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wiki:flucht

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 ==== Solidarität und Erfolg ==== ==== Solidarität und Erfolg ====
-Als klar wird, daß ein gemeinsamer Ausbruch für alle Vorteile bietet, plant man die Ausbruchsphase gemeinsam.  //„Ungelöst war noch das Problem des Herauskommens aus dem Lager. Die Flucht während eines Spazierganges schalteten wir von vornherein aus. Das hätte einen Parolebruch ((Als „Parole“ wurde eine unterzeichnete Selbstverpflichtung bezeichnet, in der man auf einen Fluchtversuch während eines offiziellen „Lagerurlaubs“ verzichtete.)) bedeutet, und im Falle des Nichtgelingens langjährige Haft oder Zwangsarbeit nach sich gezogen. Zunächst dachten wir daran, in der Nacht zu fliehen. Der Kommandant war für die Bewachung des Lagers nach Sonnenuntergang nicht verantwortlich, nahm daher auch eine nächtliche Flucht nicht besonders tragisch. Floh aber jemand bei Tag, gab es oft monatelang für die Internierten Ausgangsbeschränkungen und andere, fühlbare Vergeltungsmaßnahmen. Ganze Nächte beobachteten wir den Stand der Posten, ihre Gepflogenheiten und Bewegungen, ihre Ablösung und den automatischen Lichtwechsel der Scheinwerferlampen.“// ((Entsprechend der Genfer Konvention drohten jedem Flüchtling nach seiner Ergreifung 28 Tage Einzelhaft. Dieses Risiko ging man ein. Mischte man beim Stuhlgang etwas Tamarindensaft unter, kam man schnell ins Hospital und lag den Rest der Strafe dort ab.)) ((Sattler, Flucht durch den Himalaja ..., 12))+Als klar wird, daß ein gemeinsamer Ausbruch für alle Vorteile bietet, plant man die Ausbruchsphase gemeinsam.  //„Ungelöst war noch das Problem des Herauskommens aus dem Lager. Die Flucht während eines [[wiki:spaziergang|Spazierganges]] schalteten wir von vornherein aus. Das hätte einen Parolebruch ((Als „Parole“ wurde eine unterzeichnete Selbstverpflichtung bezeichnet, in der man auf einen Fluchtversuch während eines offiziellen „Lagerurlaubs“ verzichtete.)) bedeutet, und im Falle des Nichtgelingens langjährige Haft oder Zwangsarbeit nach sich gezogen. Zunächst dachten wir daran, in der Nacht zu fliehen. Der Kommandant war für die Bewachung des Lagers nach Sonnenuntergang nicht verantwortlich, nahm daher auch eine nächtliche Flucht nicht besonders tragisch. Floh aber jemand bei Tag, gab es oft monatelang für die Internierten Ausgangsbeschränkungen und andere, fühlbare Vergeltungsmaßnahmen. Ganze Nächte beobachteten wir den Stand der Posten, ihre Gepflogenheiten und Bewegungen, ihre Ablösung und den automatischen Lichtwechsel der Scheinwerferlampen.“// ((Entsprechend der Genfer Konvention drohten jedem Flüchtling nach seiner Ergreifung 28 Tage Einzelhaft. Dieses Risiko ging man ein. Mischte man beim Stuhlgang etwas Tamarindensaft unter, kam man schnell ins Hospital und lag den Rest der Strafe dort ab.)) ((Sattler, Flucht durch den Himalaja ..., 12))
  
 Die Gefangenen durften auf sogenannte Paroleausflüge gehen, wenn sie zuvor einen Zettel unterschrieben, daß sie außerhalb des Lagers mit niemandem sprechen würden, keine Verkehrsmittel verwendeten und keinen Fluchtversuch unternehmen würden. Man respektierte die Fairneß der Engländer und hielt sich an das Abkommen, nutzte jedoch die Ausflüge, um zu trainieren, die Gegend für die ersten Marschtage möglichst gut kennenzulernen, um [[wiki:ausruestung|Ausrüstung]] herauszuschmuggeln und Depots anzulegen. Ein deutscher Arzt im Lager besorgte Arzneien, ein Handwerker fabrizierte einen langen Dolch aus einer alten Autofeder, ein Pater, der bei den Tibetern missioniert hatte, informierte über Gebräuche und Sprache der Tibeter und zeichnete Karten. ''Aufschnaiter'' und ''Harrer'' besaßen noch die Expeditionsbücher und Karten der Nanga-Parbat-Expedition und nutzten sie zur genauen Planung der Fluchtroute. Die Gefangenen durften auf sogenannte Paroleausflüge gehen, wenn sie zuvor einen Zettel unterschrieben, daß sie außerhalb des Lagers mit niemandem sprechen würden, keine Verkehrsmittel verwendeten und keinen Fluchtversuch unternehmen würden. Man respektierte die Fairneß der Engländer und hielt sich an das Abkommen, nutzte jedoch die Ausflüge, um zu trainieren, die Gegend für die ersten Marschtage möglichst gut kennenzulernen, um [[wiki:ausruestung|Ausrüstung]] herauszuschmuggeln und Depots anzulegen. Ein deutscher Arzt im Lager besorgte Arzneien, ein Handwerker fabrizierte einen langen Dolch aus einer alten Autofeder, ein Pater, der bei den Tibetern missioniert hatte, informierte über Gebräuche und Sprache der Tibeter und zeichnete Karten. ''Aufschnaiter'' und ''Harrer'' besaßen noch die Expeditionsbücher und Karten der Nanga-Parbat-Expedition und nutzten sie zur genauen Planung der Fluchtroute.
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 ''Slavomir Rawitsch'', Leutnant der polnischen Kavallerie, wurde nach dem Zusammenbruch der polnischen Armee am 19.11.1939 von den Russen gefangengenommen, er war gerade 24 Jahre alt. Verhöre, Einzelhaft und Folter in den Gefängnissen von Minsk, Charkow und in der Lubjanka in Moskau gingen seiner Verurteilung voraus, die für ihn fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeit in Sibirien vorsah. Ende November 1940 wurde er zusammen mit etwa 60 anderen Verurteilten in einen Viehwaggon gesperrt, der für 8 Pferde vorgesehen war. Es war so eng, daß sich niemand setzen kann. //„Die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag über durften wir die Waggons nicht einmal verlassen. ... Die Männer mußten sich im Stehen entleeren. Der Gestank war unerträglich.“// ((Rawitsch, 41))  Mitte Dezember kamen sie in Irkutsk an, 5000 Männer wurden auf einem Kartoffelfeld versammelt. Nach drei Tagen gab es Winterkleidung, dann wurden sie in einer Reihe aneinander gekettet. 1.600 Kilometer Fußmarsch lagen vor ihnen. Ihr Ziel, das Lager 303 am Nordufer der Lena, etwa 350 Kilometer südlich von Irkutsk, erreichten sie nach zwei Monaten, im Februar 1941. ''Slavomir Rawitsch'', Leutnant der polnischen Kavallerie, wurde nach dem Zusammenbruch der polnischen Armee am 19.11.1939 von den Russen gefangengenommen, er war gerade 24 Jahre alt. Verhöre, Einzelhaft und Folter in den Gefängnissen von Minsk, Charkow und in der Lubjanka in Moskau gingen seiner Verurteilung voraus, die für ihn fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeit in Sibirien vorsah. Ende November 1940 wurde er zusammen mit etwa 60 anderen Verurteilten in einen Viehwaggon gesperrt, der für 8 Pferde vorgesehen war. Es war so eng, daß sich niemand setzen kann. //„Die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag über durften wir die Waggons nicht einmal verlassen. ... Die Männer mußten sich im Stehen entleeren. Der Gestank war unerträglich.“// ((Rawitsch, 41))  Mitte Dezember kamen sie in Irkutsk an, 5000 Männer wurden auf einem Kartoffelfeld versammelt. Nach drei Tagen gab es Winterkleidung, dann wurden sie in einer Reihe aneinander gekettet. 1.600 Kilometer Fußmarsch lagen vor ihnen. Ihr Ziel, das Lager 303 am Nordufer der Lena, etwa 350 Kilometer südlich von Irkutsk, erreichten sie nach zwei Monaten, im Februar 1941.
 Vom ersten Tag an beschäftigte sich Rawitsch mit Fluchtgedanken, suchte vorsichtig tastend nach geeigneten Fluchtkameraden und fand schließlich sechs Fluchtwillige: den Amerikaner ''Smith'', einen Ingenieur, den man wegen Spionageverdacht zu zwanzig Jahren Arbeitslager verurteilt hatte; ''Eugen Zavo'', einen dreißig Jahre alten Jugoslawen, der zuletzt als Buchhalter tätig gewesen war; ''Anastasi Kolomenos'', einen blonden Hünen, 27 Jahre alt, der in Litauen einen Hof gehabt hatte; ''Sigmund Makowski'', 37 Jahre alt und Hauptmann der polnischen Armee; ''Zacharius Marchinkowas'', einen knapp dreißigjährigen Architekten aus Litauen und schließlich ''Anton Paluchowitsch'', 41 Jahre alt, einen polnischen Kavallerie-Feldwebel. Sie entschieden sich für eine Flucht nach Süden, Richtung Mongolei und weiter zum Himalaya. Dies ist mit 1.500 Kilometern zur mongolischen Grenze der zwar längste, aber auch der sicherste Weg, da wenig bevölkert und wenig kontrolliert.\\  Vom ersten Tag an beschäftigte sich Rawitsch mit Fluchtgedanken, suchte vorsichtig tastend nach geeigneten Fluchtkameraden und fand schließlich sechs Fluchtwillige: den Amerikaner ''Smith'', einen Ingenieur, den man wegen Spionageverdacht zu zwanzig Jahren Arbeitslager verurteilt hatte; ''Eugen Zavo'', einen dreißig Jahre alten Jugoslawen, der zuletzt als Buchhalter tätig gewesen war; ''Anastasi Kolomenos'', einen blonden Hünen, 27 Jahre alt, der in Litauen einen Hof gehabt hatte; ''Sigmund Makowski'', 37 Jahre alt und Hauptmann der polnischen Armee; ''Zacharius Marchinkowas'', einen knapp dreißigjährigen Architekten aus Litauen und schließlich ''Anton Paluchowitsch'', 41 Jahre alt, einen polnischen Kavallerie-Feldwebel. Sie entschieden sich für eine Flucht nach Süden, Richtung Mongolei und weiter zum Himalaya. Dies ist mit 1.500 Kilometern zur mongolischen Grenze der zwar längste, aber auch der sicherste Weg, da wenig bevölkert und wenig kontrolliert.\\ 
-Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, ein Stück, und schneiderten sich daraus warme Kleidung, Mokassins, Gürtel, Riemen, Gamaschen und Balaklawa-Fellmützen (( Balaklawa-Mützen bedecken den ganzen Kopf, oft auch noch den Hals, und haben lediglich Löcher für Augen und Mund.)); sie konnten eine Axt erbeuten und Rawitsch schmiedete sich ein Messer aus den Resten einer gebrochenen Säge; aus Holz geschnitzte Löffel und ein einziger Aluminiumbecher bildeten das gesamte Kochgeschirr. Interessant ist ihre Methode, sich mangels Streichhölzern eine Art Feuerzeug zu basteln: //„Man verwendete das schwammartige Gubkamoos, das sich von den Bäumen abreißen läßt. Zum Feueranmachen braucht man dann nur noch einen gebrochenen Nagel und ein Stück Feuerstein. ((Dieses System wurde von den Russen „Chakkalo-bakkalo“ genannt.)) Das trockene Gubka, das wir alle vorrätig bei uns hatten, entzündete sich am Funken des Feuersteins und brannte, wenn es angeblasen wurde, mit schwelender Flamme.“// ((Rawitsch, 119))  Im April 1941 waren die Vorbereitungen abgeschlossen und in einer Nacht, als dichter Schneefall jede Sicht nahm und ihre Spuren rasch verdecken würde, entkamen die sieben über die gestaffelte Befestigungsanlage. Als besonderen [[wiki:kniff|Trick]] zogen sie ein Schaffell hinter sich her, damit sollte die Witterung der Hunde vom Menschen abgelenkt werden.\\ +Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, ein Stück, und schneiderten sich daraus warme Kleidung, Mokassins, [[wiki:guertel|Gürtel]], Riemen, Gamaschen und Balaklawa-Fellmützen (( Balaklawa-Mützen bedecken den ganzen Kopf, oft auch noch den Hals, und haben lediglich Löcher für Augen und Mund.)); sie konnten eine Axt erbeuten und Rawitsch schmiedete sich ein Messer aus den Resten einer gebrochenen Säge; aus Holz geschnitzte Löffel und ein einziger Aluminiumbecher bildeten das gesamte Kochgeschirr. Interessant ist ihre Methode, sich mangels Streichhölzern eine Art Feuerzeug zu basteln: //„Man verwendete das schwammartige Gubkamoos, das sich von den Bäumen abreißen läßt. Zum Feueranmachen braucht man dann nur noch einen gebrochenen Nagel und ein Stück Feuerstein. ((Dieses System wurde von den Russen „Chakkalo-bakkalo“ genannt.)) Das trockene Gubka, das wir alle vorrätig bei uns hatten, entzündete sich am Funken des Feuersteins und brannte, wenn es angeblasen wurde, mit schwelender Flamme.“// ((Rawitsch, 119))  Im April 1941 waren die Vorbereitungen abgeschlossen und in einer Nacht, als dichter Schneefall jede Sicht nahm und ihre Spuren rasch verdecken würde, entkamen die sieben über die gestaffelte Befestigungsanlage. Als besonderen [[wiki:kniff|Trick]] zogen sie ein Schaffell hinter sich her, damit sollte die Witterung der Hunde vom Menschen abgelenkt werden.\\ 
 Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, erhöhten sie ihr Tagespensum auf bis zu fünfzig Kilometer. Manchmal konnten sie den kargen Speisezettel etwas aufbessern, so, als sie ein Loch in einen zugefrorenen Fluß hackten:  „Das Wasser quoll als Fontäne in die Höhe und strudelte eisig um unsere Füße. Und siehe da - vier Fische, so groß wie Heringe, kamen an die Oberfläche. Aufgeregt wie Schuljungen stürzten wir uns auf unsere Beute.“ ((Rawitsch, 132)) Ein andermal gelang es ihnen, einen sibirischen Hasen zu fangen. Rawitsch war der einzige, der sich auf Weidmannskunst und Jägerkniffe verstand, alle anderen waren Städter. Neun Tage nach ihrem Ausbruch erreichten sie die Lena, scheuen aber weiterhin die Begegnung mit Menschen: //„Die wenigen Straßen, auf die wir stießen, überquerten wir nur nach eingehender vorheriger Erkundung. Manchmal sahen wir nachts in der Ferne die Lichter eines Dorfes oder einer kleinen Stadt und am Tage die Umrisse von Häusern und rauchende hohe Schornsteine. In solchen Gegenden bewegten wir uns besonders vorsichtig.“// ((Rawitsch, 143)) Während die Wochen vergehen, schlich sich der Frühling ins Land, das Eis auf den Flüssen wurde dünner und machte oft das Durchschwimmen der Flußmitte nötig. Auf Höhe des Baikalsees schloß sich ihnen ein siebzehnjähriges polnisches Mädchen, Kristina, an, das ebenfalls ausgerissen war.\\  Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, erhöhten sie ihr Tagespensum auf bis zu fünfzig Kilometer. Manchmal konnten sie den kargen Speisezettel etwas aufbessern, so, als sie ein Loch in einen zugefrorenen Fluß hackten:  „Das Wasser quoll als Fontäne in die Höhe und strudelte eisig um unsere Füße. Und siehe da - vier Fische, so groß wie Heringe, kamen an die Oberfläche. Aufgeregt wie Schuljungen stürzten wir uns auf unsere Beute.“ ((Rawitsch, 132)) Ein andermal gelang es ihnen, einen sibirischen Hasen zu fangen. Rawitsch war der einzige, der sich auf Weidmannskunst und Jägerkniffe verstand, alle anderen waren Städter. Neun Tage nach ihrem Ausbruch erreichten sie die Lena, scheuen aber weiterhin die Begegnung mit Menschen: //„Die wenigen Straßen, auf die wir stießen, überquerten wir nur nach eingehender vorheriger Erkundung. Manchmal sahen wir nachts in der Ferne die Lichter eines Dorfes oder einer kleinen Stadt und am Tage die Umrisse von Häusern und rauchende hohe Schornsteine. In solchen Gegenden bewegten wir uns besonders vorsichtig.“// ((Rawitsch, 143)) Während die Wochen vergehen, schlich sich der Frühling ins Land, das Eis auf den Flüssen wurde dünner und machte oft das Durchschwimmen der Flußmitte nötig. Auf Höhe des Baikalsees schloß sich ihnen ein siebzehnjähriges polnisches Mädchen, Kristina, an, das ebenfalls ausgerissen war.\\ 
 In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die [[wiki:lebensmittel|Lebensmittel]] knapp, oft hungerten sie tagelang. Vor Verlassen der Sowjetunion gruben sie auf einem Acker einen Zentner Frühkartoffel aus, manchmal fanden sie Pilze und einmal hatten sie das Glück, einen Hirsch erlegen zu können, der sich mit dem Geweih in der Krone eines umgestürzten Baumes verfangen hatte.\\  In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die [[wiki:lebensmittel|Lebensmittel]] knapp, oft hungerten sie tagelang. Vor Verlassen der Sowjetunion gruben sie auf einem Acker einen Zentner Frühkartoffel aus, manchmal fanden sie Pilze und einmal hatten sie das Glück, einen Hirsch erlegen zu können, der sich mit dem Geweih in der Krone eines umgestürzten Baumes verfangen hatte.\\ 
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 ==== Alles im Lot auf'm Boot ==== ==== Alles im Lot auf'm Boot ====
-Er kaufte sich im Juli 1945 ein Schiff, die// „Speranza“,// und verließ Ende August England über die Themse, als erster privater Schiffsführer nach dem Krieg, dabei Spezialkarten der //Royal Navy// benutzend, die die noch existierenden Minenfelder enthielten. Er hatte versprechen müssen, die Karten nach Passieren der Minenfelder sofort zu vernichten. In Lissabon überwinterte er an Bord seines Schiffes:  //„Am Nachmittag kamen meist Bekannte, die ihren Bekannten das Schiff zeigen wollten, und abends mußte im neu angeschafften Smoking zu einer der vielen Einladungen gegangen werden, wo alte Bestellungen [für bedruckte Tücher] abgeliefert und neue Aufträge angenommen wurden. Gesellschaftliches Leben war für mich zur Notwendigkeit geworden. ... Nach den schweren Winterregen ... drehte ich ... einen Dokumentarfilm über Kork. Mehr als eine Woche verbrachte ich in den ausgedehnten Korkwäldern im Süden Portugals.“// ((Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 331)) Zwei weitere Filme haben den Stierkampf und einen „Spaziergang durch Lissabon“ zum Thema.\\ +Er kaufte sich im Juli 1945 ein Schiff, die// „Speranza“,// und verließ Ende August England über die Themse, als erster privater Schiffsführer nach dem Krieg, dabei Spezialkarten der //Royal Navy// benutzend, die die noch existierenden Minenfelder enthielten. Er hatte versprechen müssen, die Karten nach Passieren der Minenfelder sofort zu vernichten. In Lissabon überwinterte er an Bord seines Schiffes:  //„Am Nachmittag kamen meist Bekannte, die ihren Bekannten das Schiff zeigen wollten, und abends mußte im neu angeschafften Smoking zu einer der vielen Einladungen gegangen werden, wo alte Bestellungen [für bedruckte Tücher] abgeliefert und neue Aufträge angenommen wurden. Gesellschaftliches Leben war für mich zur Notwendigkeit geworden. ... Nach den schweren Winterregen ... drehte ich ... einen Dokumentarfilm über Kork. Mehr als eine Woche verbrachte ich in den ausgedehnten Korkwäldern im Süden Portugals.“// ((Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 331)) Zwei weitere Filme haben den Stierkampf und einen „[[wiki:spaziergang|Spaziergang]] durch Lissabon“ zum Thema.\\ 
 Am 11. März 1946 segelte er schließlich weiter. Drei Wochen blieb er in Tanger, ebenso lange in Gibraltar, und hielt dort Vorträge über Einhandsegeln vor den englischen Offizieren und Kadetten. Den vorläufigen Abschluß seiner zwölfjährigen Vagabundenzeit auf dem Meer bildete die Überquerung des Atlantiks in der Rekordzeit von 58 Tagen über Neufundland und Neuschottland. Es schlossen sich drei Jahre in Amerika an und im April 1949 finden wir ihn in Alaska überwinternd und dieses Buch schreibend. Drei Vortragsreisen durch die USA und Deutschland folgten 1949/50. Am 11. März 1946 segelte er schließlich weiter. Drei Wochen blieb er in Tanger, ebenso lange in Gibraltar, und hielt dort Vorträge über Einhandsegeln vor den englischen Offizieren und Kadetten. Den vorläufigen Abschluß seiner zwölfjährigen Vagabundenzeit auf dem Meer bildete die Überquerung des Atlantiks in der Rekordzeit von 58 Tagen über Neufundland und Neuschottland. Es schlossen sich drei Jahre in Amerika an und im April 1949 finden wir ihn in Alaska überwinternd und dieses Buch schreibend. Drei Vortragsreisen durch die USA und Deutschland folgten 1949/50.
 Meiss-Teuffen war unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, lange Zeit während des Krieges und unmittelbar nach dessen Ende wieder. Nirgends erwähnt er die Begegnung mit anderen Reisenden; das Maß der Aufmerksamkeit, das ihm unterwegs zuteil wird, läßt ihn als Reisenden einzigartig dastehen. Meiss-Teuffen war unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, lange Zeit während des Krieges und unmittelbar nach dessen Ende wieder. Nirgends erwähnt er die Begegnung mit anderen Reisenden; das Maß der Aufmerksamkeit, das ihm unterwegs zuteil wird, läßt ihn als Reisenden einzigartig dastehen.
wiki/flucht.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/07 06:46 von norbert

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