wiki:flucht
Unterschiede
Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.
Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige ÜberarbeitungNächste Überarbeitung | Vorherige Überarbeitung | ||
wiki:flucht [2023/04/07 06:36] – norbert | wiki:flucht [2024/07/25 08:06] (aktuell) – ↷ Links angepasst weil Seiten im Wiki verschoben wurden 52.230.152.246 | ||
---|---|---|---|
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
====== Flucht: Reisen in Zeiten der Not und Gefahr | ====== Flucht: Reisen in Zeiten der Not und Gefahr | ||
===== Das unerträgliche Gefühl des Eingesperrt-Seins ===== | ===== Das unerträgliche Gefühl des Eingesperrt-Seins ===== | ||
- | von '' | + | |
+ | von '' | ||
erschienen erstmals 1995 als Teil 4 in der Artikelreihe // | erschienen erstmals 1995 als Teil 4 in der Artikelreihe // | ||
Zeile 11: | Zeile 12: | ||
===== 1 Vorbemerkung ===== | ===== 1 Vorbemerkung ===== | ||
+ | |||
Während langer Zeiten im [[wiki: | Während langer Zeiten im [[wiki: | ||
Die wohl berühmteste Flucht des 20. Jahrhunderts ist im ersten Kapitel beschrieben: | Die wohl berühmteste Flucht des 20. Jahrhunderts ist im ersten Kapitel beschrieben: | ||
Im zweiten Kapitel folgen Einzelerfahrungen mit Krieg, Putsch, Internierung, | Im zweiten Kapitel folgen Einzelerfahrungen mit Krieg, Putsch, Internierung, | ||
Die einzige mir bekannte, freiwillige Reise während eines Weltkrieges wurde von '' | Die einzige mir bekannte, freiwillige Reise während eines Weltkrieges wurde von '' | ||
+ | |||
===== 2 Die Flucht aus Dehra-Dun ===== | ===== 2 Die Flucht aus Dehra-Dun ===== | ||
- | //„Drei Jahre waren seit meiner Internierung vergangen, und die Erinnerung an die Außenwelt verblaßte allmählich. Man fühlte sich verlassen von aller Welt. ... Hitze, Staub, Nichtstun und Stacheldraht - diese Dinge werfen auch den Stärksten um. ...Ich hatte mit Fritz Häußer am Tage eine jener verrückten Bergtouren unternommen, | + | |
+ | //„Drei Jahre waren seit meiner Internierung vergangen, und die Erinnerung an die Außenwelt verblaßte allmählich. Man fühlte sich verlassen von aller Welt. ... Hitze, Staub, Nichtstun und Stacheldraht - diese Dinge werfen auch den Stärksten um. ...Ich hatte mit '' | ||
Das britische Internierungslager // | Das britische Internierungslager // | ||
==== Warum flüchten? ==== | ==== Warum flüchten? ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
Weswegen also fliehen? Der Drang zur [[wiki: | Weswegen also fliehen? Der Drang zur [[wiki: | ||
+ | |||
Auch für '' | Auch für '' | ||
==== Frei - aber in Indien gefangen? ==== | ==== Frei - aber in Indien gefangen? ==== | ||
+ | |||
April oder Mai eines jeden Jahres waren besonders günstig für einen Ausbruch. Doch auch jenseits des Stacheldrahtzauns war man nicht frei: Sichere Freiheit gab es erst außerhalb des von Engländern kontrollierten Indiens, und dessen Grenzen zu überschreiten war nicht einfach: Auf zwei von drei Seiten vom Ozean umgeben, boten sich nur wenige Fluchtziele. Da war Goa, eine portugiesische Kolonie südlich von Bombay, aber Goa war eine Sackgasse - man konnte es nur mit dem Schiff verlassen. Alle Häfen rund um den Indischen Ozean wurden von den Engländern kontrolliert, | April oder Mai eines jeden Jahres waren besonders günstig für einen Ausbruch. Doch auch jenseits des Stacheldrahtzauns war man nicht frei: Sichere Freiheit gab es erst außerhalb des von Engländern kontrollierten Indiens, und dessen Grenzen zu überschreiten war nicht einfach: Auf zwei von drei Seiten vom Ozean umgeben, boten sich nur wenige Fluchtziele. Da war Goa, eine portugiesische Kolonie südlich von Bombay, aber Goa war eine Sackgasse - man konnte es nur mit dem Schiff verlassen. Alle Häfen rund um den Indischen Ozean wurden von den Engländern kontrolliert, | ||
+ | |||
In Indien reisten Europäer mit Dienern und Trägern, so daß ein Europäer, der sein Gepäck selber trug, schnell auffiel. Und so mißlangen die meisten Fluchtversuche früher oder später, ohne daß eine aufwendige Verfolgung nötig war - die Engländer brauchten nur zu warten. Für die meisten Lagerinsassen wogen solche Überlegungen schwer genug, um jeden Gedanken an eine Flucht zu verbannen. Für andere war es dagegen ein Anreiz, sich etwas Neues auszudenken. Doch die meisten der siebzig Fluchtversuche mißlangen: | In Indien reisten Europäer mit Dienern und Trägern, so daß ein Europäer, der sein Gepäck selber trug, schnell auffiel. Und so mißlangen die meisten Fluchtversuche früher oder später, ohne daß eine aufwendige Verfolgung nötig war - die Engländer brauchten nur zu warten. Für die meisten Lagerinsassen wogen solche Überlegungen schwer genug, um jeden Gedanken an eine Flucht zu verbannen. Für andere war es dagegen ein Anreiz, sich etwas Neues auszudenken. Doch die meisten der siebzig Fluchtversuche mißlangen: | ||
==== Vorbereitungen zur Flucht ==== | ==== Vorbereitungen zur Flucht ==== | ||
+ | |||
Geldmangel war ein großes Problem: '' | Geldmangel war ein großes Problem: '' | ||
==== Die Suche nach Gleichgesinnten ==== | ==== Die Suche nach Gleichgesinnten ==== | ||
+ | |||
Die vorsichtige Mehrheit der Lagerinsassen sympathisierte mit der risikobereiten Minderheit und unterstützte deren Ausbruchsversuche. // „Es erquickt nun einmal jeden Gefangenen, wenn ein Leidensgefährte die Fesseln sprengt und durchbrennt. Die Sergeanten machen verdutzte Gesichter, wenn sie beim Durchzählen den Verlust entdecken. Die Wachen werden angeschnauzt und verfallen einem Strafgericht. Der Kommandant rast. ... So eine Flucht bringt eben Abwechslung und Spannung für alle.“// ((Magener, Die Chance war Null, 8)) Andererseits wetteiferten die ausbrechenden Gruppen um den frühesten Fluchtzeitpunkt; | Die vorsichtige Mehrheit der Lagerinsassen sympathisierte mit der risikobereiten Minderheit und unterstützte deren Ausbruchsversuche. // „Es erquickt nun einmal jeden Gefangenen, wenn ein Leidensgefährte die Fesseln sprengt und durchbrennt. Die Sergeanten machen verdutzte Gesichter, wenn sie beim Durchzählen den Verlust entdecken. Die Wachen werden angeschnauzt und verfallen einem Strafgericht. Der Kommandant rast. ... So eine Flucht bringt eben Abwechslung und Spannung für alle.“// ((Magener, Die Chance war Null, 8)) Andererseits wetteiferten die ausbrechenden Gruppen um den frühesten Fluchtzeitpunkt; | ||
Zeile 41: | Zeile 52: | ||
==== Solidarität und Erfolg ==== | ==== Solidarität und Erfolg ==== | ||
+ | |||
Als klar wird, daß ein gemeinsamer Ausbruch für alle Vorteile bietet, plant man die Ausbruchsphase gemeinsam. | Als klar wird, daß ein gemeinsamer Ausbruch für alle Vorteile bietet, plant man die Ausbruchsphase gemeinsam. | ||
Zeile 48: | Zeile 60: | ||
==== Zwei Offiziere und fünf Inder? ==== | ==== Zwei Offiziere und fünf Inder? ==== | ||
+ | |||
Während der größten Hitze und der Mittagsruhe, | Während der größten Hitze und der Mittagsruhe, | ||
Frech durchschritten zwei englische Offiziere mit fünf indischen Kulis das Lagertor, bepackt mit Leiter und Stacheldraht, | Frech durchschritten zwei englische Offiziere mit fünf indischen Kulis das Lagertor, bepackt mit Leiter und Stacheldraht, | ||
- | Sie marschierten nur nachts. In zwei Wochen sollte der Weg zur tibetischen Grenze zurückgelegt werden, der [[wiki: | + | Sie marschierten nur nachts. In zwei Wochen sollte der Weg zur tibetischen Grenze zurückgelegt werden, der [[wiki: |
Dörfer wurden heimlich durchquert: // „Lange vorher lagen wir auf der Lauer und warteten ab, bis der letzte Schein eines Feuers oder einer Laterne verlosch. Bei solchen Gelegenheiten tauschten wir unsere benagelten Bergschuhe gegen leichte Turnschuhe aus und versäumten nie, vorher unsere Feldflaschen zu entleeren, um zu vermeiden, daß das Glucksen des Wassers einen Dorfbewohner aufweckte.“// | Dörfer wurden heimlich durchquert: // „Lange vorher lagen wir auf der Lauer und warteten ab, bis der letzte Schein eines Feuers oder einer Laterne verlosch. Bei solchen Gelegenheiten tauschten wir unsere benagelten Bergschuhe gegen leichte Turnschuhe aus und versäumten nie, vorher unsere Feldflaschen zu entleeren, um zu vermeiden, daß das Glucksen des Wassers einen Dorfbewohner aufweckte.“// | ||
Zeile 59: | Zeile 72: | ||
==== Sattlers Rückkehr ==== | ==== Sattlers Rückkehr ==== | ||
+ | |||
Sattlers Zustand verschlechterte sich, etwa eine Woche hielt er mühsam mit, war immer der Letzte. In Nelang (3410 m) bleibt er schließlich zurück. Er hat Dysenterie und leidet zunehmend an der Höhenkrankheit. Er verbarg seine Krankheit, so gut es ging, dann kümmerte sich Aufschnaiter um ihn. Fünf Tage lagerten sie dort, doch Sattler entschloß sich zur Umkehr, überließ sein Zelt, einen Teil seines Geldes und überflüssige Ausrüstung den Freunden. Kopp schilderte die Stimmung: | Sattlers Zustand verschlechterte sich, etwa eine Woche hielt er mühsam mit, war immer der Letzte. In Nelang (3410 m) bleibt er schließlich zurück. Er hat Dysenterie und leidet zunehmend an der Höhenkrankheit. Er verbarg seine Krankheit, so gut es ging, dann kümmerte sich Aufschnaiter um ihn. Fünf Tage lagerten sie dort, doch Sattler entschloß sich zur Umkehr, überließ sein Zelt, einen Teil seines Geldes und überflüssige Ausrüstung den Freunden. Kopp schilderte die Stimmung: | ||
==== In Tibet ==== | ==== In Tibet ==== | ||
+ | |||
Am 17. Mai 1944 erreichten die vier Flüchtenden den Grenzpaß Tsangtschok-La (5030 m). Die tibetischen Bevölkerung reagierte überwiegend mit Nichtbeachtung, | Am 17. Mai 1944 erreichten die vier Flüchtenden den Grenzpaß Tsangtschok-La (5030 m). Die tibetischen Bevölkerung reagierte überwiegend mit Nichtbeachtung, | ||
Zeile 67: | Zeile 82: | ||
==== Eine Pille gegen jedes Übel ==== | ==== Eine Pille gegen jedes Übel ==== | ||
+ | |||
Kopp und Krämer gaben sich häufig als Ärzte aus, ebenso wie Harrer und Aufschnaiter ein Jahr später. Zur Legitimation genügte der Anblick der mitgebrachten Medikamente und Instrumente. Das *[[wiki: | Kopp und Krämer gaben sich häufig als Ärzte aus, ebenso wie Harrer und Aufschnaiter ein Jahr später. Zur Legitimation genügte der Anblick der mitgebrachten Medikamente und Instrumente. Das *[[wiki: | ||
==== Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt ==== | ==== Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt ==== | ||
+ | |||
Am 24. Juni trafen Kopp und Harrer in Tibet wieder auf Aufschnaiter, | Am 24. Juni trafen Kopp und Harrer in Tibet wieder auf Aufschnaiter, | ||
Zeile 76: | Zeile 93: | ||
==== Warten auf die Gunst des Schicksals ==== | ==== Warten auf die Gunst des Schicksals ==== | ||
+ | |||
Das Schreiben gab ihnen immerhin die Erlaubnis, noch bis in den Ort Kyirong zu ziehen, nur acht Kilometer von der nepalischen Grenze entfernt. Das nutzten die beiden aus und blieben zehn Monate in Kyirong: //„Einen guten Teil unserer Zeit und Energie verwendeten wir für die Beschaffung von [[wiki: | Das Schreiben gab ihnen immerhin die Erlaubnis, noch bis in den Ort Kyirong zu ziehen, nur acht Kilometer von der nepalischen Grenze entfernt. Das nutzten die beiden aus und blieben zehn Monate in Kyirong: //„Einen guten Teil unserer Zeit und Energie verwendeten wir für die Beschaffung von [[wiki: | ||
Zeile 81: | Zeile 99: | ||
==== Über Nepal zurück ins Lager ==== | ==== Über Nepal zurück ins Lager ==== | ||
+ | |||
Kopp war die Warterei zu lang geworden. Er zog am 22. November 1944 über Mustang nach Nepal. Bis nach Pokhara kam er gut, ab dort erhielt er eine militärische Eskorte und Mitte Dezember erreichte er Kathmandu. Hier waren überall Engländer und trotz der offiziellen Neutralität Nepals wurde seinem Wunsch nach Asyl nicht entsprochen. Das entsprach einer Auslieferung. Am fünften Tag seiner Ankunft in Kathmandu empfingen ihn Maharadscha und Premierminister, | Kopp war die Warterei zu lang geworden. Er zog am 22. November 1944 über Mustang nach Nepal. Bis nach Pokhara kam er gut, ab dort erhielt er eine militärische Eskorte und Mitte Dezember erreichte er Kathmandu. Hier waren überall Engländer und trotz der offiziellen Neutralität Nepals wurde seinem Wunsch nach Asyl nicht entsprochen. Das entsprach einer Auslieferung. Am fünften Tag seiner Ankunft in Kathmandu empfingen ihn Maharadscha und Premierminister, | ||
==== In Lhasa ==== | ==== In Lhasa ==== | ||
+ | |||
Nach zehn Monaten wurden Harrer und Aufschnaiter in Kyirong zur Weiterreise gedrängt; illegal brachen sie [[wiki: | Nach zehn Monaten wurden Harrer und Aufschnaiter in Kyirong zur Weiterreise gedrängt; illegal brachen sie [[wiki: | ||
==== Die Flucht nach Burma ==== | ==== Die Flucht nach Burma ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
- | Sie unterhielten sich ständig nur auf englisch, um gar nicht erst in einer zweiten Sprache zu denken. An ihrer Militär-Khaki-Kleidung hatten sie keine Rangabzeichen. Sie rechneten einfach damit, daß jeder annahm, sie seien vom Militär. Andererseits hätte diese Kleidung aber auch jeder Zivilist tragen können. Ebenso hielten sie es mit ihren gestohlenen Papieren: Sie würden sie gegenüber Zivilpersonen benutzen, nicht aber bei Kontrollen durch die Militärpolizei, | + | |
+ | Sie unterhielten sich ständig nur auf englisch, um gar nicht erst in einer zweiten Sprache zu denken. An ihrer Militär-[[wiki: | ||
Diese Methode funktionierte gut: mit dem Bus nach Saharanpur, mit dem Zug über Lucknow nach Kalkutta, auf der Straße, in Restaurants und Bahnhofshallen nirgends fielen sie auf. Mit Glück rutschten sie durch eine stichprobenartige Kontrolle der Militärpolizei. Problematisch war allerdings die Übernachtung in der Großstadt: Die großen Hotels waren für Militärs reserviert; diese zu benutzen, fehlten ihnen die geeigneten Papiere. Die Hotels der Einheimischen wurden besonders intensiv von der Polizei kontrolliert, | Diese Methode funktionierte gut: mit dem Bus nach Saharanpur, mit dem Zug über Lucknow nach Kalkutta, auf der Straße, in Restaurants und Bahnhofshallen nirgends fielen sie auf. Mit Glück rutschten sie durch eine stichprobenartige Kontrolle der Militärpolizei. Problematisch war allerdings die Übernachtung in der Großstadt: Die großen Hotels waren für Militärs reserviert; diese zu benutzen, fehlten ihnen die geeigneten Papiere. Die Hotels der Einheimischen wurden besonders intensiv von der Polizei kontrolliert, | ||
Zeile 100: | Zeile 122: | ||
===== 3 Erfahrungen auf der Flucht ===== | ===== 3 Erfahrungen auf der Flucht ===== | ||
==== 3.1 Der 1. Weltkrieg 1914-1918 ==== | ==== 3.1 Der 1. Weltkrieg 1914-1918 ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
Für Heye, gerade neunundzwanzig Jahre alt, bedeutete das eine radikale Umwälzung seines Lebens: | Für Heye, gerade neunundzwanzig Jahre alt, bedeutete das eine radikale Umwälzung seines Lebens: | ||
+ | |||
Nichtsdestotrotz war er am kommenden Tag Soldat, Landsturmmann bei der vierten Schützenkompanie in Tanga. Fast drei Jahre blieb er dann „auf Kriegspfaden“ im Busch unterwegs, wurde am 19. April 1917 angeschossen und gefangengenommen. ((Heye, Steppe im Sturm, 159)) Im Juni 1917 befand er sich an Bord des englischen Dampfers „Windsor Castle“, auf dem Weg nach Indien, und gelangt wie die meisten in ein Gefangenenlager, | Nichtsdestotrotz war er am kommenden Tag Soldat, Landsturmmann bei der vierten Schützenkompanie in Tanga. Fast drei Jahre blieb er dann „auf Kriegspfaden“ im Busch unterwegs, wurde am 19. April 1917 angeschossen und gefangengenommen. ((Heye, Steppe im Sturm, 159)) Im Juni 1917 befand er sich an Bord des englischen Dampfers „Windsor Castle“, auf dem Weg nach Indien, und gelangt wie die meisten in ein Gefangenenlager, | ||
Heye verdiente sich einiges als Konditor hinzu: //„Ich stellte nur eine einzige Spezialität her: Sandtorte eins zu eins. Der Name erklärt sich aus dem Rezept: ein Pfund Mehl, ein Pfund Zucker, ein Pfund Butter und ein Dutzend Eier. Wer von diesem währschaften (( Schweizer Ausdruck für Gewähr bieten, dauerhaft, echt.)) Erzeugnis drei Scheiben zum Frühstück aß, hatte noch am Abend keinen Hunger. Den Backofen selbst hatte ich mir aus Lehm und einem Haufen Ziegeltrümmer hinter dem Waschhaus erbaut; das Heizmaterial war das landesübliche, | Heye verdiente sich einiges als Konditor hinzu: //„Ich stellte nur eine einzige Spezialität her: Sandtorte eins zu eins. Der Name erklärt sich aus dem Rezept: ein Pfund Mehl, ein Pfund Zucker, ein Pfund Butter und ein Dutzend Eier. Wer von diesem währschaften (( Schweizer Ausdruck für Gewähr bieten, dauerhaft, echt.)) Erzeugnis drei Scheiben zum Frühstück aß, hatte noch am Abend keinen Hunger. Den Backofen selbst hatte ich mir aus Lehm und einem Haufen Ziegeltrümmer hinter dem Waschhaus erbaut; das Heizmaterial war das landesübliche, | ||
Zeile 122: | Zeile 146: | ||
'' | '' | ||
Auch in Ceylon glaubte man bis zuletzt nicht an die Möglichkeit eines Krieges. Am 7. August 1914 erhielt Hagenbeck den Ausweisungsbefehl und mußte Ceylon noch am gleichen Tage verlassen, Frau, Familie, Haus, Hab und Gut bis auf einen kleinen Handkoffer zurücklassend und sich zweiter Klasse nach Batavia einschiffend, | Auch in Ceylon glaubte man bis zuletzt nicht an die Möglichkeit eines Krieges. Am 7. August 1914 erhielt Hagenbeck den Ausweisungsbefehl und mußte Ceylon noch am gleichen Tage verlassen, Frau, Familie, Haus, Hab und Gut bis auf einen kleinen Handkoffer zurücklassend und sich zweiter Klasse nach Batavia einschiffend, | ||
+ | |||
Einige Zeit später flüchtete er zusammen mit einem Österreicher, | Einige Zeit später flüchtete er zusammen mit einem Österreicher, | ||
Das setzte natürlich die fließende Beherrschung des Französischen voraus, ein gewisser Akzent wurde dem Belgier zugestanden. Seine Rolle spielte er überaus glaubhaft und bei den verschiedenen Revisionen durch englische Kriegsschiffe brauchte er als „armer Belgier“ seine Papiere niemals zu zeigen. In Italien, damals neutral, verließ er das Schiff, suchte den Konsul auf und erhielt von ihm einen deutschen Paß. Ohne weitere Schwierigkeiten erreichte er Deutschland mit dem Zug. (( Ausführlich schilderte Hagenbeck diese Zeit in dem Buch „John Hagenbecks abenteuerliche Flucht aus Ceylon“. Fünfzehn Jahre später (1929) kehrte er nach Ceylon zurück, baute sich erneut eine Existenz auf. 1939, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelang es ihm nicht mehr, auf Schleichwegen Asien zu verlassen. Siebzigjährig wurde er interniert und starb im Internierungslager. [J. Hagenbeck, Die Schnur der sieben Knoten] )) | Das setzte natürlich die fließende Beherrschung des Französischen voraus, ein gewisser Akzent wurde dem Belgier zugestanden. Seine Rolle spielte er überaus glaubhaft und bei den verschiedenen Revisionen durch englische Kriegsschiffe brauchte er als „armer Belgier“ seine Papiere niemals zu zeigen. In Italien, damals neutral, verließ er das Schiff, suchte den Konsul auf und erhielt von ihm einen deutschen Paß. Ohne weitere Schwierigkeiten erreichte er Deutschland mit dem Zug. (( Ausführlich schilderte Hagenbeck diese Zeit in dem Buch „John Hagenbecks abenteuerliche Flucht aus Ceylon“. Fünfzehn Jahre später (1929) kehrte er nach Ceylon zurück, baute sich erneut eine Existenz auf. 1939, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelang es ihm nicht mehr, auf Schleichwegen Asien zu verlassen. Siebzigjährig wurde er interniert und starb im Internierungslager. [J. Hagenbeck, Die Schnur der sieben Knoten] )) | ||
Zeile 128: | Zeile 153: | ||
'' | '' | ||
+ | |||
Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, | Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, | ||
+ | |||
Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, | Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, | ||
- | Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten // | + | |
+ | Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten // | ||
Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, | Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, | ||
+ | |||
Zu seiner Überraschung wird er nach einiger Zeit freigelassen, | Zu seiner Überraschung wird er nach einiger Zeit freigelassen, | ||
Zeile 140: | Zeile 169: | ||
==== 3.2 Der 2. Weltkrieg 1939-1945 ==== | ==== 3.2 Der 2. Weltkrieg 1939-1945 ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
Ausgerüstet war er mit einem zwei Meter langen [[wiki: | Ausgerüstet war er mit einem zwei Meter langen [[wiki: | ||
+ | |||
Drei Tage lief er ohne Wasser, dann brach er zusammen. [[wiki: | Drei Tage lief er ohne Wasser, dann brach er zusammen. [[wiki: | ||
Etwa ein Jahr blieb er bei den Beduinen, lernte deren [[wiki: | Etwa ein Jahr blieb er bei den Beduinen, lernte deren [[wiki: | ||
+ | |||
Erst Ende 1947 durfte er die Beduinen verlassen und ging nach Kairo. Seine Versuche, sich einen Paß und eine Fahrkarte nach Europa zu organisieren, | Erst Ende 1947 durfte er die Beduinen verlassen und ging nach Kairo. Seine Versuche, sich einen Paß und eine Fahrkarte nach Europa zu organisieren, | ||
Als Gegenleistung verpflichtete er sich als Söldner im Palästina-Krieg mit dem Einsatzort Jaffa. Weder Israelis noch Araber waren militärisch organisiert, | Als Gegenleistung verpflichtete er sich als Söldner im Palästina-Krieg mit dem Einsatzort Jaffa. Weder Israelis noch Araber waren militärisch organisiert, | ||
+ | |||
Dort erhielt er von der saudi-arabischen Regierung das Angebot, die Leitung des Krankenhauses im Gesundheitsamt von Hofuf zu übernehmen, | Dort erhielt er von der saudi-arabischen Regierung das Angebot, die Leitung des Krankenhauses im Gesundheitsamt von Hofuf zu übernehmen, | ||
==== Flucht aus Holland ==== | ==== Flucht aus Holland ==== | ||
+ | |||
Geld und Beziehungen machen das Leben und auch die Flucht leichter, schützen aber nicht vor Exil und Internierung. Diese Erfahrung machte '' | Geld und Beziehungen machen das Leben und auch die Flucht leichter, schützen aber nicht vor Exil und Internierung. Diese Erfahrung machte '' | ||
==== Das Ende einer Bergfahrt ==== | ==== Das Ende einer Bergfahrt ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
Für kurze Zeit landeten beide im Militärgefängnis von Lahore, kamen dann ins Internierungslager Ahmednagar und trafen dort auf //„drei Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition sowie zwei Bayern, die mit einem Schweizer in Sikkim gewesen waren.“// ((Kolb, Einzelgänger im Himalaja, 71)) Einer der Bayern war ein Bäcker, der einige Jahre später nach einem Fluchtversuch von Dörflern wegen seines Geldes erschlagen wurde, vermutlich Schmaderer (s. Kap. 1). Die beiden lernten Hindustani und andere Sprachen. Später kamen sie nach Deolali, dann nach Dehra-Dun. Sie unternahmen keinen Fluchtversuch und wurden bereits 1944 entlassen, da sie außerhalb des Lagers als Lehrer tätig waren. | Für kurze Zeit landeten beide im Militärgefängnis von Lahore, kamen dann ins Internierungslager Ahmednagar und trafen dort auf //„drei Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition sowie zwei Bayern, die mit einem Schweizer in Sikkim gewesen waren.“// ((Kolb, Einzelgänger im Himalaja, 71)) Einer der Bayern war ein Bäcker, der einige Jahre später nach einem Fluchtversuch von Dörflern wegen seines Geldes erschlagen wurde, vermutlich Schmaderer (s. Kap. 1). Die beiden lernten Hindustani und andere Sprachen. Später kamen sie nach Deolali, dann nach Dehra-Dun. Sie unternahmen keinen Fluchtversuch und wurden bereits 1944 entlassen, da sie außerhalb des Lagers als Lehrer tätig waren. | ||
==== Glück gehabt? ==== | ==== Glück gehabt? ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
Zeile 161: | Zeile 197: | ||
==== Der Legion entkommen ==== | ==== Der Legion entkommen ==== | ||
+ | |||
'' | '' | ||
+ | |||
1940 erklärte Frankreich den Waffenstillstand. Damit fehlte ihm dann auch die letzte Perspektive.// | 1940 erklärte Frankreich den Waffenstillstand. Damit fehlte ihm dann auch die letzte Perspektive.// | ||
==== 3.3 Mitten im Putsch ==== | ==== 3.3 Mitten im Putsch ==== | ||
+ | |||
An einem ruhigen Sonntagmorgen fuhr der Engländer '' | An einem ruhigen Sonntagmorgen fuhr der Engländer '' | ||
+ | |||
Dort ging es drunter und drüber: Zunächst beschimpfte ihn ein Unteroffizier als Söldner und nannte seinen Füllfederhalter eine getarnte Waffe. Dann schützte ihn ein Oberst einige Stunden, mußte aber bald selber fliehen, während Chatwin vom Unteroffizier wieder arrestiert wurde. Später erschien ein neuer Oberst, diesmal eine Frau. Chatwin mußte sich bis auf die Unterhose ausziehen, über den Hof gehen und sich dort mit erhobenen Händen an eine Wand stellen, das Gesicht zur Wand. Umdrehen war verboten, sprechen war verboten. Die Soldaten trieben ihr Spiel, bis er in der Mittagshitze ohnmächtig zusammenbrach. Abends erhielt er seine Kleider zurück, doch die Euroschecks fehlen.\\ | Dort ging es drunter und drüber: Zunächst beschimpfte ihn ein Unteroffizier als Söldner und nannte seinen Füllfederhalter eine getarnte Waffe. Dann schützte ihn ein Oberst einige Stunden, mußte aber bald selber fliehen, während Chatwin vom Unteroffizier wieder arrestiert wurde. Später erschien ein neuer Oberst, diesmal eine Frau. Chatwin mußte sich bis auf die Unterhose ausziehen, über den Hof gehen und sich dort mit erhobenen Händen an eine Wand stellen, das Gesicht zur Wand. Umdrehen war verboten, sprechen war verboten. Die Soldaten trieben ihr Spiel, bis er in der Mittagshitze ohnmächtig zusammenbrach. Abends erhielt er seine Kleider zurück, doch die Euroschecks fehlen.\\ | ||
+ | |||
Ein belgischer Gefangener, der zu viele Fragen stellte, wurde zusammengeschlagen. Ein Missionsarzt, | Ein belgischer Gefangener, der zu viele Fragen stellte, wurde zusammengeschlagen. Ein Missionsarzt, | ||
Am nächsten Morgen kam der französische Konsul, schwitzend vor Angst und sich nur um die Ernährung der Gefangenen kümmernd. Chatwins Bitte, den englischen Konsul über seine Lage zu informieren, | Am nächsten Morgen kam der französische Konsul, schwitzend vor Angst und sich nur um die Ernährung der Gefangenen kümmernd. Chatwins Bitte, den englischen Konsul über seine Lage zu informieren, | ||
==== 3.4 Entkommen aus Sibirien ==== | ==== 3.4 Entkommen aus Sibirien ==== | ||
- | '' | + | |
+ | '' | ||
'' | '' | ||
+ | |||
Vom ersten Tag an beschäftigte sich Rawitsch mit Fluchtgedanken, | Vom ersten Tag an beschäftigte sich Rawitsch mit Fluchtgedanken, | ||
- | Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, | + | |
+ | Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, | ||
Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, | Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, | ||
+ | |||
In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die [[wiki: | In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die [[wiki: | ||
+ | |||
In der besiedelten äußeren Mongolei trafen sie auf gastfreundliche Bewohner, die ihnen öfters mit Lebensmitteln aushalfen. Zunehmend wurde die Gegend karger und sandiger, ein Anzeichen für die nahende Wüste Gobi, die sie zu Fuß durchquerten, | In der besiedelten äußeren Mongolei trafen sie auf gastfreundliche Bewohner, die ihnen öfters mit Lebensmitteln aushalfen. Zunehmend wurde die Gegend karger und sandiger, ein Anzeichen für die nahende Wüste Gobi, die sie zu Fuß durchquerten, | ||
+ | |||
Zu viert begegneten sie wenige Tage später einer indischen Militärpatrouille, | Zu viert begegneten sie wenige Tage später einer indischen Militärpatrouille, | ||
+ | |||
Mag sein, daß Rawitsch aus einem sibirischen Lager geflohen ist, dieser Teil ist noch sehr plausibel. Doch der Rest? Auch Peter Hopkirk berichtet in „Der Griff nach Lhasa“ über ernsthafte Zweifel an Rawitschs Bericht, der 1956, zehn Jahre nach den Ereignissen erschien (The Long Walk). Der Zentralasienexperte Peter Fleming äußerte im Spectator erhebliche Zweifel, während Kritiker es als ein „Meisterwerk der Reiseliteratur“ lobten. Rawitsch, der seit jener Zeit in England, bei Nottingham, lebte, widersprach: | Mag sein, daß Rawitsch aus einem sibirischen Lager geflohen ist, dieser Teil ist noch sehr plausibel. Doch der Rest? Auch Peter Hopkirk berichtet in „Der Griff nach Lhasa“ über ernsthafte Zweifel an Rawitschs Bericht, der 1956, zehn Jahre nach den Ereignissen erschien (The Long Walk). Der Zentralasienexperte Peter Fleming äußerte im Spectator erhebliche Zweifel, während Kritiker es als ein „Meisterwerk der Reiseliteratur“ lobten. Rawitsch, der seit jener Zeit in England, bei Nottingham, lebte, widersprach: | ||
===== 4 Weltreise im Weltkrieg ===== | ===== 4 Weltreise im Weltkrieg ===== | ||
- | ==== 4.1 Freiheit auf den Meeren ==== | + | ==== 4.1 Freiheit auf den Meeren ==== |
'' | '' | ||
==== I am sailin' | ==== I am sailin' | ||
+ | |||
Afrika lockt ihn. In Brindisi, wo er eigentlich auf den Dampfer nach Griechenland wartet, kauft er spontan die //„Santa Barbara“,// | Afrika lockt ihn. In Brindisi, wo er eigentlich auf den Dampfer nach Griechenland wartet, kauft er spontan die //„Santa Barbara“,// | ||
==== Illegal in Palästina ==== | ==== Illegal in Palästina ==== | ||
+ | |||
Am 19. Oktober 1935 betritt er illegal Palästina, gibt sich als Jude aus und arbeitet dort einen Winter lang. Im nächsten Jahr fährt er über Port Said und durch den Suez-Kanal nach Port Sudan. Dort verkauft er sein Schiff für 175 Pfund (wieder einmal ein gutes Geschäft) ((Meiss-Teuffen, | Am 19. Oktober 1935 betritt er illegal Palästina, gibt sich als Jude aus und arbeitet dort einen Winter lang. Im nächsten Jahr fährt er über Port Said und durch den Suez-Kanal nach Port Sudan. Dort verkauft er sein Schiff für 175 Pfund (wieder einmal ein gutes Geschäft) ((Meiss-Teuffen, | ||
==== Kriegsdienst in Helvetia ==== | ==== Kriegsdienst in Helvetia ==== | ||
+ | |||
Mit drei Wochen Verspätung hört er vom Kriegsbeginn in Europa im August 1939. Im Dezember ist er auf dem Rückweg in die Schweiz. Seine Zeit als Soldat der Schweizer Armee hat nach einigen Monaten und zwei Malariaanfällen ein rasches Ende. Mehrere Monate hält er dann Vorträge vor Soldaten über seine Reisen. //„Doch die Sehnsucht nach Afrika, nach meiner Farm und dem damit verbundenen Leben ließ mich erst von Konsulat zu Konsulat laufen, um zu versuchen - Krieg oder nicht Krieg -, wieder zum Luapula zurückzukehren. Überall begegnete ich dem gleichen leicht spöttischen Achselzucken: | Mit drei Wochen Verspätung hört er vom Kriegsbeginn in Europa im August 1939. Im Dezember ist er auf dem Rückweg in die Schweiz. Seine Zeit als Soldat der Schweizer Armee hat nach einigen Monaten und zwei Malariaanfällen ein rasches Ende. Mehrere Monate hält er dann Vorträge vor Soldaten über seine Reisen. //„Doch die Sehnsucht nach Afrika, nach meiner Farm und dem damit verbundenen Leben ließ mich erst von Konsulat zu Konsulat laufen, um zu versuchen - Krieg oder nicht Krieg -, wieder zum Luapula zurückzukehren. Überall begegnete ich dem gleichen leicht spöttischen Achselzucken: | ||
==== Schiffbruch und Landurlaub ==== | ==== Schiffbruch und Landurlaub ==== | ||
+ | |||
In der vierten Nacht nach dem Auslaufen aus Freetown in Sierra Leone erlitt er Schiffbruch. Mit seinem Beiboot rettet er sich an Land, kann noch seine Papiere, Geld, Wasser und [[wiki: | In der vierten Nacht nach dem Auslaufen aus Freetown in Sierra Leone erlitt er Schiffbruch. Mit seinem Beiboot rettet er sich an Land, kann noch seine Papiere, Geld, Wasser und [[wiki: | ||
+ | |||
Acht Tage lief er, elf Monate saß er in Freetown fest, dann, im März 1943 konnte er auf einem Frachter nach Kapstadt fahren. Dachte er. Denn nach zwei Tagen drehte der Frachter und fuhr stattdessen nach England. Nach einigen Tagen erfolgte ein Luftangriff, | Acht Tage lief er, elf Monate saß er in Freetown fest, dann, im März 1943 konnte er auf einem Frachter nach Kapstadt fahren. Dachte er. Denn nach zwei Tagen drehte der Frachter und fuhr stattdessen nach England. Nach einigen Tagen erfolgte ein Luftangriff, | ||
==== Alles im Lot auf'm Boot ==== | ==== Alles im Lot auf'm Boot ==== | ||
+ | |||
Er kaufte sich im Juli 1945 ein Schiff, die// „Speranza“,// | Er kaufte sich im Juli 1945 ein Schiff, die// „Speranza“,// | ||
Am 11. März 1946 segelte er schließlich weiter. Drei Wochen blieb er in Tanger, ebenso lange in Gibraltar, und hielt dort Vorträge über Einhandsegeln vor den englischen Offizieren und Kadetten. Den vorläufigen Abschluß seiner zwölfjährigen Vagabundenzeit auf dem Meer bildete die Überquerung des Atlantiks in der Rekordzeit von 58 Tagen über Neufundland und Neuschottland. Es schlossen sich drei Jahre in Amerika an und im April 1949 finden wir ihn in Alaska überwinternd und dieses Buch schreibend. Drei Vortragsreisen durch die USA und Deutschland folgten 1949/50. | Am 11. März 1946 segelte er schließlich weiter. Drei Wochen blieb er in Tanger, ebenso lange in Gibraltar, und hielt dort Vorträge über Einhandsegeln vor den englischen Offizieren und Kadetten. Den vorläufigen Abschluß seiner zwölfjährigen Vagabundenzeit auf dem Meer bildete die Überquerung des Atlantiks in der Rekordzeit von 58 Tagen über Neufundland und Neuschottland. Es schlossen sich drei Jahre in Amerika an und im April 1949 finden wir ihn in Alaska überwinternd und dieses Buch schreibend. Drei Vortragsreisen durch die USA und Deutschland folgten 1949/50. | ||
+ | |||
Meiss-Teuffen war unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, lange Zeit während des Krieges und unmittelbar nach dessen Ende wieder. Nirgends erwähnt er die Begegnung mit anderen Reisenden; das Maß der Aufmerksamkeit, | Meiss-Teuffen war unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, lange Zeit während des Krieges und unmittelbar nach dessen Ende wieder. Nirgends erwähnt er die Begegnung mit anderen Reisenden; das Maß der Aufmerksamkeit, | ||
Eine Kombination seltener Eigenschaften und Umstände war nötig, um während des Krieges zu reisen: Neben einem starken Wandertrieb gehörte dazu die Zugehörigkeit zu einer anerkannt neutralen Nation, die Freistellung von der Armee und ein hohes Maß an Selbstbestimmung bezüglich Ziel und Routenwahl, wie es wohl nur auf dem Meer möglich ist, unterstützt durch das Talent, in jeder Situation Geld zu verdienen, und sich in nahezu jedem Land in der Landessprache unterhalten zu können. | Eine Kombination seltener Eigenschaften und Umstände war nötig, um während des Krieges zu reisen: Neben einem starken Wandertrieb gehörte dazu die Zugehörigkeit zu einer anerkannt neutralen Nation, die Freistellung von der Armee und ein hohes Maß an Selbstbestimmung bezüglich Ziel und Routenwahl, wie es wohl nur auf dem Meer möglich ist, unterstützt durch das Talent, in jeder Situation Geld zu verdienen, und sich in nahezu jedem Land in der Landessprache unterhalten zu können. | ||
Zeile 207: | Zeile 264: | ||
==== 4.2 Unfreiwillige Weltreisen ==== | ==== 4.2 Unfreiwillige Weltreisen ==== | ||
=== Auch Flieger müssen fliehen === | === Auch Flieger müssen fliehen === | ||
+ | |||
'' | '' | ||
- | Schwierig war es, einen Platz auf einem Schiff nach Europa zu bekommen. Das gelang ihm erst mit einem gefälschten Paß, der ihn als Schweizer ausgab, und ihm die Passage auf einem italienischen Schiff ermöglichte. Bei der Durchfahrt durch die Meerenge von Gibraltar wurden sie von Engländern kontrolliert: | + | Schwierig war es, einen Platz auf einem Schiff nach Europa zu bekommen. Das gelang ihm erst mit einem gefälschten Paß, der ihn als Schweizer ausgab, und ihm die [[wiki: |
Fünf „Schweizer“, | Fünf „Schweizer“, | ||
Mit der Zeit packte ihn die Gefangenenkoller: | Mit der Zeit packte ihn die Gefangenenkoller: | ||
=== Noch ein Flieger auf der Flucht === | === Noch ein Flieger auf der Flucht === | ||
+ | |||
'' | '' | ||
=== Flucht aus Sibirien === | === Flucht aus Sibirien === | ||
+ | |||
Killinger beschloß, nach sechs Monaten Kriegsgefangenschaft während der [[wiki: | Killinger beschloß, nach sechs Monaten Kriegsgefangenschaft während der [[wiki: | ||
+ | |||
In einem [[wiki: | In einem [[wiki: | ||
+ | |||
Die Leute waren gutmütig und gastfreundlich, | Die Leute waren gutmütig und gastfreundlich, | ||
+ | |||
Nach etwa vierzehn Tagen gelangten sie in eine kleine Stadt namens Mompanse und schlugen von dort den Weg nach Kirin ein, einer Stadt, die an dem Fluß Sungari liegt, etwa in der Mitte zwischen Mukden ((Heute Shenyang)) und Charbin ((Heute „Harbin“)). In Kirin angekommen, wurden sie von einem der beiden dort ansässigen Deutschen freundlich bewirtet. Dieser erzählte, daß bereits ein halbes Jahr vorher elf deutsche und österreichische Offiziere die Flucht auf der gleichen Route versucht hätten, jedoch nur vier hätten Kirin lebend erreicht und wären nun in Tientsin interniert.\\ | Nach etwa vierzehn Tagen gelangten sie in eine kleine Stadt namens Mompanse und schlugen von dort den Weg nach Kirin ein, einer Stadt, die an dem Fluß Sungari liegt, etwa in der Mitte zwischen Mukden ((Heute Shenyang)) und Charbin ((Heute „Harbin“)). In Kirin angekommen, wurden sie von einem der beiden dort ansässigen Deutschen freundlich bewirtet. Dieser erzählte, daß bereits ein halbes Jahr vorher elf deutsche und österreichische Offiziere die Flucht auf der gleichen Route versucht hätten, jedoch nur vier hätten Kirin lebend erreicht und wären nun in Tientsin interniert.\\ | ||
+ | |||
Auf einem Karren versteckt schaukelten Killinger und seine Kameraden in den folgenden vierzehn Tagen nach Mukden. Dort begaben sie sich zum deutschen Konsulat und erfuhren, daß ihre Flucht in sämtlichen russischen Zeitungen bekanntgegeben und Steckbriefe erlassen worden seien. Ihnen wird empfohlen, getrennt weiterzureisen. In Tientsin bieten ihm Deutsche Unterkunft und Hilfe an, so daß er sich erholen kann, dann fährt er über Nanking nach Shanghai, immer weitergereicht an dort jeweils ansässige Deutsche. | Auf einem Karren versteckt schaukelten Killinger und seine Kameraden in den folgenden vierzehn Tagen nach Mukden. Dort begaben sie sich zum deutschen Konsulat und erfuhren, daß ihre Flucht in sämtlichen russischen Zeitungen bekanntgegeben und Steckbriefe erlassen worden seien. Ihnen wird empfohlen, getrennt weiterzureisen. In Tientsin bieten ihm Deutsche Unterkunft und Hilfe an, so daß er sich erholen kann, dann fährt er über Nanking nach Shanghai, immer weitergereicht an dort jeweils ansässige Deutsche. | ||
=== Von China nach Amerika === | === Von China nach Amerika === | ||
- | Dann beginnt die Vorbereitung für die Flucht aus China: Ihm bleibt nur die Passage mit einem Schiff über Japan nach Amerika, denn sich durch Zentralasien nach Persien durchzuschlagen, | + | |
+ | Dann beginnt die Vorbereitung für die Flucht aus China: Ihm bleibt nur die [[wiki: | ||
Er verbessert sein Französisch und Englisch, läßt sich in Sprachstunden seinen Akzent austreiben, paukt die bei Seeleuten üblichen Redewendungen. Dann besorgte er sich Kataloge, Geschäftspapiere und Briefbogen einer Schweizer Maschinenfabrik. Einen abgelaufenen französischen Paß kaufte er auf dem Schwarzmarkt, | Er verbessert sein Französisch und Englisch, läßt sich in Sprachstunden seinen Akzent austreiben, paukt die bei Seeleuten üblichen Redewendungen. Dann besorgte er sich Kataloge, Geschäftspapiere und Briefbogen einer Schweizer Maschinenfabrik. Einen abgelaufenen französischen Paß kaufte er auf dem Schwarzmarkt, | ||
- | Während der einen Monat dauernden Passage suchte er sich mit möglichst vielen Passagieren bekanntzumachen, | + | Während der einen Monat dauernden |
=== Von New York nach Norwegen === | === Von New York nach Norwegen === | ||
+ | |||
Wieder einmal war ein neuer Paß nötig: Wenn er sich als Franzose ausgeben würde, holten ihn die Engländer vom Schiff und schickten ihn nach Frankreich, damit er seine Militärpflicht erfüllte. Und als Schweizer? // „Aber gerade als Schweizer Staatsangehöriger hatte man bei den Engländern mit einer besonders scharfen Kontrolle zu rechnen, da sich alle diejenigen, die eine fremde Sprache nicht fließend beherrschten, | Wieder einmal war ein neuer Paß nötig: Wenn er sich als Franzose ausgeben würde, holten ihn die Engländer vom Schiff und schickten ihn nach Frankreich, damit er seine Militärpflicht erfüllte. Und als Schweizer? // „Aber gerade als Schweizer Staatsangehöriger hatte man bei den Engländern mit einer besonders scharfen Kontrolle zu rechnen, da sich alle diejenigen, die eine fremde Sprache nicht fließend beherrschten, | ||
Die französische Schweiz kannte Killinger gut aus seiner Schulzeit und war dort bei dem Geistlichen '' | Die französische Schweiz kannte Killinger gut aus seiner Schulzeit und war dort bei dem Geistlichen '' | ||
+ | |||
Abends läßt er sich von Freunden ins Kreuzverhör nehmen, bis er alle Angaben widerspruchsfrei beherrscht. Auch sein Äußeres trimmt er auf Matrose: // „... ich brachte mir an mehreren Stellen der Finger kleine Verletzungen bei und hielt dann die Hände in Petroleum, in dem vorher rostige Eisenstücke gelegen hatten. Die Finger schwollen natürlich sofort an, und der Rost setzte sich in den Ritzen der Haut fest. Dies Verfahren wirkte vorzüglich. Nach wenigen Tagen schon hatte ich eine richtige Seemannsfaust. ... Auch mein Gebiß paßte schlecht zu einem Matrosen. Früher hatte ich einmal durch einen Sturz mit meinem Flugzeug einen Vorderzahn eingebüßt, | Abends läßt er sich von Freunden ins Kreuzverhör nehmen, bis er alle Angaben widerspruchsfrei beherrscht. Auch sein Äußeres trimmt er auf Matrose: // „... ich brachte mir an mehreren Stellen der Finger kleine Verletzungen bei und hielt dann die Hände in Petroleum, in dem vorher rostige Eisenstücke gelegen hatten. Die Finger schwollen natürlich sofort an, und der Rost setzte sich in den Ritzen der Haut fest. Dies Verfahren wirkte vorzüglich. Nach wenigen Tagen schon hatte ich eine richtige Seemannsfaust. ... Auch mein Gebiß paßte schlecht zu einem Matrosen. Früher hatte ich einmal durch einen Sturz mit meinem Flugzeug einen Vorderzahn eingebüßt, | ||
+ | |||
Auf dem norwegischen Dampfer // | Auf dem norwegischen Dampfer // | ||
Fast ein Jahr nach seiner Gefangennahme betrat er norwegischen Boden, fühlte sich in Sicherheit. Auf der deutschen Botschaft glaubte man ihm seine Geschichte nicht, gab ihm jedoch Geld für eine Fahrkarte nach Warnemünde. Dort angekommen, wurde er gleich verhaftet, man hielt ihn für einen russischen Spion, bis ihn ein Kamerad aus der Fliegerstaffel identifiziert. Am 6. März 1916, elf Monate nach seiner Gefangennahme, | Fast ein Jahr nach seiner Gefangennahme betrat er norwegischen Boden, fühlte sich in Sicherheit. Auf der deutschen Botschaft glaubte man ihm seine Geschichte nicht, gab ihm jedoch Geld für eine Fahrkarte nach Warnemünde. Dort angekommen, wurde er gleich verhaftet, man hielt ihn für einen russischen Spion, bis ihn ein Kamerad aus der Fliegerstaffel identifiziert. Am 6. März 1916, elf Monate nach seiner Gefangennahme, | ||
Zeile 236: | Zeile 305: | ||
===== 5 Bedingungen und Verhalten in Zwangssituationen ===== | ===== 5 Bedingungen und Verhalten in Zwangssituationen ===== | ||
==== Selbstbestimmung und Objekt ==== | ==== Selbstbestimmung und Objekt ==== | ||
+ | |||
Zweimal im [[wiki: | Zweimal im [[wiki: | ||
Zeile 249: | Zeile 319: | ||
==== Bei Kriegsausbruch in Feindesland ==== | ==== Bei Kriegsausbruch in Feindesland ==== | ||
+ | |||
Anzeichen für einen bevorstehenden Krieg gab es 1914 und 1939, doch wurden sie von vielen Menschen ignoriert, aus Leichtsinn, Dummheit, Realitätsverlust oder Naivität. Ihr Alltag verlief weitgehend normal, das Säbelrasseln der Diplomaten berührte anscheinend ihr Leben nicht. Sowohl die Kriegserklärung an Rußland 1914 als auch der Einmarsch in Polen 1939 erfolgten für den überwiegenden Teil der Bevölkerung überraschend, | Anzeichen für einen bevorstehenden Krieg gab es 1914 und 1939, doch wurden sie von vielen Menschen ignoriert, aus Leichtsinn, Dummheit, Realitätsverlust oder Naivität. Ihr Alltag verlief weitgehend normal, das Säbelrasseln der Diplomaten berührte anscheinend ihr Leben nicht. Sowohl die Kriegserklärung an Rußland 1914 als auch der Einmarsch in Polen 1939 erfolgten für den überwiegenden Teil der Bevölkerung überraschend, | ||
Zeile 260: | Zeile 331: | ||
==== Bei Kriegsausbruch im neutralen Ausland ==== | ==== Bei Kriegsausbruch im neutralen Ausland ==== | ||
+ | |||
Weltweit besteht nach einer Mobilmachung für jeden Deutschen die Pflicht, sich bei der nächsten deutschen Behörde zu melden, bei Konsulaten oder Botschaften. Wer seinen [[wiki: | Weltweit besteht nach einer Mobilmachung für jeden Deutschen die Pflicht, sich bei der nächsten deutschen Behörde zu melden, bei Konsulaten oder Botschaften. Wer seinen [[wiki: | ||
Zeile 268: | Zeile 340: | ||
==== Wer konnte reisen? ==== | ==== Wer konnte reisen? ==== | ||
- | Bei der ersten und zweiten Situation war es mit der [[wiki: | + | |
+ | Bei der ersten und zweiten Situation war es mit der [[wiki: | ||
Weitergehende Reisefreiheit hatten Bürger der neutralen Länder und so ist es kein Zufall, daß das einzige Beispiel eines freiwillig während des zweiten Weltkriegs Reisenden von einem Schweizer stammt ('' | Weitergehende Reisefreiheit hatten Bürger der neutralen Länder und so ist es kein Zufall, daß das einzige Beispiel eines freiwillig während des zweiten Weltkriegs Reisenden von einem Schweizer stammt ('' | ||
Zeile 275: | Zeile 348: | ||
==== Strategien der Flucht ==== | ==== Strategien der Flucht ==== | ||
+ | |||
Voraussetzung ist auf Seiten des Flüchtenden zunächst einmal der unbändige Wille zu fliehen verbunden mit dem Glauben an Erfolg. Nur die wenigsten Internierten haben diesen Impetus. Als von Dehra-Dun alle bisherigen Ausbrecher in ein Straflager verlegt werden, sind dies neunzehn Männer von knapp zweitausend Internierten! Die Mehrheit fand für sich andere Lösungen (( E. Kästner (Zeltbuch von Tumilad) beschreibt ausführlich die Wege, um Jahre im Lager geistig gesund zu überstehen. Das „Dasein im Leeren“ wurde für ihn erträglich, | Voraussetzung ist auf Seiten des Flüchtenden zunächst einmal der unbändige Wille zu fliehen verbunden mit dem Glauben an Erfolg. Nur die wenigsten Internierten haben diesen Impetus. Als von Dehra-Dun alle bisherigen Ausbrecher in ein Straflager verlegt werden, sind dies neunzehn Männer von knapp zweitausend Internierten! Die Mehrheit fand für sich andere Lösungen (( E. Kästner (Zeltbuch von Tumilad) beschreibt ausführlich die Wege, um Jahre im Lager geistig gesund zu überstehen. Das „Dasein im Leeren“ wurde für ihn erträglich, | ||
Rawitsch unterschiedet bei den Internierten verschiedene Typen: | Rawitsch unterschiedet bei den Internierten verschiedene Typen: | ||
Zeile 289: | Zeile 363: | ||
===== 6 Biographien ===== | ===== 6 Biographien ===== | ||
+ | |||
Biographische Angaben sind überwiegend den Reiseberichten entnommen. Diese herauszufinden bzw. abzuleiten bedurfte detektivischer Kleinarbeit. Einige Male lieferte das „Deutsche Biographische Archiv (Neue Folge)“ wertvolle Hinweise. Literaturangaben entstammen dem Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Bücher (GV). | Biographische Angaben sind überwiegend den Reiseberichten entnommen. Diese herauszufinden bzw. abzuleiten bedurfte detektivischer Kleinarbeit. Einige Male lieferte das „Deutsche Biographische Archiv (Neue Folge)“ wertvolle Hinweise. Literaturangaben entstammen dem Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Bücher (GV). | ||
==== Kurt Aram ==== | ==== Kurt Aram ==== | ||
+ | |||
(Pseudonym für Hans Fischer) | (Pseudonym für Hans Fischer) | ||
* 28.1.1869 in Lennep, + 10.7.1934. Autor weniger Reisebücher sowie geistreicher und fesselnd geschriebener Unterhaltungsliteratur, | * 28.1.1869 in Lennep, + 10.7.1934. Autor weniger Reisebücher sowie geistreicher und fesselnd geschriebener Unterhaltungsliteratur, | ||
Zeile 470: | Zeile 546: | ||
==== Herbert Paidar ==== | ==== Herbert Paidar ==== | ||
Bergsteiger, | Bergsteiger, | ||
- | - Zwischen Kantsch und Tibet. Erstbesteigung des Tent-Peak, 7363 m. Bildertagebuch einer neuen Sikkim-Kundfahrt 1939 der `Drei im Himalaja´. von Ernst Grob, Ludwig Schmaderer, Herbert Paidar. Bruckmann. München. 1940, 123 S., Abb., 1 Karte, 4°. (3. A. 1950, gr. 8°, 143 S.) | + | - Zwischen Kantsch und Tibet. |
- Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°. | - Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°. | ||
Zeile 516: | Zeile 592: | ||
* (2.) Das neue Asien. Brockhaus. Lpz. 1940. 287 S., 8° (7 Aufl.) | * (2.) Das neue Asien. Brockhaus. Lpz. 1940. 287 S., 8° (7 Aufl.) | ||
* (3.) Auf deutschem Boden um die Erde. Erinnerungen eines Weltreisenden. Schaffstein. Köln. 1934. 79 S., 8° | * (3.) Auf deutschem Boden um die Erde. Erinnerungen eines Weltreisenden. Schaffstein. Köln. 1934. 79 S., 8° | ||
- | * (4.) Südamerikanisches Auswanderer-ABC. Praktische Winke u. Ratschläge. Ausland u. Heimat. Stuttgart. 1921. 40 S., gr. 8° | + | * (4.) Südamerikanisches |
* (5.) Der [[wiki: | * (5.) Der [[wiki: | ||
* (6.) Im Balkankrieg. Singer. Strassburg. 1918. 125 S. | * (6.) Im Balkankrieg. Singer. Strassburg. 1918. 125 S. | ||
Zeile 547: | Zeile 623: | ||
==== Ludwig Schmaderer ==== | ==== Ludwig Schmaderer ==== | ||
Bergsteiger, | Bergsteiger, | ||
- | - Zwischen Kantsch und Tibet. Erstbesteigung des Tent-Peak, 7363 m. Bildertagebuch einer neuen Sikkim-Kundfahrt 1939 der `Drei im Himalaja´. Von Ernst Grob, Ludwig Schmaderer, Herbert Paidar. Bruckmann. München. 1940, 123 S., Abb., 1 Karte, 4°. (3. A. 1950, gr. 8°, 143 S.) | + | - Zwischen Kantsch und Tibet. |
- Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°. | - Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°. | ||
Zeile 556: | Zeile 632: | ||
siehe auch\\ | siehe auch\\ | ||
* [[wiki: | * [[wiki: | ||
- | * [[wiki:biographien|Literaturliste biographischer Reiseliteratur]] | + | * [[wiki:literaturliste_biographien|Literaturliste biographischer Reiseliteratur]] |
==== Anmerkungen ==== | ==== Anmerkungen ==== | ||
< | < |
wiki/flucht.1680849362.txt.gz · Zuletzt geändert: 2023/04/07 06:36 von norbert