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wiki:bergwelt

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wiki:bergwelt [2024/01/27 12:05] – [Dem Himmel näher kommen - der Berg Sinai] norbertwiki:bergwelt [2024/03/20 14:42] (aktuell) – [Dem Himmel näher kommen - der Berg Sinai] norbert
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 ====== Bergwelt ====== ====== Bergwelt ======
 Der [[wiki:weg|Weg]] nach oben führt topographisch gesehen in eine Sackgasse, weil es irgendwann immer wieder nach unten geht.\\ Dass man daraus einen Sport (Bergsteigen) und eine Einstellung (Alpinismus) machen kann, ist ein Thema der Neuzeit.\\ Neuzeitlich ist auch die Bewertung der Berge über ihre Höhe. Solange man diese nicht kannte, hinterließ vielmehr ihr Aussehen, ihre Form, ihr Einfluss aufs Wetter einen nachhaltigen Eindruck. Der [[wiki:weg|Weg]] nach oben führt topographisch gesehen in eine Sackgasse, weil es irgendwann immer wieder nach unten geht.\\ Dass man daraus einen Sport (Bergsteigen) und eine Einstellung (Alpinismus) machen kann, ist ein Thema der Neuzeit.\\ Neuzeitlich ist auch die Bewertung der Berge über ihre Höhe. Solange man diese nicht kannte, hinterließ vielmehr ihr Aussehen, ihre Form, ihr Einfluss aufs Wetter einen nachhaltigen Eindruck.
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 +  * ''Jacek Woźniakowski''\\ Die Wildnis. Zur Deutungsgeschichte des Berges in der europäischen Neuzeit .\\ 467 S. 85 Ill. Frankfurt am Main 1990: Suhrkamp. [[https://d-nb.info/900876719/04|Inhalt]]
  
 Berge statistisch zu erfassen ist schwierig, nicht nur weil es kartographische Messungenauigkeiten, Auflösungsgrenzen und Bezugssysteme (Meereshöhe) gibt.\\ Berge einer Berggruppe gelten nur dann als eigenständig, wenn sie deutlich von den nächsten Bergen abgegrenzt sind. Darüber entscheidet die (willkürlich) gesetzte Schartenhöhe zwischen zwei Gipfeln (z.B. 500 Meter). Am selben Berg kann es zudem Nebengipfel geben, auch hier muss eine Schartenhöhe gesetzt werden (z.B. 40 Meter). Mit diesen Setzungen ergibt die kartographische Auswertung weltweit (siehe [[https://www.bielefeldt.de/hoheberged_zusatz.htm|Hartmuts Bergseite]] mit detaillierter Beschreibung des Verfahrens): Berge statistisch zu erfassen ist schwierig, nicht nur weil es kartographische Messungenauigkeiten, Auflösungsgrenzen und Bezugssysteme (Meereshöhe) gibt.\\ Berge einer Berggruppe gelten nur dann als eigenständig, wenn sie deutlich von den nächsten Bergen abgegrenzt sind. Darüber entscheidet die (willkürlich) gesetzte Schartenhöhe zwischen zwei Gipfeln (z.B. 500 Meter). Am selben Berg kann es zudem Nebengipfel geben, auch hier muss eine Schartenhöhe gesetzt werden (z.B. 40 Meter). Mit diesen Setzungen ergibt die kartographische Auswertung weltweit (siehe [[https://www.bielefeldt.de/hoheberged_zusatz.htm|Hartmuts Bergseite]] mit detaillierter Beschreibung des Verfahrens):
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 Der //Mont Ventoux// hat keine markante Form wie der Mont Aiguille aber er ist »der Berg, der von Weitem zu sehen ist« ((''Paul Peyre''\\ //Toponymie du Ventoux//.\\ 93 S. Brantes 2012: Les Éd. du Toulourenc, Esprit des lieux)), stellt also ebenso eine Singularität in der Landschaft dar und dient damit als Merkmal zur Orientierung. **1336** wandert der italienische Dichter und Chronist ''Francesco Petrarca'' (1304–1374) mit seinem Bruder und zwei Dienern auf den //Mont Ventoux// (1909 m) in der Provence und schreibt darüber (angeblich) am 26. April 1336 in einem Brief an ''Dionysius von Borgo San Sepolcro '' ((''Francesco Petrarca''\\ //Die Besteigung des Mont Ventoux : Franceso Petrarca an Francesco Dionigi von Borgo San Sepolcro in Paris.//\\ [Kurt Steinmann] 67 S. lat./deutsch Stuttgart 2015: Reclam)). Diese Wanderung gilt heute als anstrengend, aber einfach, beispielsweise in fünf Stunden über 14 km mit rund 1.200 Metern Aufstieg und Abstieg, während Petrarca aus //Maloncenes// kommend in einer Hirtenhütte vor Sonnenaufgang aufbrach durch die weitgehend ungebahnte [[wiki:wildnis|Wildnis]] und nachts bei Mondschein wieder in der Hütte eintraf. Der //Mont Ventoux// hat keine markante Form wie der Mont Aiguille aber er ist »der Berg, der von Weitem zu sehen ist« ((''Paul Peyre''\\ //Toponymie du Ventoux//.\\ 93 S. Brantes 2012: Les Éd. du Toulourenc, Esprit des lieux)), stellt also ebenso eine Singularität in der Landschaft dar und dient damit als Merkmal zur Orientierung. **1336** wandert der italienische Dichter und Chronist ''Francesco Petrarca'' (1304–1374) mit seinem Bruder und zwei Dienern auf den //Mont Ventoux// (1909 m) in der Provence und schreibt darüber (angeblich) am 26. April 1336 in einem Brief an ''Dionysius von Borgo San Sepolcro '' ((''Francesco Petrarca''\\ //Die Besteigung des Mont Ventoux : Franceso Petrarca an Francesco Dionigi von Borgo San Sepolcro in Paris.//\\ [Kurt Steinmann] 67 S. lat./deutsch Stuttgart 2015: Reclam)). Diese Wanderung gilt heute als anstrengend, aber einfach, beispielsweise in fünf Stunden über 14 km mit rund 1.200 Metern Aufstieg und Abstieg, während Petrarca aus //Maloncenes// kommend in einer Hirtenhütte vor Sonnenaufgang aufbrach durch die weitgehend ungebahnte [[wiki:wildnis|Wildnis]] und nachts bei Mondschein wieder in der Hütte eintraf.
  
-Seit 1860 ''Jacob Burckhardt'' in seiner //Kultur der Renaissance in Italien// pathetisch  über dieses Ereignis  schwelgte, ließ die Begeisterung darüber nicht nach. Petrarca wurde zum »frühesten modernen Menschen« ((Burckhardt: «Vollständig und mit grösster Entschiedenheit bezeugt dann Petrarca, einer der frühesten völlig modernen Menschen, die Bedeutung der [[wiki:landschaft|Landschaft]] für die erregbare Seele» )). Tatsächlich hat Petrarca keinen authentischen Tagesbericht geschrieben, sondern 17 Jahre später den Brief an einen längst verstorbenen Beichtvater als literarische Bereicherung seiner Autobiographie verfasst. Petrarca selbst ordnet diesen Brief ein in eine Reihe von Bekehrungsgeschichten gemeinsam mit ''Antonius'' und ''Augustinus''. Ob er den Berg in der Außenwelt tatsächlich bestiegen hat oder ob er symbolisch in seiner Innenwelt für sein dichterisches Werk steht, sei dahingestellt. Dann stünde am Ende aber wieder der Ruhm als Motiv ((''Ruth Groh'', ''Dieter Groh''\\ //Petrarca und der Mont Ventoux.//\\ Merkur, 46.4 (1992) 290–307 [[https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a151399.pdf|Online]])).\\ Als Protagonist steht Petrarca jedenfalls seit 1860 stellvertretend für eine moderne Weltneugier, für Augenlust, für Naturgenuss und Hinwendung zur Sinnlichkeit - alles, was Augustinus als sündhaft ablehnte ((''Tosco Carlo''\\ //Petrarca: paesaggi, città, architetture.//\\ 132 S. Macerata 2011: Quodlibet. [[http://bvbr.bib-bvb.de:8991/exlibris/aleph/a23_1/apache_media/8DMNT6DM6SL9D9Y76EU4UX44IMT2RL.pdf|Inhalt]] )).+Seit 1860 ''Jacob Burckhardt'' in seiner //Kultur der Renaissance in Italien// pathetisch  über dieses Ereignis  schwelgte, ließ die Begeisterung darüber nicht nach. Petrarca wurde zum »frühesten modernen Menschen« ((Burckhardt: «Vollständig und mit grösster Entschiedenheit bezeugt dann Petrarca, einer der frühesten völlig modernen Menschen, die Bedeutung der [[wiki:landschaft|Landschaft]] für die erregbare Seele» )). Tatsächlich hat Petrarca keinen authentischen Tagesbericht geschrieben, sondern 17 Jahre später den Brief an einen längst verstorbenen Beichtvater als literarische Bereicherung seiner Autobiographie verfasst. Petrarca selbst ordnet diesen Brief ein in eine Reihe von Bekehrungsgeschichten gemeinsam mit ''Antonius'' und ''Augustinus''. Ob er den Berg in der Außenwelt tatsächlich bestiegen hat oder ob er symbolisch in seiner Innenwelt für sein dichterisches Werk steht, sei dahingestellt. Dann stünde am Ende aber wieder der Ruhm als Motiv ((''Ruth Groh'', ''Dieter Groh''\\ //Petrarca und der Mont Ventoux.//\\ Merkur, 46.4 (1992) 290–307 [[https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/a/a151399.pdf|Online]]\\ ''Mertens, Dieter''\\// Mont Ventoux, Mons Alvernae, Kapitol und Parnass.// Zur Interpretation von Petrarcas Brief Fam. IV, 1‚ De curis propriis.\\ S. 714-734 in: Andreas Bihrer (Hg.): Nova de veteribus. Mittel- und neulateinische Studien für Paul Gerhard Schmidt. München [u.a.] 2004: Saur. [[https://d-nb.info/1123415331/34|Online]] 
 +)).\\ Als Protagonist steht Petrarca jedenfalls seit 1860 stellvertretend für eine moderne Weltneugier, für Augenlust, für Naturgenuss und Hinwendung zur Sinnlichkeit - alles, was Augustinus als sündhaft ablehnte ((''Tosco Carlo''\\ //Petrarca: paesaggi, città, architetture.//\\ 132 S. Macerata 2011: Quodlibet. [[http://bvbr.bib-bvb.de:8991/exlibris/aleph/a23_1/apache_media/8DMNT6DM6SL9D9Y76EU4UX44IMT2RL.pdf|Inhalt]] )).
  
 Allerdings war für Petrarca das Reisen ein frei gewähltes Merkmal seiner Persönlichkeit ((»uno dei tratti più significativi della sua personalità ... non per sola necessità ma per scelta« in: Petrarca F. (2018): Guida al viaggio da Genova alla Terra Santa. Itinerarium Syriacum. Ugo Dotti (Hg., Übers.) 105 S. Milano 2018: Feltrinelli. S. 11: Vorwort [Führer für die Reise von Genua ins Heilige Land] )). Im Kern des allegorischen Briefes findet sich jedenfalls Zutreffendes: Petrarca weist auf den sehr starken Wind hin; sieht auf die Wolken hinab; sieht das Rhonetal, die verschneiten Alpen und das Mittelmeer in der Ferne, die Pyrenäen jedoch nicht und wandert im Mondschein zurück, denn am 26. April 1336 war Vollmond ((''Heinz Hofmann ''\\ //War er oben oder nicht?//\\ NZZ 24.12.2011 [[https://www.nzz.ch/war_er_oben_oder_nicht-ld.677949|Online]]\\ ''Christoph Wurm''\\ //Bergtour mit Augustinus. Petrarca auf dem Mont Ventoux.//\\ Forum Classicum 4 (2019) 252–257 [[https://doi.org/10.11588/fc.2019.4.70882|DOI ]] )). Allerdings war für Petrarca das Reisen ein frei gewähltes Merkmal seiner Persönlichkeit ((»uno dei tratti più significativi della sua personalità ... non per sola necessità ma per scelta« in: Petrarca F. (2018): Guida al viaggio da Genova alla Terra Santa. Itinerarium Syriacum. Ugo Dotti (Hg., Übers.) 105 S. Milano 2018: Feltrinelli. S. 11: Vorwort [Führer für die Reise von Genua ins Heilige Land] )). Im Kern des allegorischen Briefes findet sich jedenfalls Zutreffendes: Petrarca weist auf den sehr starken Wind hin; sieht auf die Wolken hinab; sieht das Rhonetal, die verschneiten Alpen und das Mittelmeer in der Ferne, die Pyrenäen jedoch nicht und wandert im Mondschein zurück, denn am 26. April 1336 war Vollmond ((''Heinz Hofmann ''\\ //War er oben oder nicht?//\\ NZZ 24.12.2011 [[https://www.nzz.ch/war_er_oben_oder_nicht-ld.677949|Online]]\\ ''Christoph Wurm''\\ //Bergtour mit Augustinus. Petrarca auf dem Mont Ventoux.//\\ Forum Classicum 4 (2019) 252–257 [[https://doi.org/10.11588/fc.2019.4.70882|DOI ]] )).
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 Auf dem Gipfel ein Zeichen zu hinterlassen - etwa einen [[wiki:steinmann|Steinmann]] - liegt wohl in der Natur des Menschen. Auf dem Mont Aiguille wurden bei der Erstbesteigung 1492 drei Kreuze an den Ecken des Gipfelplateaus so aufgestellt, dass sie von unten zu sehen waren.\\  Auf dem Gipfel ein Zeichen zu hinterlassen - etwa einen [[wiki:steinmann|Steinmann]] - liegt wohl in der Natur des Menschen. Auf dem Mont Aiguille wurden bei der Erstbesteigung 1492 drei Kreuze an den Ecken des Gipfelplateaus so aufgestellt, dass sie von unten zu sehen waren.\\ 
 Das systematische Aufstellen von Gipfelkreuzen (engl. summit cross, frz. Croix sommitale) begann aber erst später, beispielsweise in Österreich am 25. August 1799 auf dem Gipfel des Kleinglockner. Es wurde in dieser Epoche zum beliebten romantischen Motiv etwa auf den Bildern von ''Caspar David Friedrich'' ([[https://de.wikipedia.org/wiki/Caspar_David_Friedrich#/media/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Das_Kreuz_im_Gebirge.jpg|Das Kreuz im Gebirge]] 1808). ebenso wie der auf dem Gipfel Stehende (ders.: [[https://de.wikipedia.org/wiki/Caspar_David_Friedrich#/media/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Wanderer_above_the_sea_of_fog.jpg|Der Wanderer über dem Nebelmeer]] um 1817). Die Motive, auf dem Gipfel etwas aufzurichten wurzeln zunächst in einer Selbstvergewisserung (Ich war hier), werden dann zum Beweis gegenüber anderen (Ruhm), sollen die Natur besänftigen und Dämonen vertreiben, nehmen den Gipfel in Besitz und entzaubern ihn. Das systematische Aufstellen von Gipfelkreuzen (engl. summit cross, frz. Croix sommitale) begann aber erst später, beispielsweise in Österreich am 25. August 1799 auf dem Gipfel des Kleinglockner. Es wurde in dieser Epoche zum beliebten romantischen Motiv etwa auf den Bildern von ''Caspar David Friedrich'' ([[https://de.wikipedia.org/wiki/Caspar_David_Friedrich#/media/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Das_Kreuz_im_Gebirge.jpg|Das Kreuz im Gebirge]] 1808). ebenso wie der auf dem Gipfel Stehende (ders.: [[https://de.wikipedia.org/wiki/Caspar_David_Friedrich#/media/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Wanderer_above_the_sea_of_fog.jpg|Der Wanderer über dem Nebelmeer]] um 1817). Die Motive, auf dem Gipfel etwas aufzurichten wurzeln zunächst in einer Selbstvergewisserung (Ich war hier), werden dann zum Beweis gegenüber anderen (Ruhm), sollen die Natur besänftigen und Dämonen vertreiben, nehmen den Gipfel in Besitz und entzaubern ihn.
-  * ''Mathias Carl Theodor Luggauer''\\ //Alpines "Heroen-" und „Vagabundentum“ im Nationalsozialismus. Eine Analyse und Reflexion von Darstellungen und deren metaphorischen Verwendungen in Ideologie und Propaganda.//\\ 158 S. Magisterarbeit an der Karl-Franzens-Universität Graz 2015. [[https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/847998/full.pdf|Online]]+  * ''Mathias Carl Theodor Luggauer''\\ //Alpines "Heroen-" und „Vagabundentum“ im Nationalsozialismus. Eine Analyse und Reflexion von Darstellungen und deren metaphorischen Verwendungen in Ideologie und Propaganda.//\\ 158 S. Magisterarbeit an der Karl-Franzens-Universität Graz 2015. [[https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/847998/full.pdf|Online]] in:   
 +  * ''Sophia Mehrbrey'' (Hg.)\\ //Der Traum vom Berg.// Leiden 2023: Brill/Fink. [[ https://doi.org/10.30965/9783846767245|DOI]], darin u.a.:  
 +    * ''Schuchardt, Beatrie.''\\ //Träumereien am und vom Berg in französischen [[wiki:hippies|Hippie]]-Reiseberichten: Intertextuelles Mäandern und die Suche nach Gott.// S. 223–244 [[https://doi.org/10.30965/9783846767245_013 |DOI]] 
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