(→ Kochen und Essen)
Reeh, Alexander
Huguette Couffignal Die Küche der Armen mit über 300 Rezepten 384 S. Berlin 2023: März Frankfurt am Main 1978, Übersetzung von La Cuisine des Pauvres Paris 1970 oft übersetzt, z.B.: De keuken der armen, La cucina povera, La Cocina Heredada
Die Autorin hat vor mehr als 50 Jahren erkundet, wie die Armen und Hungrigen der Welt (Dritte Welt, Globaler Süden) es schaffen zu überleben und Lebensmittel zu konservieren (z.B. Trockenfleisch, Pemmikan). »Was sich bewegt, ist essbar«: Schmetterlinge, Bienen, Eidechsen, Termiten, Grillen, Regenwürmer wecken zwar unsere Aufmerksamkeit besonders, sind praktisch aber nur Beilagen zu allem, was sättigt: Hirse, Sorghum, Mais, Linsen, Soja und Kichererbsen, zubereitet als Brei (z.B. Polenta) oder oder Eintopf (z.B. Gumbo).
Das sind aber keine reißerischen Rezepte, die auf Ekel zielen, sondern Anleitungen für den Alltag in einer uns fremden Umgebung, in der Tofu oder Algen billig zu haben sind und wie sie bereits bei Moses
aufgezählt wurden (Leviticus 1,22). Ein fünfzigseitiger Essay beschreibt, wie die Rezepte durch Kultur und Ressourcen geprägt sind, also durch Gewohnheiten und Notwendigkeit, wie etwa die Kombination von Buttertee mit Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) und Aprikosen im Himalaja.
Die Analysen der Autorin führen zu auch heute aktuellen Ergebnissen: weniger Fleischkonsum, Rücksicht auf Ressourcen, Verwertung »from nose to tail«. So gesehen sind die Gerichte der Armenküche, die es in die heutige Bohême geschafft haben, auch eine kulturelle Aneignung, deren Verzehr jedoch hier nicht auf Notwendigkeit und Mangel zurückzuführen ist, etwa: Tacos und Tofu, Sushi und Shakshuka, sondern stattdessen einen erhöhten Aufwand auslöst.
Theodor Radowicz-Oświȩcimski
Seite 4: „Diese eigenthümliche Bezeichnung bedarf einer Erklärung für Nicht-Militärs da sie dem Militär Katechismus entnommen ist. Es wird darunter eine gewisse Quantität von Lebensmitteln verstanden welche der Soldat auf Märschen mit sich führt um im Nothfall wenn die regelmäßige Verpflegung einmal in Stockung geräth sich selbst wenigstens nothdürftig mit Speise versorgen zu können. … Der Soldat führt an und für sich im Felde gar keinen Haushalt. Die Vorräthe und Magazine folgen ihm nach und versorgen ihn täglich mit seinem Verpflegungsbedarf so lange nicht außer gewöhnliche Ereignisse eintreten welche auf die regelmäßige Verpflegung störend einwirken.“
Seite 24: „Wirsing, Weißkraut, gelbe und weiße Rüben, Kartoffeln, Zwiebeln und Sellerie bilden in gewissen Gewichtstheilen zusammen gegeben die Bestandtheile der Feldkost.“
Radowicz-Oświȩcimski
diskutiert praxisnah die Bedürfnisse und die technischen Möglichkeiten und Versuche der damaligen Zeit, haltbare Nahrungsreserven herzustellen. Ab den 1860er Jahren erhielten Soldaten der deutschen Armeen zunehmend standardisierte haltbare Marsch- und Notverpflegung. Diese »Eiserne Ration« durfte erst nach Anweisung verzehrt werden. Enthalten waren haltbares Brot/Zwieback, Trocken-, Räucher- oder Konservenfleisch, Hülsenfrüchte/Dörrgemüse sowie Kaffee/Tee, Salz und Zucker.
Was lässt sich leicht tragen, einfach zubereiten und macht satt? Diese Überlegung teilen Langstreckenwanderer mit Alpinisten und Infanteristen und führten 1867 den Berliner Koch Johann Heinrich Grüneberg
zur Entwicklung der Erbswurst, der man den Ursprung aus der Tüte nicht nachschmeckte, die billig war und der preußischen Armee nicht nur als »eiserne Ration« diente sondern 1956 bis 1990 auch als »NVA-Feldsuppe«, jedoch seit 2018 nicht mehr hergestellt wird. Sie bestand ursprünglich aus Erbsenmehl, Gewürzen, Rinderfett, Salz, Speck, Zwiebeln und war auch ungekühlt nahezu unbegrenzt haltbar, wenn sie luftdicht verpackt war: in Wurstform, doch ohne Wurst.
Die Einmannpackungen EPA der Bundeswehr (engl. MRE `Meals, Ready to Eat´, combat ration) wiegen 1.600/1.800 g und bieten einen Nährwert von 15,9 MJ (3800 kcal). Deren Zusammensetzung änderte sich wiederholt seit den 1960er Jahren, darunter 1-2 Hauptgerichte, die im Wasserbad erwärmt wurden sowie Kekse (Kräcker, Brot), Wurst, Weichkäse, Konfitüre, Saft-, Kaffee- & Teepulver, Margarine, Salz, Schokolade sowie weitere Utensilien, etwa Wasserentkeimungsmittel. Die alten EPA hielten sich zehn Jahre und länger, wobei allerdings Schokolade und die Getränkepulver zu keiner Zeit genießbar waren.
Die NVA (DDR) legte für ihre Soldaten zugrunde (in Gramm pro Tag):
Proteine & Fette | |
---|---|
Milch & -erzeugnisse | 300 bis 350 |
Fleisch & Wurst | 220 bis 250 |
Butter & Fette | 80 bis 90 |
Eier | 35 bis 50 |
Fisch | 45 |
Käse | 35 bis 40 |
Kohlenhydrate | |
Kartoffeln | 800 |
Brot & Gebäck | 500 |
Gemüse | 300 bis 350 |
Obst | 200 bis 200 |
Marmelade & Süßwaren | 60 bis 70 |
Nährmittel | 60 |
Wer über den Kauf von »Trekking-Mahlzeiten« nachdenkt, ist dagegen mit dem Testergebnis der Sterneköche Christian Lohse
und Hans-Peter Wodarz
gut beraten, nachzulesen in:
Christine Dohler
: Camping à la carte. Die Zeit 20. August 2009.
Uwe Spiekermann
Uwe Spiekermann
Andreas Thurnwald
Peter & Helga Haller
(Bearbeiter)
Vor demselben Problem wie Reisende standen deutsche Siedler auch im südlichen Afrika und fragten sich: Wie kann ich mit dem, was hier wächst und fleucht etwas kochen, das an das erinnert, was meine deutsche Zunge gewohnt ist? Diese Rezeptsammlung basierte auf dem Kolonial-Kochbuch von Olga Rosenberg
, Berlin 1906: W. Süsserott 1), außerdem flossen die Rezepte von 18 Farmern und Familien ein, die im Vorwort namentlich genannt sind. Seite für Seite merkt man, dass Praktiker am Werk sind. Da wird Bananenbrot gebacken und erklärt, wie man Senf herstellt oder einen haltbaren Brotaufstrich aus Rindfleisch zubereitet. Neben dem Herstellen von Leberwurst wird beschrieben, wie eine Puffotter gehäutet wird, es gibt Ananasbier, Saft aus Kaktusfeigen und Pfannkuchen aus Süßkartoffeln.
Feldkamp, Herbert
, Annegret Weilandt
Hans Gazert
Hofmann, Thomas
Suranyi, Anna
Wolfram zu Mondfeld
Auf See zeigen sich noch ganz andere Probleme: Was kann man mitnehmen und zubereiten, wenn es nichts Frisches zu kaufen gibt, wenn das Schiff im Wellengang schaukelt und nur Salzwasser im Überfluss zuhanden ist? Unter einem irreführenden Titel (Das ist ist kein Kinderbuch) sind Bordgerichte versammelt: gut recherchiert, mit Rezepten aus den Bordküchen seit Homer und historisch belegt.
Hagseth, Megan C.
Newson, L.
, S. Minchin
Melina Teubner
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
(Hg.)Eine spezielle Küchenorganisation kann durch eine plötzliche Notlage erforderlich sein, weil eine mehrtägige Robinson-Situation entsteht, bei der durch verschiedene Ursachen (Lawinen, Starkregen, Flut, Tornado, Erdbeben u.a.) regionale Strukturen wie etwa Strom- und Wasserversorgung unterbrochen werden oder eine Region von der Umwelt abgeschnitten wird. Das setzt eine ständige Vorratshaltung voraus, damit einige Tage überbrückt werden können. Dabei kann massenhaft hysterisches Verhalten den Mangel durch Horten erst recht herbeiführen, wie die Corona-Pandemie zeigte, als WC-Papier, Nudeln und Tomatenkonserven ausverkauft waren. Einmal gestörte Lieferketten brauchen jedoch lange, bis sie wieder funktionieren, da die Abstimmung zwischen Erzeuger, Spediteuren und Lageristen aus den Fugen gerät.
Während der Coronapandemie 2020 schrieb das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK einen Wettbewerb für ein »Notfallkochbuch« aus und suchte Rezepte, die solchen Kochbedingungen entsprechen sollten:
Josephine Nagel
Hans Jürgen Holtmeier
Dickson, Paul
Eine Krisenküche entsteht bei wochen- oder monatelang anhaltenden überregionalen Situationen, die zu Mangel- oder Unterernährung führen können. Die letzte Lebensmittelrationierung begann am 28. August 1939 und endete erst am 30. April 1950; die Lebensmittelrationierung im ersten Weltkrieg dauerte sechs Jahre. Private Vorsorge und Lagerhaltung kann da nur Lücken überbrücken. Viel wichtiger ist bei anhaltender Mangelernährung das Wissen um eine ausgeglichene Zusammensetzung.
Der Arzt und Ernährungsphysiologe Professor Holtmeier
hat die Erfahrungen der beiden Weltkriege ausgewertet und zwei Ernährungspläne für Krisenzeiten erstellt, die zum einen genau das enthalten, was der Körper benötigt, zum anderen die mangelnden Versorgungsmöglichkeiten im Ernstfall berücksichtigen und zum dritten schmackhafte Mahlzeiten ermöglichen. Einige Ergebnisse seiner detaillierten Krisenanalyse sind:
Adamson, Melitta Weiss
Fales, F.M.
Milano, L.
In der Altsteinzeit - also mehr als eine Million Jahre lang - umfasste das Nahrungsmittelangebot der Jäger und Sammler:
Auch unter den damaligen Bedingungen waren jedoch Methoden der Verarbeitung und Haltbarmachung möglich wie etwa
Li Liu
, Jiajing Wang
, Danny Rosenberg
etal.Speth, John D.
Zuckerhaltige Beeren & Obst vergären zu Wein, Honig zu Met, kohlehydratreichen Samen zu Bier. Dass Primaten wild vergorene Früchte kennen und zu schätzen wissen, ist bekannt. Damit Alkohol im Körper verarbeitet (metabolisiert) werden kann, bedarf es allerdings eines bestimmten Enzyms, der Alkohol-Dehydrogenase IV (ADH4), die bei Primaten und Menschen auftritt, jedoch kaum bei anderen Säugetieren. Damit verbunden sind
Carrigan M.A.,
et al.Svetlana Borinskaya
et al.Zwar sind Brot, Bier, Brei für die Altsteinzeit nicht nachgewiesen, jedoch auch ohne Landwirtschaft mit Wildgräsersamen als Vorformen der heutigen Getreide herstellbar, wobei die Verarbeitung bei geröstetem Getreide einsetzt und fortschreitet über eingeweichtes, gequetschtes Getreide in Form von Brei, erhitztem Brei und gemahlenen Körnern (Weizenmehl) zu Fladenbrot in der Asche (im arabischen Raum gurs, qors, gars, 'urs 3), deckungsgleich mit dem Verbreitungsgebiet der Beduinen ) und schließlich über Hefen und Milchsäurebakterien zu Sauerteigbrot aus Roggenmehl im Ofen. Die ältesten archäologischen Hinweise verweisen auf Brot um 12.400 BC, auf Käse um 5.500 BC und auf Olivenöl im 5./6. Jahrtausend BC.
Arranz-Otaegui, Amaia
etal.Dvory Namdar
, Alon Amrani
, Nimrod Getzov
, Ianir Milevski
Alan K. Outram
Eine Landwirtschaft entwickelte sich ab etwa 12.000 BC, die ihr nachfolgende Tierhaltung zielte zunächst auf das Schlachtfleisch. Milch als Nahrungsmittel setzte die Lactosetoleranz von Erwachsenen voraus. Diese entwickelte sich erst als Folge der Rinderhaltung, ausgehend von Bewohnern der pontisch-kaspischen Steppe etwa 3000 BC und schließlich in Europa etwa 1.000 BC.
Joachim Burger et al.
Behnstedt Peter
, Manfred Woidich