //Rolling Stones// in Altamont mit den Hells Angels als Ordnern. Die dabei eingesetzte Road Music wie etwa //Born to be wild// von //Steppenwolf// bestimmten das Lebensgefühl einer Generation. ===== Merkmale des Road Movies ===== Nicht nur Filmemacher, auch Publikum und Feuilleton waren sich schnell einig, dass es Road Movies gab - aber bis heute gibt es keinen Konsens darüber, wie sich ein Film eindeutig als Road Movie kategorisieren ließe. Nachfolgend werden Road Movies aus der Perspektive von Reisenden betrachtet, ein eher seltener Blickwinkel. Die cineastische Kritik an vielen Road Movies kann aus dieser Perspektive oft nicht geteilt werden. Gerade die Unvollkommenheit - fehlendes Drehbuch, kaum Schnitte, Improvisation, Laienschauspieler, Ziellosigkeit - entsprechen der Reise mehr als ein »All-Inclusive«-Produkt: »Der wahre Reisende weiß nicht, wohin die Reise geht, der wahre Abenteurer weiß nicht, was er erleben wird. Seine Reisen führen ihn nicht eher in eine Richtung als in eine andere. Seine Neugierde ist nicht auf einen bestimmten Punkt gerichtet.« Chuang-tzu, ca. 365-286 v. Chr. Aber das Road Movie zeigt nicht den Urlaub mit dem [[wiki:tourist|Touristen]], sondern beginnt erst, wenn etwas Unvorhersehbares in den Urlaub einbricht und den Touristen aus seiner Rolle wirft. Dasselbe gilt jedoch auch für andere Reiseformen, denn ein Road Movie ist keine Reisedokumentation sondern zeigt das Leben im [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]], bei dem sich jemand abstrampelt wie der Frosch in der Sahne. Road Movies zeigen Dystopien, keine [[wiki:utopie|Utopien]]. ==== Äußerlichkeiten ==== * **[[wiki:strasse|Straßen]]** erscheint auf den ersten Blick als wesentlich. Aber kann ein Road Movie nicht auch in der [[wiki:wildnis|Wildnis]] spielen (//Into the Wild// 2007), auf dem Meer (//Waterworld// 1995) oder einem Fluss (//Fitzcarraldo// 1982)?\\ Und sind Filme, deren Handlung wesentlich in einer Reisepause abläuft, kein Road Movie: in einem liegengebliebenen Bus, in einem Motel, in einem Wüstenstädtchen, auf einer Insel? * **[[wiki:kraftfahrzeuge|Fahrzeuge]]** Erstaunlich oft ist die Art des Fahrzeugs nebensächlich. Motorräder, Trucks und Rennboliden werden meist nur wichtig, wenn es um ebensolche Themen und Gruppen geht: Trucker, Rocker, Rennfahrer. Der Protagonist sitzt nicht immer am Lenkrad (//Wheels of Terror// 1990) und ist des Öfteren zu Fuß unterwegs: //Tramp// 1915, //Rasmus und der Vagabund// 1957, //Koktebel// 2003? * **Das Tempo** in Road Movies lässt sich gut steigern, wenn es um Flucht oder Verfolgung geht, insbesondere bei Thrillern und Komödien. Aber sind nicht die langsamen Filme, die dem Zuschauer Raum geben und Zeit lassen nicht das essentiellere Road Movie: //Paris, Texas// (1984), //Rain Man// (1988), //The Straight Story// (1999), //Nebraska// 2013? * Die **Figuren-Konstellation** greift erstaunlich oft zurück auf Buddys wie in //Thelma & Louise// (1991), Teams, Ehepaare (//Sugarland Express// 1974), Familien (//Little Miss Sunshine// 2006) und sogar Gruppen (//The Wild One// 1954). Der Einzelgänger als Protagonist ist im typischen Road Movie selten, er wird häufiger in Thrillern und Dystopien wie in //Mad Max// 1979. Dass diese vier Elemente als Öberflächenmerkmale nicht genügen ein Road Movie zu konstituieren, ist offensichtlich. Oder wird ein Film - etwa über einen teilnahmslosen Lkw-Fahrer, der von der Kamera begleitet wird - zum Road Movie, weil Straße und Fahrzeug präsent sind?\\ Muss nicht vielmehr mindestens **ein fünftes Element** der Tiefe hinzutreten, das erklären kann, weshalb Road Movies Zuschauer berühren können, die [[wiki:sehnsucht|Sehnsucht]] wecken, Reisende ansprechen und insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche häufiger entstehen? ==== Der Protagonist und seine gesellschaftliche Rolle ==== Hier wird davon ausgegangen, dass das Verhältnis zwischen der **gesellschaftlichen Rolle** der Protagonisten und deren **[[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]]** wesensbestimmend für das Genre ist. Dann lassen sich drei verschiedene Ausgangssituationen erkennen: ==== 1. Exclusion: Verlust der bürgerlichen Rolle ==== Mancherlei Anstöße oder Geschicke, lebensaltertypische Wandlungen oder gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass der Protagonist sich verloren fühlt, nicht zugehörig oder ausgeworfen; ein inneres oder äußeres Ereignis zerstört seine gewohnten Bindungen, so dass seine bisherige Rolle in der Familie, Gruppe, Gesellschaft nicht mehr funktioniert. Die Protagonisten werden aus der Bahn geworfen, sehen ihr Leben in Frage gestellt und suchen die Antwort unterwegs, mehr oder weniger unter Druck. * Das Erwachsenwerden nach der Ausbildung ist beängstigend:\\ //American Graffiti// 1973, //Tschick// 2016\\ * Den oder die Richtige fürs Leben zu finden kann schwierig werden:\\ //It Happened One Night// 1934 * Scheidung oder eine unglückliche Ehe, Kündigung oder berufliche Erfolglosigkeit:\\ //Ariel// 1988, //Sideways// 2004, //Broken Flower// 2005 * Tod des Partners oder dessen Verschwinden:\\ //Alice Doesn't Live Here Anymore// 1974, //The Vanishing// 1993 * eine Krankheit oder Behinderung:\\ //Rain Man// 1988, //Forrest Gump// 1994, //Der englische Patient// 1996 * unvorhergesehene Folgen einer freien Entscheidung:\\ //Alice in den Städten// 1974 * eine Obsession:\\ //Aguirre, der Zorn Gottes// 1974, //Fitzcarraldo// 1982, //[[wiki:Zugvögel|Zugvögel]]. Einmal nach Inari// 1997 * Überdruss an der Routine:\\ //Im Inneren des Wals// 1984 * Verwicklungen als Außenstehender in Verbrechen, Furcht vor der Polizei:\\ //Zabriskie Point// 1970 * das Schicksal lässt arrivierte Menschen asozial und zu Verfolgten werden:\\ //Badlands// 1973, //Thelma & Louise 1991// * das Böse bricht ins Leben ein, etwa weil der mitgenommene Anhalter ein Mörder ist:\\ //The Hitch-Hiker// 1953, //Roadgames// 1981, //Kalifornia// 1993, //Duel// 1971, //Wheels of Terror// 1990 === 1.X Die Letzte Reise === ** »Was wirst Du tun, wenn die Uhr fast abgelaufen ist?«** Den nahen Tod erwartend stellt sich die große Frage, vor der alles andere klein wird:\\ * //Stand by me. Das Geheimnis eines Sommers// 1986; * //Breaking the Rules// 1992; * //Knockin' on Heaven's Door// 1997; * //Almost Heaven. Ein Cowgirl auf Jamaika// 2005; * //One Week. Das Abenteuer seines Lebens// 2008; * //Dein Weg// 2010; * //Sightseers// 2012; * //Hin und Weg// 2014 ==== 2. Sub- oder Randkulturen: Außerhalb unter Seinesgleichen ==== Der Protagonist dieser Gruppen hat den ersten Schritt bereits hinter sich gebracht. Nun ist er zwar kein "ordentliches" Mitglied der Mainstream-Gesellschaft mehr, hat jedoch formal nur eine Rolle durch eine andere ersetzt. Auch diese lässt sich in Frage stellen, denn jeder Gewinn des Rollenwechsels geht auch mit Verlust einher. Der alternde Trucker, der entlassene Kriminelle, der Krieger ohne Krieg - wie nimmt die bürgerliche Gesellschaft jemanden wieder auf (The Lucky Ones 2008)? Solche Gruppen unterscheiden sich zwar von der Gesellschaft, sind jedoch durch sie bedingt, abgegrenzt durch einen eigenen Moralkodex, mit gruppenspezifischem Wissen und eigenem [[wiki:jargon|Jargon]], das den Protagonisten Vorteile gegenüber dem bürgerlichen Leben verschafft:\\ * **[[wiki:fernfahrer|Trucker]]:** \\ //They Drive by Night// 1940, //Convoy// 1978, //Trucker// 1978 * **Rocker**:\\ //The Wild One// 1954, //Scorpio Rising// 1964, //Die wilden Engel// 1966, //Hell's Angels on Wheels// 1967 * **Krieger**:\\ //Die glorreichen Sieben// 1960, //Kagemusha – Der Schatten des Kriegers // 1980, //Shogun// 1980, //Last Samurai// 2003, //The Lucky Ones// 2008 * **Verbrecher**:\\ //The Getaway// 1972, //Apocalypse Now// 1979, //Down by Law // 1986, //Midnight Run// 1988, //The Chase// 1994, //Blood Diamond// 2006 === 2.X Fahrendes Volk === * **Boheme, Künstler, Drag Queens**:\\ //La Strada// 1954, //Blues Brothers// 1980, //On the Road// 2012 * **[[wiki:vagabund|Vagabunden]], [[wiki:tramp|Tramps]], [[wiki:landfahrer|Landfahrer]]**\\ ''Charly Chaplins'' //Tramp// von 1915, der einen bekannten [[wiki:stereotyp|Stereotyp]] des [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 19. Jahrhundert|19. Jahrhunderts]] stilisiert und als Antihelden überhöht. //Robert und Bertram// 1915, //Der Vagabund// 1930, //Sullivan‘s Travels// 1941; //Emperor of the North Pole// 1973 Boyer, Jay: Superfluous people. Tramps in early motion pictures. In: Beyond the stars: Stock characters in American popular film. Ed. by Paul Loukides and Linda K. Fuller. Bowling Green, Ohio: Bowling Green State University Press 1990, pp. 79-89. Oberhuber, Florian, 2012, Das Ende des Vagabunden. In: Johanna Rolshofen, Maria Maierhofer (Hg): Das Figurativ der Vagabondage. Bielefeld 2012. ==== 3. Survival: Aus eigener Kraft überleben ==== Eine dritte Gruppe von Protagonisten kann nicht aus der Gesellschaft herausfallen, weil es eine solche nicht gibt; hier überwiegt der Einzelgänger. Deren Ausgesetztheit ergibt sich aus der Umgebung: * Alleine in der Wildnis, Überleben in der Natur:\\ //[[wiki:robinson-situation|Robinsonaden]]//, //Sturz ins Leere// 2003, //Into the Wild// 2007 * In Krieg & Gefangenschaft:\\ //So weit die Füße tragen// 1959, //Sieben Jahre in Tibet// 1997, //Der Soldat James Ryan// 1998 * Alleine in einer Dystopie:\\ //Mad Max// 1979, //Waterworld// 1995 * Alleine im Raumschiff:\\ //2001 Odyssee im Weltraum// === 3.X Isoliert mit Anderen === Eine Sondergruppe mit Elementen der anderen Gruppen erscheint zwar disparat, aber nicht grundverschieden. Menschen, die als Teil einer Gruppe unterwegs sind, geraten in eine Situation, in der sie auf sich alleine gestellt sind. Isoliert von der Gesellschaft, entfällt der Druck durch Konformität und Ordnungsgewalt, es entsteht etwas Neues. Zunächst individuell, weil unter dem Druck jede Persönlichkeit aufbricht; dann in der Gruppe, weil Normen formuliert, akzeptiert und kontrolliert, Sanktionen vereinbart und umgesetzt werden müssen. Triebe, Macht, survival of the fittest - im Road Movie findet sich dies, wenn der Bus im Nirgendwo zusammenbricht; bei der Notlandung eines Flugzeuges; bei Gestrandeten; eingeschneit in einer Hütte usw. - es entstehen »Schicksalsgemeinschaften« wie \\ * //Die Blaue Lagune// 1923, 1949, 1980, 2012, * //The Wayward Bus// 1957, * //Herr der Fliegen// 1963, * //The Beach// 2000, * //Thalassa Thalassa - Rückkehr zum Meer// 1994 ==== Stufen des Road Movie-Charakters ==== Über die unterschiedlichen Situationen und Protagonisten lassen sich die Road Movies kategorisieren: **Solche der ersten Kategorie (Verlust der Bürgerlichkeit)** gehen von einer Alltäglichkeit aus, die jeder kennt. Die Anstöße und Anlässe, die die bürgerliche Rolle bedrohen sind zwar nicht alltäglich, jedoch jederzeit möglich, vorstellbar und damit bedrohlich. Zum Road Movie wird die Handlung durch den Konflikt des Protagonisten, dieses ihm zugefallene [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]] als Ausweg anzunehmen, die Veränderung als einzige Konstante zu wählen.\\ Die entscheidende Kraft, die diesen Schritt ermöglicht, setzt sich aus //push- und pull-Faktoren// zusammen. Der äußere //push// reicht vom leichten Anstoß bis zum gewaltsamen Auswurf und ist sichtbar. Das innere //pull// dagegen hängt von der Verfassung des Protagonisten ab, von seinen Einstellungen, Wünschen, Hoffnungen, Ängsten, Leidenschaften und kann nur geahnt werden. Die push-Faktoren sind vielfältig und erlauben dem Road Movie unterschiedlichste Rahmenhandlungen. Die Ausgangsspannung steigt, wenn die pull-Fatoren viel geringer sind als die push-Faktoren, damit wird die Ausgeworfenheit deutlich. Road Movies, die den Protagonisten im [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Sein]] zeigen, ohne den Anlass offenzulegen, verzichten auf diesen Spannungsbogen.\\ Nur selten ist dieser Protagonist unterwegs allein, meist gibt es eine Konstellation zwischen Buddy und Großfamilie. **Protagonisten der zweiten Kategorie** kennt jeder, doch sind sie aufgrund ihrer Randständigkeit nicht Teil des Alltags und nicht vertraut, sondern mehr oder weniger fremd. Solche Randgruppen sind toleriert, bleiben auf Distanz und erscheinen näher kommend als bedrohlich. Zum Kodex dieser Gruppen gehört, dass zwar jeder Protagonist alleine fähig ist zu bestehen, dass jedoch die Gruppe unterstützend eingreift, wenn sie sich als solche gefährdet fühlt.\\ Der Zuschauer kann zunächst Zuschauer bleiben. Berührt wird er erst, wenn seine geheimen Wünsche und Hoffnungen angesprochen werden, wenn die Lust auf Freiheit und Veränderung spürbar wird, die im Alltag nur als kleine Fluchten, im Urlaub oder im Karneval zulässig ist. Die verdrängte Schattenseite wird mächtiger, sucht ein Ventil. Der Ausbruch ist jedoch ohne [[wiki:risiko|Risiko]] nicht zu machen.\\ Dennoch geht von diesen Gruppen ein verbotener Reiz aus. Dieser ist jedoch zeittypisch geprägt. So schaffte es des Fahrende Volk von Anfang an nicht in das neue Medium des Films. Der Vagabund wurde als Protagonist des [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-Seins]] spätestens in den dreißiger Jahren unpopulär, der Cowboy hatte sich in den Vierziger Jahren überlebt, stattdessen gewannen Trucker und zeitweise Rocker an Attraktivität. Von **Protagonisten der dritten Kategorie** schließlich hat man gehört, kennt sie aber nicht persönlich. Bergsteiger, Abenteurer, Astronauten stehen für ein Leben, das mit dem eigenen rein gar nichts zu tun hat. Die Distanz ist groß, die Betroffenheit gering, Authentizität ist möglich (//Sturz ins Leere//), aber für den »Normalo« ebenso entfernt wie die Fiktion eines //Mad Max//. Hier finden sich die Einzelgänger: alleine und auf sich gestellt. Für sie gilt, was Zarathustra zum Seiltänzer sagte (( ''Friedrich Nietzsche'': //Also sprach Zarathustra.// Vorrede 6 )) »du hast aus der Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist nichts zu verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zugrunde: dafür will ich dich mit meinen Händen begraben.« Die Kategorie 1 versammelt Road Movies im engsten Sinne. Wie weit (Kat. 2 und 3) und wie tief (1x, 2x, 3x) man das Genre verstehen möchte, kann diskutiert werden. ===== Innenwelt und Außenwelt des Protagonisten ===== ==== Sisyphos als Wesenskern ==== Der Protagonist hat nur zwei Optionen: Er kann sich an die Situation ausliefern und aufgeben und erlebt eine Tragödie als Opfer. Oder er nimmt sein Geschick an und fällt aus seiner Rolle. Dann lässt er zu, dass seine Glaubensvorstellungen, Werte, Beziehungen, Regeln in Frage gestellt werden. Die Muster und Bahnen seiner Innenwelt werden gedehnt und neu gezogen, damit sie der veränderten Außenwelt genügen. Dabei ist er kein Heros wie Herakles, kein [[wiki:held|Held]] wie Odysseus, kein [[wiki:ritter|Ritter]] wie Parzival und nicht einmal ein [[wiki:abenteuer|Abenteurer]]. Während der [[wiki:abenteuer|Abenteurer]] nach einem erfolgreichen Abschluss seiner [[wiki:fahrt|Fahrt]] und der erfolgreichen Rückkehr strebt, ist sich der Protagonist des Road Movie im [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-//Sein//]] genug. Er wird als Sisyphos zum **Held des Absurden** ((''Albert Camus'': //Der Mythos des Sisyphos, 1942//)), zum **Eroberer des Nutzlosen** ((//Fitzcarraldo// von ''Wim Wenders'' 1982)), zum **Übermensch** als Antwort auf den Tod Gottes ((''Friedrich Nietzsche'': //Also sprach Zaratusthra//, 1883 - 85)), dem niemand helfen kann außer ihm selbst, der die Sinnlosigkeit seines Tuns erkennt und dennoch nicht aufgibt. Das ist ein Thema der Postmoderne und von Umbruchzeiten. Der Ritter von der traurigen Gestalt, ''Cervantes'' //Don Quixote// von 1615, wäre heute eine Gestalt des Road Movie. ==== Ziellosigkeit als Wesenszug ==== Konstituierend für Road Movies ist die Ziellosigkeit der Protagonisten im Unterschied zu denjenigen anderer Genres: der Abenteurer findet den Gral; Liebende finden einander; der Arm des Gesetzes ergreift im Krimi den Täter. Im Road Movie besteht das wesentliche Ziel darin, unterwegs zu sein. Stehen hier und da Ziele am Beginn des Films, so verblassen und schwinden sie im Laufe der Handlung. Es ist nicht wichtig, etwas zu erreichen, vielmehr ist es wichtig, etwas dafür zu tun. **Nachdenklichkeit**, **Langsamkeit** und **Stille** sind adäquate Kennzeichen dieser Situation. // »Through the infinite reaches of spaces the problems of man seem trivial and naive indeed. And man, existing alone, seems himself an episode of little consequence. That’s all.«// (//Rebels without a cause// 1955).\\ Die einzige Erfüllung, die ein Road Movie zu bieten hat, ist der **Tod**: * //Bonnie & Clyde// 1967 * //Easy Rider// 1969 * //Zabriskie Point// 1970 * //Vanishing Point// 1971 * //Badlands// 1973 * //Honkytonk Man// 1982 * //Thelma & Louise// 1991 * //Almost Heaven// 2005 * //Blood Diamond// 2006 * //Into the Wild// 2007 Häufig kann man sich fragen, wer denn der Protagonist des Films ist, denn die zentrale Rolle fällt häufig mehreren zu: Buddies, Familienmitgliedern, Gegenspielern. Da jeder von ihnen für eine Rolle steht, betrifft der Tod nicht unbedingt die Hauptrolle. Da die Rollen jedoch einander bedingen, verändert jeder Tod auch die Rolle der anderen. ==== Die unendliche Fahrt ==== Das Merkmal der Ziellosigkeit verbindet sich mit der unabsehbaren Dauer der Reise und dem offenen Ende in der literarisch bekannten Figur der »unendlichen [[wiki:fahrt|Fahrt]]« als [[wiki:liste_reisemetaphern|Metapher]] für die Lebensreise. Mehr dazu siehe [[wiki:der_ewige_wanderer|Der ewige Wanderer]]. ==== Der Protagonist als Nicht-Reisender ==== Ein Road Movie enthält sowohl äußerliche als auch wesentliche Merkmale der Reise als Quest, als [[wiki:suche|Suche]]. Daher werden Reisende durch Road Movies angesprochen; sie kennen Vergleichbares und finden Ähnlichkeiten zu ihren Reise-Erfahrungen. Selbstbestimmt Reisende - nicht Urlauber, sondern Suchende etwa im Sinne von [[wiki:globetrotter|Globetrottern]] - begeben sich ja freiwillig diese Form des Unterwegs-Seins. Sie fühlen sich darin zuhause, die Situation ist ihnen vertraut, derart zu reisen entspricht ihrer Kompetenz. Absurderweise können die glaubhaftesten Protagonisten von Road Movies jedoch keine Reisenden sein, da dies dem oben dargestellten Wesen (in Kategorie 1) widerspräche. Die meisten der oben aufgeführten Anstöße werfen Reisende nicht aus der Bahn. Sie können kaum ausgeworfen werden und kommen daher auch nicht in den Konflikt, das Unterwegs-Sein anzunehmen oder nicht. Die Protagonisten einiger Road Movies sind zwar Urlauber, die durch äußere Einwirkungen aus ihrer Urlaubssituation geworfen werden, jedoch ist dieser Urlaub eine gesellschaftlich akzeptierte Reiseform im Unterschied zum »Reisen« der Globetrotter, Abenteurer, Weltenbummler, Vagabunden. ==== Unterwegs-Sein als »Stretching« der Persönlichkeit ==== Die sichtbare [[wiki:fahrt|Fahrt]] mit der sich ständig verändernden Kulisse ([[wiki:strasse|Straße]] und [[wiki:landschaft|Landschaft]]) ist nur ein Schatten der sich verändernden inneren [[wiki:welt|Welt]], um die es im Road Movie eigentlich geht. Wie ein [[wiki:reisende|Reisender]] befindet sich der Protagonist in einem »Stretching-Zustand« bei dem mentale Einstellungen und [[wiki:glaube|Glauben]]svorstellungen erweitert werden müssen. Nichts bleibt, wie es war und nichts ist, wie es scheint. Ideale lösen sich auf, [[wiki:wahrnehmung|Wirklichkeit]] wird relativ. Damit dieser **Konflikt zwischen Innenwelt und Außenwelt** dem Zuschauer sichtbar vermittelt werden kann, werden drei dramaturgische Mittel eingesetzt: * [[wiki:landschaft|Landschaft]] und [[wiki:strasse|Straße]] als sich verändernde Kulisse. * [[wiki:fahrzeugart|Fahrzeuge]], die einerseits das Tempo des Films bestimmen. Andererseits erzeugen sie eine zweite Innenwelt im Fahrzeug als sichtbaren Handlungsraum. Je größer das Fahrzeug, desto mehr verlagert sich die Handlung von der Straße ins Innere, fokussiert den Blick des Zuschauers mit der Kamera dorthin. * [[wiki:road_music|Road Music]], die als erzählendes Mittel das Nicht-Gesagte und Nicht-Sichtbare ersetzt und die Gefühle anspricht, wobei sie sich in der Rezeption häufig untrennbar mit dem Film verbindet:\\ //Apocalypse Now//, //Easy Rider//, //Convoy//, //Honkeytonk Man//. ==== Schichten der Wirklichkeit ==== Ein Road Movie lässt sich nur über das Wesen des Protagonisten definieren, also über das Nicht-Gesagte und Nicht-Gezeigte. Sein Unterwegs-Sein ist ein Mittel, aus sich heraus eine neue Welt mit neuen Möglichkeiten zu entdecken. Das Rätselhafte mancher Road Movies entspricht dem Zustand des Protagonisten, denn eindeutig ist nur der //Aufbruch//, wie ihn ''Franz Kafka'' beschreibt:\\ »Wohin reitet der Herr?« »Ich weiß es nicht«, sagte ich, »nur weg von hier, nur weg von hier. Immerfort weg von hier, nur so kann ich mein Ziel erreichen.« »Du kennst also dein Ziel«, fragte er. »Ja«, antwortete ich, »ich sagte es doch: ›Weg-von-hier‹ – das ist mein Ziel.« ... Es ist ja zum Glück eine wahrhaft ungeheure Reise.« Der Versuch, die [[wiki:motive_des_reisens|Motive]] zu erfassen und das Ende des Films zu benennen, scheitert oft daran, dass es viele Motive und Enden gibt je nachdem, wen man als Protagonisten betrachtet. Ziellosigkeit und [[wiki:offenheit|Offenheit]] führen ja dazu, dass Gut und Böse verschwimmen, so dass der anfangs bürgerliche Protagonist, Mitreisende und Begegnende allesamt einander verändern. ===== Road Movies und andere Genres ===== ==== Road Movies und Western ==== Das Genre des Road Movie lässt sich als zeitgemäße Fortführung des **Western** betrachten. Der //»lonesome Cowboy«// verabschiedet sich mit den Worten //»Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss«,// schwingt sich auf sein Pferd und reitet in den Sonnenuntergang, einem unbekannten Ziel entgegen. Der einsame Wolf, der harte Mann und sein Pferd waren jedoch irgendwann aus der Zeit gefallen. In //Stagecoach// (1939) von ''John Ford'' wäre die [[wiki:Postkutsche|Postkutsche]] bereits eine Andeutung der Bedeutung von Fahrzeugen im aufkommenden Road Movie. 1955 stehen in //Rebels without a cause// Jim Stark (''James Dean'') und Buzz Gunderson (''Corey Allen'') am Abgrund. Gleich werden sie mit ihren Autos darauf zurasen: Jim: //»Why do we do this?«,// Buzz: //»You gotta do something ... now, don’t you?«// ==== Road Movies zwischen Dokumentation und Fantasy ==== //»Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, und niemand wird bezweifeln, daß er seine Daseinsberechtigung hat, dann muß es auch etwas geben, das man [[wiki:moeglichkeitssinn|Möglichkeitssinn]] nennen kann.«// schreibt ''Robert Musil'' in //Mann ohne Eigenschaften//, Kapitel 4. Der Protagonist des Road Movie bricht auf, weil seine Wirklichkeit an Grenzen gelangt ist und er daher neue Möglichkeiten erkunden muss. Da er diese vorher nicht kennen kann, handelt er ziellos und tastet sich voran. Für den Film bedeutet das, mehrere Wirklichkeiten zuzulassen, den Zweifel der Eindeutigkeit vorzuziehen, offene Fragen nicht zu beantworten. **Mehrdeutigkeit** (engl. »Ambiguity«) ist ein Kennzeichen des Road Movie. Dokumentationen wollen das Gegenteil, sie erhellen, schließen aus, fokussieren, beantworten Fragen - bilden also einen Pol, den ein Road Movie nicht erreichen sollte. Am anderen Pol steht die Fantasy jenseits des Möglichen und Wirklichen. Auf der Skala dazwischen finden sich Road Movies, Thriller, Krimis, Abenteuer. Im Unterschied zu Letzteren wird der »McGuffin«, der als Spannungskern für Hitchcock wesentlich und handlungsleitend ist, im Road Movie bedeutungslos. Mit ihm verschwinden auch vorgebliche Ziele und der Sinn des Handelns. Insbesondere europäische Filme geben dieser Ambiguität Raum: sie sind handlungsärmer, langsamer, leiser als amerikanische Road Movies. Der Protagonist des Road Movie will ja nichts erreichen, sein Handeln ist beliebig und richtig, sofern es neue Möglichkeiten öffnet. Der »McGuffin« wird im Road Movie durch **das Authentische** ersetzt. Daher gehören beispielsweise Laiendarsteller (//In This World// 2002) zum Road Movie, Avatare nicht. Zweifel dürfen bestehen, jedoch müssen die Möglichkeiten auch erreichbar sein, nicht phantastisch. In Richtung des [[wiki:liste_phantasieorte|phantastischen Pols]] öffnen sich zwar neue Möglichkeiten, sie werden jedoch zunehmend unwirklicher und unerreichbarer. Eine Science Fiction spielt immerhin noch mit einem künftig Möglichen. In der dystopischen Zukunft existiert die vertraute Gesellschaft nicht mehr, so dass aus der Asche etwas völlig Neues entstehen könnte. In dieser Situation kämpft der ausgeworfene Protagonist - hier meist als [[wiki:einzelne|Einzelner]] - nicht nur um sein Überleben, sondern auch um das Überleben seiner Werte:\\ (//Mad Max// 1979, //The Highlander// 1986, //Waterworld// 1995). Der [[wiki:moeglichkeitssinn|Möglichkeitssinn]] des Protagonisten wird sich jedoch spätestens den Vampiren des Horrorfilms ebenso verweigern wie dem Fantasy-Film. Wer kann sich schon mit dem Riesenfaultier ''Sid'' und ''Manfred'' dem Mammut in //Ice Age// identifizieren und wessen Sehnsüchte und Ängste soll dieser Film berühren? ==== Das Ende des Road Movies ==== Der Protagonist des Road Movie hat letztendlich drei Möglichkeiten, die wiederum ambivalent sind: * Er findet seinen Platz in der Gesellschaft, weil er die anderen unterwegs gefundenen Möglichkeiten ablehnt.\\ Das bietet (a) die Möglichkeit eines Happy Ends - neuer Beruf, neue Frau, Erfolg; (b) könnte es eine neue Runde im //Rat Race// einleiten; (c ) entfalten sich mit der unterwegs entdecketen neuen Persönlichkeit auch neue Wege im Gewohnten (Wild at Heart 1990). * Er findet seinen Platz außerhalb der Gesellschaft, weil er neue Seiten in sich entdeckt hat, die nun höher bewertet als die alten.\\ Das entspricht dem Tod des Selbst, kann aber auch einen physischen Tod bedeuten. * Er bleibt mit offenem Ende im Unterwegs-Sein.\\ Das kann selbstbestimmt sein oder gefangen in der Unendlichen Fahrt. Hinsichtlich der verwandten Genres zeigen sich dadurch Übergänge: * Ein //Abenteuerfilm// bleibt ein Road Movie, wenn dem Abenteurer Erfolg versagt bleibt, er also etwas nicht erringt, findet oder erreicht, das ihm die Wiederaufnahme in die Gesellschaft sichert. * Der //Krimi// bleibt ein Road Movie, wenn die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen, wenn also etwa der Protagonist in seiner Ausgeworfenheit seine Schattenseiten entdeckt und lebt. * Ein //Melodram// bleibt ein Road Movie, wenn die Liebenden Königskinder bleiben, die nicht zusammen finden konnten. Der unterscheidende Grat ist schmal, denn //It Happened One Night// von ''Frank Capra'' (1934), zeigt zwar den Ausbruch einer Frau aus gesellschaftlichen Zwängen unterwegs in einem Bus, er endet jedoch in der Rückkehr zum gesellschaftlich akzeptierten ehelichen Muster - eine Wirkung des //Hays Codes//? ==== Zwischen Breitenwirkung und Tiefenwirkung ==== Die eingangs beschriebenen drei Kategorien bedienen ein Risikospektrum. Der Zuschauer wird eher berührt durch »gewöhnliche« Gefahren: Kündigung, Scheidung, Zufall. Dass solche Ereignisse ins Leben eintreten, ist sehr wahrscheinlich, also sollte jeder dafür gewappnet sein. Größere Furcht allerdings wird empfunden vor den [[wiki:gefahr|Gefahren]] am anderen Ende des Spektrums: Gewalt und Tod durch Verbrechen; allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, diese am eigenen Leib zu erfahren. Die Faktoren »Könnte-mir-zustoßen« und »Größe der Gefahr« ergeben den [[wiki:risiko|Risikofaktor]], nennen wir ihn hier Bedrohlichkeit. Da Menschen eine sehr große Furcht vor unbekannten Gefahren haben und ein geringes Gefühl für [[wiki:wahrscheinlichkeit|Eintrittswahrscheinlichkeiten]], lässt sich diese Bedrohlichkeit im Übermaß steigern. Von diesem Effekt leben Werbung, Unterhaltung, Politik, Versicherungen und andere. * Im Spektrum zwischen Halb-Doku bis Science-Fiction ist es möglich, Protagonisten solcher Bedrohlichkeit glaubhaft derart auszuliefern, dass diese ins Unterwegs-Sein übertreten, also ein Road Movie zu konstruieren. * Den Stoff als Komödie zu gestalten erhöht den Unterhaltungsfaktor und senkt die Bedrohlichkeit. Wird das Handeln des Protagonisten jedoch lächerlich, bleibt wenig vom Road Movie Charakter übrig; die Tragikomödie dagegen erhält deren Charakter.\\ * Jeder erklärende Filmanfang und jeder klärende Schluss des Films begrenzt die Möglichkeiten, die dem Protagonisten offen stehen. Ein Road Movie schmilzt also dahin, je mehr Abenteuer, Krimi, Komödie, Liebe, Horror ... in ihm steckt, sofern diese Komponenten nicht selber wieder ad absurdum geführt werden. * Das innere Unterwegs-Sein endet vorläufig mit einer Transformation, die eine neue Zukunft öfffnet. * Das äußerliche Unterwegs-Sein endet mehr oder weniger in den Stationen der Reise: Tankstelle, Werkstatt, Motel, Bar, Ziel. * Der Sisyphos-Charakter endet durch den Tod des Selbst. * Das Ende der Geschichte kann variieren zwischen Happyend, offenem Ausgang oder Tod; ein Happyend ist jedoch auch der Tod des Road Movie. * Die Ambiguität endet durch Eindeutigkeit, durch Lächerlichkeit (Komödie) oder jenseits des Möglichen (Horrorfilm). ===== Grenzen des Konstruktes Road Movie ===== Ein Genre-Begriff wie Road Movie wird rückblickend konstruiert. Zwischen Filmproduzenten und -konsumenten sowie akademischen und feuilletonistischen Cineasten bildet sich eine Figur, die weder scharf definiert noch scharf abgegrenzt werden kann. Diese Figur ist dem Markt unterworfen, den Zeitläuften und den kulturellen Bedingungen, insbesondere dem Sprachraum: * Da diese Figur in den späteren sechziger Jahren entstand, wird sie auch durch den Blick dieser Zeit geprägt; also muss man sich fragen, ob dieser Blick heute noch produktiv ist und ob er auch die erste Hälfte des [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 19. Jahrhundert|19. Jahrhunderts]] erkennen kann. Es fällt auf, wie wenige Filme vor 1945 und aus der Nachkriegszeit als Road Movie betrachtet werden. Tramps, Hobos, Traveller werden weitgehend ignoriert, aber ebenso Flüchtlingsgeschichten wie der deutschsprachige Straßenfeger aus den 50er Jahren //So weit die Füße tragen//. Zu welchem Genre sonst sollen solche Filme gehören? * //Zweitens// gilt es zu fragen, ob und wie diese Figur auf außerenglische und außereuropäische Regionen - etwa Russland, China, Indien, Afrika, Südamerika - übertragen werden kann. Das gilt sowohl in sprachlicher als auch in kultureller Hinsicht. Jedenfalls ist es auffällig, dass englischsprachige Betrachtungen über Road Movies nur wenig bezug auf deutsche (und anderssprachige) Filme nehmen. ((Insgesamt wird für die Filmproduktion (Themen und Ästhetik) beobachtet, dass die Hollywwod-Filme ab den Dreißger Jahren stark durch Exilanten beeinflusst wurde, also durch den deutschen Expressionismus und französischen Realismus. Nach dem krieg wiederum, wirkte dieser Einfluss zurück auf Europa, Kanada und Japan.)) * //Drittens// unterliegt der Filmmarkt Moden und Stilen. Also bedarf es einer Figur des Road Movie, die nicht nur Filme einer Generation zufriedenstellend erfasst, sondern auch deren Vorläufer und Nachfolger. Ein Hinweis darauf ist das Fehlen von Boheme, Schaustellern, Tramps, Vagabunden, also dem [[wiki:fahrendes_volk|Fahrenden Volk]]. * //Viertens// fällt auf, dass »typische« Road Movies weder moralisieren noch idealisieren, weder psychologisieren noch ideologisieren, weder politisieren noch verurteilen. Eine solche [[wiki:offenheit|Offenheit]] setzt eine offene Gesellschaft voraus; umgekehrt ließe sich nach Formen von Road Movies in nicht-offenen Gesellschaften suchen.\\ Einen Hinweis darauf bietet die Anwendung des »Hays Code« in Hollywood, der 1930 eingeführt und erst 1967 abgeschafft wurde. Er formulierte Richtlinien für Spielfilme, Kriminalität, Sexualität und Politik betreffend. Wenn der entfallende Hays Code in den 1960er Jahren das Road Movie in seiner zeittypischen Form ermöglichte - wie hat es denn die Figur des Road Movie in den Jahrzehnten davor verformt?\\ Und wenn diese Bedingungen wirken - Wie wirkt sich die //political correctness// heute aus? ===== Verweise ===== * [[wiki:liste_road_movies|Liste der Road Movies]] * [[wiki:road_music|Road Music]] * [[wiki:road_book|Road Book]] * Road Movies für [[http://www.imcdb.org/vehicles_make-Autocar_model-A64.html|fast jeden Wagentyp]]\\ ==== Literatur ==== * ''Bertelsen, Martin''\\ //Roadmovies und Western//\\ Ein Vergleich zur Genre-Bestimmung des Roadmovies\\ Verlag an der Lottbeck Jensen 1991 * ''Boczkowska, K.''\\ //The [[wiki:outlaw|Outlaw]] Machine, the Monstrous Outsider and Motorcycle Fetishists//\\ Challenging Rebellion, Mobility and Masculinity in Kenneth Anger’s Scorpio Rising and Steven Spielberg’s Duel\\ Text Matters: A Journal of Literature, Theory and Culture, 2019, (9), 81-99. https://doi.org/10.18778/2083-2931.09.05 * ''Steven Cohan & Ina Rae Hark'' (Hg.)\\ //The Road Movie Book//\\ London: Routledge 1997, Darin: * "Hitler can't keep 'em that long": the road, the people / Bennet Schaber * Western meets Eastwood: genre and gender on the road / Shari Roberts * Mad Love, mobile homes, and dysfunctional dicks: on the road with Bonnie and Clyde / Ian Leong, Mike Sell and Kelly Thomas * On the run and on the road: fame and the outlaw couple in American cinema / Corey K. Creekmur * Almost like being at home: showbiz culture and Hollywood road trips in the 1940s and 1950s / Steven Cohan * Wanderlust and wire wheels: the existential search of Route 66 / Mark Alvey * Exposing intimacy in Russ Meyer's Motorpsycho! and Faster Pussycat! Kill! Kill! / Julian Stringer * The road to dystopia: landscaping the nation in Easy Rider / Barbara Klinger * Fear of flying : yuppie critique and the buddy-road movie in the 1980s / Ina Rae Hark * The nation, the body, and the Autostrada / Angelo Restivo * "We don't need to know the way home": the disappearance of the road in the Mad Max trilogy / Delia Falconer * Home and away: friends of Dorothy on the road in Oz / Pamela Robertson * Race on the road: crossover dreams / Sharon Willis * Revitalizing the road genre: the living end as an AIDS road film / Katie Mills * My Own Private Idaho and the new queer road movies / Robert Lang * Disassociated masculinities and geographies of the road / Stuart C. Aitken; Christopher Lee Lukinbea * ''Dimendberg, Edward''\\ //The will to motorization: cinema, highways, and modernity//\\ October (Cambridge, Mass) Nr.73 Summer 1995. S. 90-137 * ''Eissel, Anna Katharina''\\ //Er-fahrung neuer Horizonte//\\ Zur Bedeutung von Reise und Wahrnehmung in Filmen von Wim Wenders.\\ Magisterarbeit Hamburg 2006. 173 S., Saarbrücken VDM Verlag Dr. Müller, 2007\\ Die Autorin entwirft eine interdisziplinäre Reisetypologie und zeigt Parallelen zwischen Reisemetaphern und dem Medium Film. * ''Eyerman, Ron; Lofgren, Orvar''\\ //Romancing the Road: Road Movies and Images of Mobility//\\ Theory, Culture and Society Februar 1995, 12.1, S. 53-79 * ''Fenin, G. K./Everson, W. K.''\\ //The Western: From Silents to the Seventies//\\ Penguin New York/ Harmondsworth 1977, 40 S.\\ »... titillatingly sexual and aggressive heroine« * ''Norbert Grob''\\ //Lovers on the run//\\ In: Grob, Norbert / Klein, Thomas (Hg.): Road Movies\\ Mainz: Ventil Verlag KG 2006. 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Peterson''\\ "The nation's first playground": travel films and the American west, 1895-1920 * ''Paula Amad''\\ Between the "familiar text" and the "book of the world":\\ touring the ambivalent contexts of travel films * ''Hamid Naficy''\\ Lured by the East: ethnographic and expedition films about nomadic tribes: the case of Grass * ''Peter J. Bloom''\\ Trans-Saharan automotive cinema:\\ Citron-, Renault-, and Peugeot-sponsored documentary interwar crossing films * ''Alexandra Schneider''\\ Homemade travelogues: Autosonntag: a film safari in the Swiss Alps * ''Dana Benelli''\\ Hollywood and the attractions of the travelogue * ''Amy J. Staples''\\ "The last of the great (foot-slogging) [[wiki:erforscher|explorers]]":\\ Lewis Cotlow and the ethnographic imaginary in popular travel film * ''Jeffrey Ruoff''\\ Show and tell: the 16mm travel lecture film * ''Alison Griffiths''\\ Time traveling IMAX style: tales from the giant screen * ''Walter Salles''\\ //Notes for a Theory of the Road Movie//\\ New York Times 11. November 2007 * ''Berndt Schulz''\\ //Lexikon der Road Movies//\\ Von Easy Rider bis Rain Man, von Thelma & Louise bis Zugvögel, von Bonnie und Clyde bis Natural Born Killers\\ Lexikon-Imprint-Verlag Berlin 2001 * ''Jack Sargeant (Editor), Stephanie Watson (Editor), Stephen Watson''\\ //Lost Highways: An Illustrated History of Road Movies//\\ 256 S., Road Movies. 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