Der Physiker und Philosoph Eduard Kaeser
meint, dass das Grundvertrauen der modernen Gesellschaft in Technik und Wissenschaft als Wunderwaffe des Fortschritts hinterfragt werden muss. Sein »murksologischer Paradigmenwechsel« besteht darin, sich »sich grundsätzlich darauf einzustellen, dass technische Geräte und auch andere Dinge nicht funktionieren« 1). Das führe dann letztlich dazu, dass sich der Mensch dem Ökosystem anpasse und nicht umgekehrt das Ökosystem Erde an den Menschen anpassen will.
Er knüpft dabei an die Systemantics von John Gall
an und benutzt dafür den Begriff der »Murksologie« 2). Gall
meinte, Murks-Systeme verhielten sich wie Babys: Man bekommt sie, kann sie nicht mehr loswerden und sie wachsen.
Wir alle kennen Systeme, die »mal eben« repariert oder verbessert oder erweitert werden: Kabelsalat, Flickschusterei, Spaghetti-Code - meist provisorisch angelegte *Notlösungen, die für immer bleiben. Kaeser
denkt größer und überträgt den Gedanken vom Schreibtisch in die Volkswirtschaft.
Technische Großsysteme (das Bahnnetz, der Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Boeing 737max usw.) wachsen bereits in der Planungsphase und erst recht beim Bau durch »Akkretion«. Das Anlagern und Verknüpfen von zusätzlichen Komponenten soll Funktionsmängel beheben und neue Wünsche erfüllen. Das Ergebnis ist *Murks voller *Fehler und *Pannen. Wünschbar wäre dagegen eine erhöhte *Resilienz.
Technische Systeme sind einerseits rational geplant und funktionieren auf naturwissenschaftler Grundlage. Andererseits erreichen sie eine Komplexität, die nicht mehr durchschaubar ist: Sie reagieren nicht so, wie sie sollten. Resultate sind nicht voraussagbar und erscheinen zufällig, weil der Algorithmus nicht mehr verstanden wird. Das Ergebnis ist Renitenz. Wünschbar wäre dagegen eine erhöhte Zuhandenheit als *Ding.
Murksologie als Wissenschaft hätte die Aufgabe, Murks zu erkennen und zu bändigen. Ansätze für eine Murksologie bieten *Bricolage, *Buschmechanik und *Frugale Innovationen.