wiki:flucht
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Während der größten Hitze und der Mittagsruhe, | Während der größten Hitze und der Mittagsruhe, | ||
- | Frech durchschritten zwei englische Offiziere mit fünf indischen Kulis das Lagertor, bepackt mit Leiter und Stacheldraht, | + | Frech durchschritten zwei englische Offiziere mit fünf indischen Kulis das Lagertor, bepackt mit Leiter und Stacheldraht, |
Sie marschierten nur nachts. In zwei Wochen sollte der Weg zur tibetischen Grenze zurückgelegt werden, der Proviant war genau eingeteilt. Tags wurden Ausrüstung, | Sie marschierten nur nachts. In zwei Wochen sollte der Weg zur tibetischen Grenze zurückgelegt werden, der Proviant war genau eingeteilt. Tags wurden Ausrüstung, | ||
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==== Eine Pille gegen jedes Übel ==== | ==== Eine Pille gegen jedes Übel ==== | ||
- | Kopp und Krämer gaben sich häufig als Ärzte aus, ebenso wie Harrer und Aufschnaiter ein Jahr später. Zur Legitimation genügte der Anblick der mitgebrachten Medikamente und Instrumente. Das Vertrauen der Bevölkerung ließ sich so rasch gewinnen, viele wollten behandelt werden. Sie erhielten kaum Geld, doch Nahrungsmittel und Unterkunft. // „Besonders ein koloriertes anatomisches Bild des menschlichen Körpers erregte gewaltiges Aufsehen. Um einer Verschwendung unserer kostbaren Medizinen zu steuern, hatten wir uns selbst Mittelchen aus einem Mehlbrei bereitet, dem wir durch Atebrin ((Ein von Bayer 1932 entwickelter und früher gegen Malaria verwendeter Farbstoff.)) und Salz Geschmack und mit Permanganat ((Kaliumpermanganat ist in Kristallen erhältlich und kann in verdünnter Lösung zum Desinfizieren verwendet werden. Schon geringste Mengen färben intensiv violett.)) Farbe verliehen. Diesen schönen Brei rollten wir dünn aus und schnitten daraus Tabletten, die vorsichtig an der Sonne getrocknet wurden. Dann füllten wir unsere Wundertabletten in Original-Bayer-Ampullen, | + | Kopp und Krämer gaben sich häufig als Ärzte aus, ebenso wie Harrer und Aufschnaiter ein Jahr später. Zur Legitimation genügte der Anblick der mitgebrachten Medikamente und Instrumente. Das *[[wiki: |
==== Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt ==== | ==== Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt ==== | ||
Am 24. Juni trafen Kopp und Harrer in Tibet wieder auf Aufschnaiter, | Am 24. Juni trafen Kopp und Harrer in Tibet wieder auf Aufschnaiter, | ||
- | In Gartok erhielten unsere drei Reisenden erstmals einen Reisepaß für Tibet, der die einzelnen Stationen ihrer Reise auswies und für die Ausreise nach Nepal galt. Alle drei schworen, sich daran zu halten und brachen am 13. Juli auf. Mehrere Wochen waren sie nun unterwegs mit '' | + | In Gartok erhielten unsere drei Reisenden erstmals einen Reisepaß für Tibet, der die einzelnen Stationen ihrer Reise auswies und für die Ausreise nach Nepal galt. Alle drei schworen, sich daran zu halten und brachen am 13. Juli auf. Mehrere Wochen waren sie nun unterwegs mit '' |
Als nach drei Monaten die Antwort eintraf, hatte sich Kopp bereits verabschiedet und war unterwegs nach Nepal. Harrer, der noch über genügend Geld verfügte, blieb mit dem erfahrenen und sprachkundigen Aufschnaiter zurück: | Als nach drei Monaten die Antwort eintraf, hatte sich Kopp bereits verabschiedet und war unterwegs nach Nepal. Harrer, der noch über genügend Geld verfügte, blieb mit dem erfahrenen und sprachkundigen Aufschnaiter zurück: | ||
==== Warten auf die Gunst des Schicksals ==== | ==== Warten auf die Gunst des Schicksals ==== | ||
- | Das Schreiben gab ihnen immerhin die Erlaubnis, noch bis in den Ort Kyirong zu ziehen, nur acht Kilometer von der nepalischen Grenze entfernt. Das nutzten die beiden aus und blieben zehn Monate in Kyirong: //„Einen guten Teil unserer Zeit und Energie verwendeten wir für die Beschaffung von Lebensmitteln zu optimal ausgehandelten Preisen und fürs Kochen. Ich muß sagen, daß ich eine solche Existenz gar nicht so unbefriedigend fand. Wir überlegten uns manchmal, wie wir hier einige Jahre verbringen könnten. Für jemanden, der in einer voll ausgefüllten Arbeit drinsteckt, wäre ein solches Dasein wahrscheinlich unvorstellbar gewesen und wäre als Abstieg angesehen worden, für uns jedoch war es besser, zumindest in dieser Weise zu existieren, statt über kommende Höllen brütend vor sich hinzustieren.“// | + | Das Schreiben gab ihnen immerhin die Erlaubnis, noch bis in den Ort Kyirong zu ziehen, nur acht Kilometer von der nepalischen Grenze entfernt. Das nutzten die beiden aus und blieben zehn Monate in Kyirong: //„Einen guten Teil unserer Zeit und Energie verwendeten wir für die Beschaffung von [[wiki: |
Harrer und Aufschnaiter legten sich während ihrer Zeit in Kyirong ein Depot außerhalb des Ortes an, um für eine eventuelle Flucht im Falle einer plötzlichen Ausweisung gerüstet zu sein, denn sie wollten keinesfalls nach Nepal. Nachts stahlen sie sich, als „Tote“ verkleidet, aus dem Dorf, denn die Einheimischen hatten Angst vor in der Nacht umherirrenden Gespenstern, | Harrer und Aufschnaiter legten sich während ihrer Zeit in Kyirong ein Depot außerhalb des Ortes an, um für eine eventuelle Flucht im Falle einer plötzlichen Ausweisung gerüstet zu sein, denn sie wollten keinesfalls nach Nepal. Nachts stahlen sie sich, als „Tote“ verkleidet, aus dem Dorf, denn die Einheimischen hatten Angst vor in der Nacht umherirrenden Gespenstern, | ||
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Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, | Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, | ||
- | Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, | + | Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, |
- | Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten Mientsche. Über Honan, Tschentschou gelangen sie nach Hankau und werden vom deutschen Konsul aufgenommen. Doch drei Monate später erreicht der Krieg auch diesen Winkel der Welt: China hat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Als Diplomat hat Hentig eingentlich freies Geleit, doch das ist Theorie: die chinesischen Beamten verzögern die Ausstellung der Reisepapiere immer wieder, die Engländer verweigern sie, die Franzosen reagieren gar nicht, die Amerikaner wollen zunächst, dann wieder nicht. Kurzum: Man sitzt fest.// „Die schönen Wege, die im Anfang des Krieges noch Flüchtlingen offenstanden, | + | Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten |
- | Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, | + | Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, |
- | Zu seiner Überraschung wird er nach einiger Zeit freigelassen, | + | Zu seiner Überraschung wird er nach einiger Zeit freigelassen, |
Die Art der Schilderung hebt sich angenehm von ähnlichen Publikationen aus den Kriegsjahren ab. Hentig bekennt sich als Deutscher, schildert seine Erlebnisse jedoch ohne jeden Hurra-Patriotismus. Erfahrungen, | Die Art der Schilderung hebt sich angenehm von ähnlichen Publikationen aus den Kriegsjahren ab. Hentig bekennt sich als Deutscher, schildert seine Erlebnisse jedoch ohne jeden Hurra-Patriotismus. Erfahrungen, | ||
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==== 3.2 Der 2. Weltkrieg 1939-1945 ==== | ==== 3.2 Der 2. Weltkrieg 1939-1945 ==== | ||
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- | Ausgerüstet war er mit einem zwei Meter langen Zeltstock, der ihm mit seinen eisenbeschlagenen Spitzen als Waffe dienen sollte. Aufpassen mußte er aber auch vor den anderen Internierten: | + | Ausgerüstet war er mit einem zwei Meter langen |
Drei Tage lief er ohne Wasser, dann brach er zusammen. Beduinen fanden ihn, gaben ihm Wasser und bei den Beduinen blieb er, als sie seine Qualitäten als Arzt entdeckten. Der nur geduldete Flüchtling wurde zum //Hakim Alemanni// mit Ruf und Ansehen. Als solcher praktizierte er in einem Beduinenzelt, | Drei Tage lief er ohne Wasser, dann brach er zusammen. Beduinen fanden ihn, gaben ihm Wasser und bei den Beduinen blieb er, als sie seine Qualitäten als Arzt entdeckten. Der nur geduldete Flüchtling wurde zum //Hakim Alemanni// mit Ruf und Ansehen. Als solcher praktizierte er in einem Beduinenzelt, | ||
Etwa ein Jahr blieb er bei den Beduinen, lernte deren Sprache, kleidete sich wie sie, paßte sich an, auch wenn es ihm hin und wieder schwerfiel: // „Ich war bevorzugter Gast. `Hier ist etwas Gutes für dich, Salameh!“ sagte der Onkel und hielt mir mit seinen schmutzigen Fingern ein Auge des Hammels hin. Kaum eine Situation im Krieg hatte mich soviel Todesverachtung gekostet wie das würgende Hinunterschlucken solcher Gastbrocken. ... Der Onkel jedoch, der mich ins Herz geschlossen hatte, streifte sich die Ärmel hoch, beugte sich so weit vor, daß sein Bart beinahe mit dem Gericht in Berührung kam, griff ein paarmal ein Stück Fleisch heraus und prüfte es, ob es auch gut genug war für den Gast; aber jedes Stück warf er wieder zurück, bis er endlich vom Besten das Allerbeste für mich gefunden hatte. ... Es war ein Stück Schwanzfett, | Etwa ein Jahr blieb er bei den Beduinen, lernte deren Sprache, kleidete sich wie sie, paßte sich an, auch wenn es ihm hin und wieder schwerfiel: // „Ich war bevorzugter Gast. `Hier ist etwas Gutes für dich, Salameh!“ sagte der Onkel und hielt mir mit seinen schmutzigen Fingern ein Auge des Hammels hin. Kaum eine Situation im Krieg hatte mich soviel Todesverachtung gekostet wie das würgende Hinunterschlucken solcher Gastbrocken. ... Der Onkel jedoch, der mich ins Herz geschlossen hatte, streifte sich die Ärmel hoch, beugte sich so weit vor, daß sein Bart beinahe mit dem Gericht in Berührung kam, griff ein paarmal ein Stück Fleisch heraus und prüfte es, ob es auch gut genug war für den Gast; aber jedes Stück warf er wieder zurück, bis er endlich vom Besten das Allerbeste für mich gefunden hatte. ... Es war ein Stück Schwanzfett, | ||
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==== 3.4 Entkommen aus Sibirien ==== | ==== 3.4 Entkommen aus Sibirien ==== | ||
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Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, | Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, | ||
Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, | Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, | ||
- | In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die Lebensmittel knapp, oft hungerten sie tagelang. Vor Verlassen der Sowjetunion gruben sie auf einem Acker einen Zentner Frühkartoffel aus, manchmal fanden sie Pilze und einmal hatten sie das Glück, einen Hirsch erlegen zu können, der sich mit dem Geweih in der Krone eines umgestürzten Baumes verfangen hatte.\\ | + | In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die [[wiki: |
In der besiedelten äußeren Mongolei trafen sie auf gastfreundliche Bewohner, die ihnen öfters mit Lebensmitteln aushalfen. Zunehmend wurde die Gegend karger und sandiger, ein Anzeichen für die nahende Wüste Gobi, die sie zu Fuß durchquerten, | In der besiedelten äußeren Mongolei trafen sie auf gastfreundliche Bewohner, die ihnen öfters mit Lebensmitteln aushalfen. Zunehmend wurde die Gegend karger und sandiger, ein Anzeichen für die nahende Wüste Gobi, die sie zu Fuß durchquerten, | ||
Zu viert begegneten sie wenige Tage später einer indischen Militärpatrouille, | Zu viert begegneten sie wenige Tage später einer indischen Militärpatrouille, | ||
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==== I am sailin' | ==== I am sailin' | ||
- | Afrika lockt ihn. In Brindisi, wo er eigentlich auf den Dampfer nach Griechenland wartet, kauft er spontan die //„Santa Barbara“,// | + | Afrika lockt ihn. In Brindisi, wo er eigentlich auf den Dampfer nach Griechenland wartet, kauft er spontan die //„Santa Barbara“,// |
==== Illegal in Palästina ==== | ==== Illegal in Palästina ==== | ||
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==== Schiffbruch und Landurlaub ==== | ==== Schiffbruch und Landurlaub ==== | ||
- | In der vierten Nacht nach dem Auslaufen aus Freetown in Sierra Leone erlitt er Schiffbruch. Mit seinem Beiboot rettet er sich an Land, kann noch seine Papiere, Geld, Wasser und Lebensmittel an sich raffen, bevor die „Ruetli 650“ endgültig in der Nähe des Ufers sinkt. Mit einigen Tauchgängen holt er am nächsten Tag die wichtigsten Sachen aus dem Schiff heraus. Dann ging er zu Fuß nach Freetown: //„Mit einem improvisierten Rucksack auf dem Rücken, der nur Konserven und Trinkwasser in Flaschen enthielt und der mir in der Nacht als Decke diente, begann ich den Hundertmeilenmarsch.“// | + | In der vierten Nacht nach dem Auslaufen aus Freetown in Sierra Leone erlitt er Schiffbruch. Mit seinem Beiboot rettet er sich an Land, kann noch seine Papiere, Geld, Wasser und [[wiki: |
Acht Tage lief er, elf Monate saß er in Freetown fest, dann, im März 1943 konnte er auf einem Frachter nach Kapstadt fahren. Dachte er. Denn nach zwei Tagen drehte der Frachter und fuhr stattdessen nach England. Nach einigen Tagen erfolgte ein Luftangriff, | Acht Tage lief er, elf Monate saß er in Freetown fest, dann, im März 1943 konnte er auf einem Frachter nach Kapstadt fahren. Dachte er. Denn nach zwei Tagen drehte der Frachter und fuhr stattdessen nach England. Nach einigen Tagen erfolgte ein Luftangriff, | ||
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=== Flucht aus Sibirien === | === Flucht aus Sibirien === | ||
Killinger beschloß, nach sechs Monaten Kriegsgefangenschaft während der Fahrt zu fliehen. An der Abzweigung bei Kaidalowskoje, | Killinger beschloß, nach sechs Monaten Kriegsgefangenschaft während der Fahrt zu fliehen. An der Abzweigung bei Kaidalowskoje, | ||
- | In einem Rucksack trugen sie einige bescheidene Vorräte mit sich: Brot und Wurst mußten erst im Mund aufgetaut werden, bevor man sie beißen konnte; Schnee diente als Wasserersatz und kühlte den Körper zusätzlich aus; Mäntel, Schals und Handschuhe hatten sie nicht mehr. Wege gab es nicht, Pfade mieden sie aus Angst vor unerwarteten Begegnungen. Erst als die Vorräte zu Ende gingen und der Hunger sie dazu brachte, eine Kerze zu essen, suchten sie auch abseits liegende Gehöfte auf: //„Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, mit Gebärden unsere Wünsche darzutun, hatten wir bald herausgefunden. daß man zunächst das Vertrauen dieser Leute gewinnen mußte, was am schnellsten durch Erregung ihrer Neugier geschah. Wenn Obermaschinist L. seine schon lange verrostete Taschenuhr herauszog, die wir dann interessiert betrachteten, | + | In einem [[wiki: |
Die Leute waren gutmütig und gastfreundlich, | Die Leute waren gutmütig und gastfreundlich, | ||
Nach etwa vierzehn Tagen gelangten sie in eine kleine Stadt namens Mompanse und schlugen von dort den Weg nach Kirin ein, einer Stadt, die an dem Fluß Sungari liegt, etwa in der Mitte zwischen Mukden ((Heute Shenyang)) und Charbin ((Heute „Harbin“)). In Kirin angekommen, wurden sie von einem der beiden dort ansässigen Deutschen freundlich bewirtet. Dieser erzählte, daß bereits ein halbes Jahr vorher elf deutsche und österreichische Offiziere die Flucht auf der gleichen Route versucht hätten, jedoch nur vier hätten Kirin lebend erreicht und wären nun in Tientsin interniert.\\ | Nach etwa vierzehn Tagen gelangten sie in eine kleine Stadt namens Mompanse und schlugen von dort den Weg nach Kirin ein, einer Stadt, die an dem Fluß Sungari liegt, etwa in der Mitte zwischen Mukden ((Heute Shenyang)) und Charbin ((Heute „Harbin“)). In Kirin angekommen, wurden sie von einem der beiden dort ansässigen Deutschen freundlich bewirtet. Dieser erzählte, daß bereits ein halbes Jahr vorher elf deutsche und österreichische Offiziere die Flucht auf der gleichen Route versucht hätten, jedoch nur vier hätten Kirin lebend erreicht und wären nun in Tientsin interniert.\\ | ||
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Wer sich derart unvermittelt in Feindesland wiederfand konnte mit etwas Glück, Papieren, Geld und schneller Entschlußkraft noch in neutrale Länder ausreisen. Walter-Eberhard Freiherr von Medem hat soviel Glück, als er kurz vor der Kriegserklärung Englands noch an Bord eines deutschen Dampfers kommt. John Hagenbeck empört sich über seine Ausweisung aus Ceylon, wo er schon viele Jahre lebte, doch die zurückgebliebenen Deutschen wurden entgegen aller Zusagen interniert. Nur selten gelang es Reisenden, im jeweiligen Aufenthaltsland zu bleiben und normal zu leben: Hans Helfritz war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Südamerika, | Wer sich derart unvermittelt in Feindesland wiederfand konnte mit etwas Glück, Papieren, Geld und schneller Entschlußkraft noch in neutrale Länder ausreisen. Walter-Eberhard Freiherr von Medem hat soviel Glück, als er kurz vor der Kriegserklärung Englands noch an Bord eines deutschen Dampfers kommt. John Hagenbeck empört sich über seine Ausweisung aus Ceylon, wo er schon viele Jahre lebte, doch die zurückgebliebenen Deutschen wurden entgegen aller Zusagen interniert. Nur selten gelang es Reisenden, im jeweiligen Aufenthaltsland zu bleiben und normal zu leben: Hans Helfritz war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Südamerika, | ||
- | Wer es nicht schaffte, sich rechtzeitig abzusetzen, dem drohte neben dem Unwillen der Bevölkerung Hausarrest, die Internierung in Gefängnis, Zuchthaus oder Konzentrationslager. Concentration camps gab es bei den Engländern bereits im Ersten Weltkrieg - allerdings waren diese nicht mit den Konzentrationslagern der Deutschen im Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. Auch die Vichy-Regierung im besetzten Frankreich richtete Konzentrationslager ein: //„In diesen Lagern ... werden gespeist, gekleidet und zu nützlicher Arbeit angehalten alle jene unerwünschten und nicht anpassungsfähigen Elemente, die sich anders nicht weiterhelfen könnten: alle jene, die sonst in die Fremdenlegion eingetreten wären, Landstreicher und Heruntergekommene, | + | Wer es nicht schaffte, sich rechtzeitig abzusetzen, dem drohte neben dem Unwillen der Bevölkerung Hausarrest, die Internierung in Gefängnis, Zuchthaus oder Konzentrationslager. Concentration camps gab es bei den Engländern bereits im Ersten Weltkrieg - allerdings waren diese nicht mit den Konzentrationslagern der Deutschen im Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. Auch die Vichy-Regierung im besetzten Frankreich richtete Konzentrationslager ein: //„In diesen Lagern ... werden gespeist, gekleidet und zu nützlicher Arbeit angehalten alle jene unerwünschten und nicht anpassungsfähigen Elemente, die sich anders nicht weiterhelfen könnten: alle jene, die sonst in die Fremdenlegion eingetreten wären, Landstreicher und Heruntergekommene, |
Die Lagersysteme glichen sich überall auf der Welt und machten den Internierten das Leben mal mehr, mal weniger schwer. Zunächst einmal waren es tatsächlich „Konzentrationslager“: | Die Lagersysteme glichen sich überall auf der Welt und machten den Internierten das Leben mal mehr, mal weniger schwer. Zunächst einmal waren es tatsächlich „Konzentrationslager“: | ||
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Schlußendlich geht es um eine passende Ausrüstung, | Schlußendlich geht es um eine passende Ausrüstung, | ||
- | In jedem Fall müssen Ausstattung, | + | In jedem Fall müssen Ausstattung, |
Selbst wenn die Flucht gelingt, befindet man sich meist noch nicht in Sicherheit: Magener und von Have benötigen einen Monat für ihre Flucht durch Indien, verbringen danach aber drei Monate in japanischen Gefängnissen, | Selbst wenn die Flucht gelingt, befindet man sich meist noch nicht in Sicherheit: Magener und von Have benötigen einen Monat für ihre Flucht durch Indien, verbringen danach aber drei Monate in japanischen Gefängnissen, |
wiki/flucht.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/02 03:08 von norbert